Logo
Aktuell Fußball

DFB Frauen sind am Ende ihrer Kräfte

DFB-Frauen sind eigentlich bereits vor Spiel um Bronze gegen Spanien am Ende ihrer Kräfte, weshalb die abstellenden Vereine den Abstecher nach Paris kritisch sehen

Klara Bühl & Co. widmen das Spiel um Platz 3 Coach Horst Hrubesch. FOTO: CIPRIANI/DPA
Klara Bühl & Co. widmen das Spiel um Platz 3 Coach Horst Hrubesch. FOTO: CIPRIANI/DPA
Klara Bühl & Co. widmen das Spiel um Platz 3 Coach Horst Hrubesch. FOTO: CIPRIANI/DPA

LYON. Horst Hrubesch ist gewiss niemand, der nur sich selbst sieht. »Mir ist wichtig, dass die Mädels eine Medaille bekommen. Das wird schwer genug«, sagt der Mann, der bei der deutschen Frauen-Nationalmannschaft nur noch ein letztes Spiel verantworten wird. Ob Zufall oder nicht: Als im November 2018 mal ein Freundschaftsspiel gegen Spanien (0:0) vor nicht einmal 3.000 Augenzeugen in Erfurt über die Bühne ging, galt das gemeinhin als Abschiedsvorstellung des HSV-Idols auf der Trainerbank der deutschen Fußballerinnen, nun wartet noch einmal derselbe Gegner zum wirklich letzten Akt: Das Spiel um Bronze in Lyon gegen die inzwischen zum Weltmeister aufgestiegenen Spanierinnen (Freitag 15 Uhr/ZDF und Eurosport) wird seine Abschiedsvorstellung.

»Vor einem Jahr hätte uns keiner das zugetraut, dass wir überhaupt hier stehen. Wir haben noch einen Matchball, und den wollen wir versuchen zu nutzen«, betont der 73-Jährige, der beim erst in der Verlängerung verlorenen Halbfinale gegen die USA (0:1) mächtig leiden musste. Nur zu gerne hätte er ja wie 2016 in Rio de Janeiro mit den Männern ein olympisches Finale erlebt, nun geht’s bloß um den Trostpreis, den die Frauen schon dreimal (2000, 2004 und 2008) gewannen. Stürmerin Klara Bühl drückt aus, was alle denken: »Das Spiel widmen wir ihm.« Und Ersatzkapitänin Giulia Gwinn sagt: »Vom Willen her sind wir alle bereit und wollen auf keinen Fall mit leeren Händen nach hause fahren.« Doch nicht nur den Deutschen geht gerade die Luft aus.

Die favorisierten Spanierinnen sind am Dienstagabend in Marseille im zweiten Halbfinale von Brasilien (2:4) mit einer grenzwertigen Gangart, bei der der nächste WM-Ausrichter auf jegliche Schönheitspreise verzichtete und viele Unsitten aus dem Männerfußball anwendete, auf die Bretter geschickt worden. Wer nach nur zwei Tagen Atempause noch einmal alle Kräfte bündeln kann, wird das kleine Finale gewinnen. Ralf Kellermann, Sportdirektor vom VfL Wolfsburg, beobachtet nicht als einziger Vereinsvertreter mit großer Sorge, wie die Zahl der Ausfälle steigt und welch hohen Preis erst die Spielerinnen, dann die Vereine für die Abnutzungskämpfe in der französischen Sommerhitze zahlen. Aus Kellermanns Sicht ist es keine Selbstverständlichkeit, dass die deutsche Delegation bei einer Niederlage noch nach Paris reist. Der Besuch des olympischen Dorfes erfolge in individueller Absprache mit den abstellenden Vereinen, hieß es vorsorglich von DFB-Seite. Für manche Clubs ist die Grenze des Zumutbaren erreicht. Keinen Tag länger, bitte.

Niveau leidet

Alle drei Tage auf Topniveau ohne richtige Vorbereitung performen, geht erkennbar an die Substanz – und darunter leidet das Niveau. Die ausgemergelten Gesichter und ausgelaugten Körper nach zweimal 120 Minuten in Viertel- und Halbfinale sprachen Bände. Sportdirektorin Nia Künzer wollte dennoch eine »herausragende Leistung« gesehen haben: »Das gilt für das ganze Turnier, erst recht, wenn man die Rahmenbedingungen und Umstände betrachtet.« Die DFB-Frauen sind in Sachen Einsatz und Engagement tatsächlich am Limit, aber wenn der künftige Bundestrainer Christian Wück vor Ort genau hingeschaut hat, dann sind ihm grundsätzliche Mängel nicht entgangen. Auf den Hrubesch-Nachfolger arbeitet neben der Verjüngung viel Grundsatzarbeit.

Bei Passspiel und Ballsicherheit gibt es mächtig Luft nach oben, gerade im letzten Drittel fehlen Präzision und Konsequenz. Und wo sind bitte die Alternativen, wenn neben Popp auch noch Lea Schüller ausfällt? Dieselbe Notlage war vor dem EM-Finale 2022 gegen England eingetreten – und genau wie damals wirkte Nicole Anyomi von Eintracht Frankfurt als Ersatz überfordert. Dass ihre Vereinskollegin Laura Freigang in der 119. Minute aus kürzester Distanz mit ihrem Kopfball scheiterte, war zwar einerseits Pech, aber andererseits auch ein Zeichen: Die USA als das aktivere Team greifen nicht unverdient nun im Finale gegen Brasilien am Samstag im Pariser Prinzenpark zu ihrer fünften Goldmedaille bei Olympischen Spielen. Deutschland wäre froh, überhaupt mit einer Plakette heimzukommen. (GEA)