DONAUESCHINGEN. Das unterscheidet den spanischen Fußball-Verband vom deutschen: Trainer Luis de la Fuente bekam vor zwei Jahren die Verantwortung für die Nationalmannschaft, nachdem er sich mit Titelgewinnen als U19- und U21-Coach für dieses Amt empfohlen hatte. Stefan Kuntz kam mit zwei Pokalen nach der U21-EM zurück, doch wurde ihm von den Oberen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nicht zugetraut, nach Joachim Löws Abgang die Bundestrainer-Stelle zu übernehmen. Stattdessen ging der überschätzte Hansi Flick mit Pauken und Trompeten baden.
Da wirkt das Vorgehen der Spanier doch abgeklärter. Wenn einer den Nachwuchs bestens kennt, kann das für das A-Team kein Nachteil sein. Ist es auch nicht, wie diese Europameisterschaft zeigt. Im Gegenteil. »Die Spieler sind individuell fantastisch. Sie arbeiten für das Kollektiv, wollen sich immer verbessern. Wir sind ein sehr vielseitiges Team«, ist de la Fuente voll des Lobes über seine Spieler, die als einzige Mannschaft des Turniers bisher alle sechs Spiele gewannen. Er schätze sich sehr glücklich, »26 Fußball-Genies« anleiten zu können.
»Ich wünschte, die Menschen würden mehr anerkennen, was Alvaro für Spanien gemacht hat«
Final-Teilnehmer Spanien, das am Sonntag (21 Uhr/ARD und MagentaTV) in Berlin auf England trifft, hat gezeigt, was möglich ist, wenn man Mut beweist. Taktisch wie spielerisch. Das einst bei den Iberern dominante Kurzpass-Spiel wurde um spielerische Freiheiten in der Offensive erweitert.
Rohdiamanten wie den herausragenden Lamine Yamal (»er muss weiter demütig bleiben«) und Nico Williams zu haben, macht die Furia Roja zudem schwer ausrechenbar. »Man muss daran glauben, dass wir attraktiv spielen können«, nennt der Coach einen weiteren Leitsatz seiner Philosophie auf dem Platz. Aber wenn das Team führt, hat der 62-Jährige auch kein Problem damit, offensiv den Gang rauszunehmen und sich ganz auf die Defensive zu konzentrieren.
Dass man mit dem von Teilen der Fans viel kritisierten Alvaro Morata noch einen erfahrenen Strafraumstürmer hat, ist in diesem System kein Widerspruch. De la Fuente verteidigt den Angreifer von Atletico Madrid. Er kämpfe, sei ein echter Kapitän. »Er hat etwas, was wir immer gebraucht haben. Ich wünschte, die Menschen würden mehr anerkennen, was er für den spanischen Fußball gemacht hat.«
Auch der in Harro gebürtige Trainer hat große Verdienste. Darauf angesprochen, spielt er allerdings seinen Anteil am Erfolg herunter. Lediglich den Umstand, dass er solche Spieler ausgewählt habe, könne man ihm selbst anrechnen. Auch wenn er die etwas abgedroschene Bezeichnung des Teams als »Familie« verwendet und ein wenig dick aufträgt, wenn er sagt, »auch ich gebe mein Leben für das Spiel«, gibt es doch eine sehr enge Verbindung zwischen seinen Schützlingen und ihm. Die gemeinsam errungenen Erfolge, die Entwicklung der Spieler wie Dani Olmo oder Rodri, die eng mit seiner Arbeit verbunden ist, sind das Bindeglied. »Ich kenne sie so gut. Sie lassen mich nicht hängen und haben alles gewonnen. Das ist eine wirklich feste Gemeinschaft.«
»Der Coach ist sehr eng an der Mannschaft dran und immer da, wenn man ihn braucht«
Das beruht auf Gegenseitigkeit. Der Respekt im Team für den 62-Jährigen ist groß, zumal unter seiner Führung auch Olympia-Silber 2021 errungen wurde. »Er ist sehr eng an der Mannschaft dran, immer da, wenn man ihn braucht und ein besonderer Motivator. Er hat viel Erfolg. Alles ist positiv an ihm«, sagt Olmo. Und der Coach besitzt auch die Fähigkeit, in schwierigen Situationen den richtigen Ton zu treffen. Angesprochen auf die gellenden deutschen Pfiffe gegen Außenverteidiger Marc Cucurella fand de la Fuente die Worte: »Diese Leute repräsentierten niemanden. Weder das Land noch den Sport.« Deutschland als Gastgeber sei »außergewöhnlich«.
Allerdings scheint die Fußball-Begeisterung hierzulande nicht mit Spanien vergleichbar zu sein. Dort haben, wie Journalisten des südeuropäischen Landes erklären, 70 Prozent der Bevölkerung (oder 32 Millionen) den Einzug ins Endspiel bejubelt. Er sage danke, danke und danke und sei »sehr stolz, dass das ganze Land auf der Straße feiert«, sagte de la Fuente. Die Spieler seien ein Vorbild für die jungen Menschen. Vor dem Finale gegen England erklärt Leistungsträger Rodri, man müsse bei sich sein und auf dem gleichen Level wie im Halbfinale agieren. »Das wird ein harter Kampf«, prognostiziert der Schlüsselspieler. (GEA)