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DHB-Team wächst über sich hinaus: 30:23 gegen Polen

Deutsches Team feiert bei Handball-EM mit Ersatz 30:23-Erfolg gegen Polen.

Einwechselspieler als Trumpf: Gummersbachs Rückraumspieler Julian Köster (Mitte) glänzt gegen Polen mit sechs Treffern.  FOTO: A
Einwechselspieler als Trumpf: Gummersbachs Rückraumspieler Julian Köster (Mitte) glänzt gegen Polen mit sechs Treffern. FOTO: ARVIDSON/WITTERS
Einwechselspieler als Trumpf: Gummersbachs Rückraumspieler Julian Köster (Mitte) glänzt gegen Polen mit sechs Treffern. FOTO: ARVIDSON/WITTERS

BRATISLAVA. Philipp Weber kämpfte in den Katakomben der Arena Ondreja Nepelu mit seinen Emotionen. »Die Nachrichten in den vergangenen zwei Tagen haben ganz schön reingeknallt. Mir fehlen gerade ein wenig die Worte«, sagte der Spielmacher der deutschen Handball-Nationalmannschaft, die am Dienstag bei der Europameisterschaft den neun Corona-Erkrankungen trotzte und gegen Polen mit 30:23 (15:12) gewann: »Was wir in diesen 60 Minuten abgerissen haben, ist einer der schönsten Momente, wie wir zusammen erlebt haben.«

Durch den Erfolg vor 1 076 Zuschauern in Bratislava nimmt die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) zwei Punkte in die Hauptrunde mit, in der es am Donnerstag gegen Spanien geht.

Nachdem sich auch noch Linksaußen Marcel Schiller und Torwart Till Klimpke mit dem Corona-Virus infiziert hatten, stand mit dem nachnominierten Johannes Bitter nur ein Schlussmann im deutschen Aufgebot. Der Hamburger Keeper war ebenso wie Rune Dahmke, Fabian Wiede, Paul Drux und Sebastian Firnhaber wenige Stunden vor dem Anwurf im Hotel des DHB-Teams eingetroffen. Am Mittwoch werden dort ebenso der Göppinger Torwart Daniel Rebmann und der Stuttgarter Linksaußen Patrick Zieker als Ersatz für Schiller und Klimpke erwartet. Neben Schiller und Klimpke haben sich auch Julius Kühn, Hendrik Wagner, Andreas Wolff, Timo Kastening, Kai Häfner, Lukas Mertens und Luca Witzke mit dem Corona-Virus infiziert.

DHB-Sportvorstand Axel Kromer räumte ein, dass es bei der deutschen Mannschaft »momentan nicht sehr sicher« sei. Sowohl den noch gesunden als auch den infizierten Spielern sei deshalb angeboten worden, aus Bratislava abzureisen. Von dieser Möglichkeit machte aber niemand Gebrauch. Der Verband selbst denkt aktuell auch nicht an einen Rückzug. »Für mich ist klar, wir marschieren hier möglichst weit und nutzen die Breite aus«, sagte Kromer. Soll heißen: Bei weiteren Infektionen sollen weitere Spieler in die Slowakei beordert werden.

Die Dimension des Corona-Ausbruchs bei der deutschen Mannschaft führte unterdessen zu einer gestiegenen Nervosität beim Turnier-Ausrichter. Wie der polnische Verband verärgert mitteilte, seien für dessen Mannschaft am Morgen unerwartete Corona-Tests angesetzt worden. »Unter der Drohung, das Spiel ausfallen zu lassen.« Das Training sei abgesagt worden, bis zu drei Stunden habe man auf die Testergebnisse gewartet.

Trotz der Ausfälle kamen die Deutschen deutlich besser in die Begegnung als zuvor gegen Belarus und Österreich. Vor allem in der Abwehr stand die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason sehr stabil, im Prinzip bereitete nur der wurfgewaltige Szymon Sicko ein paar größere Sorgen. Kapitän Johannes Golla meinte: »Die Polen hatten heute keinen Spaß gegen uns.« Nur 15 Abschlüsse ließen die Deutschen in der ersten Halbzeit zu. Ein Top-Wert.

»Wir haben die negativen Erlebnisse in Kampf und Energie umgemünzt«

Da aber auch die Polen sehr aggressiv verteidigten, entwickelte sich von der ersten Minute ein intensiver Abnutzungskampf, in dem um jeden Ball und jeden Zentimeter geschubst und gerungen, gekämpft und geschoben wurde. Nicht ganz zufällig bekamen die Deutschen schon in der ersten Halbzeit vier Siebenmeter zugesprochen, die Geburtstagskind Christoph Steinert allesamt verwandelte. »Es war ganz gut heute«, flachste der Linkshänder nach dem Sieg mit Blick auf seine Leistung. Er erzielte neun Treffer und meinte angesichts der Corona-Rückschläge: »Wir haben die negativen Erlebnisse in Kampf und Energie umgemünzt.«

Nachdem Bitter seine ersten – und vor der Pause auch einzigen – zwei Paraden gezeigt hatte, legte der Europameister von 2016 ein 8:5 (19.) vor. Mit einem Doppelschlag verkürzten die Polen zwar, aber dann trumpfte der eingewechselte Julian Köster bei den Deutschen auf. Der 21-Jährige vom Zweitligisten VfL Gummersbach zog immer wieder furchtlos in Richtung Tor, am Ende stand er bei sechs Treffern und keinem Fehlwurf. »Ich bin natürlich glücklich«, sagte der bescheidene Youngster, der nach der Begegnung als bester Spieler der Partie ausgezeichnet wurde. Auch weil er sich in der Abwehr ausgesprochen clever anstellte und einen großen Anteil am 15:12-Pausenstand hatte.

Nach dem Seitenwechsel hielt Bitter weiterhin nicht gut, aber in der Abwehr wuchsen die Deutschen geradezu über sich hinaus. Sie wurden zu Helden der Arbeit. Beweglich wie ein Bienenschwarm, aggressiv wie ein Boxer – so agierten die Deutschen in der Deckung. Und im Angriff? Da gab es ja Köster. Der Gummersbacher erzielte das 20:15 (42.) und legte das 21:15 durch Johannes Golla (44.) vor. »Was er mit seiner jugendlichen Unbekümmertheit gespielt hat, war beeindruckend«, lobte Kromer den Senkrechtstarter. Polen kam noch einmal auf vier Treffer heran (24:20/53.). Doch wieder war es Köster, der den Gegner ins Mark zum 25:20 traf (55.). (GEA)