STUTTGART. Es ist eine dieser Geschichten, die nachdenklich und fast sprachlos machen. Was Krystal Rivers in jungen Jahren an Schicksalsschlägen hinnehmen musste, hätte für mehrere Filme gereicht. Und dennoch hat sich die US-Amerikanerin davon nicht aus der Bahn werfen lassen, vielmehr dem Schicksal ihr Leben und ihre Glücks-Momente abgetrotzt. Und wurde dabei noch eine Weltklasse- Volleyball-Spielerin, die beim Allianz MTV Stuttgart mit 30 Jahren längst eine Legende ist.
Die Autobiografie, die Rivers zusammen mit dem früheren GEA-Redakteur Matthias Schmid verfasst hat, ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie der Wille Berge versetzen kann. Rivers kommt mit schwersten Geburtsfehlern auf die Welt: Nieren und Magen, die außerhalb des Körpers liegen, eine offene Bauchdecke, deformierte Hüftknochen – die Liste ließe sich leicht verlängern. Kein Wunder, dass die Ärzte es für möglich halten, dass das Mädchen die Nacht nicht überleben wird. Doch es kommt anders.
Mehr als 20 Operationen
Als die Ärzte sagen: »Du wirst nicht laufen können«, ist das für Rivers kein K.o.-Kriterium. Vielmehr steckt sie alle Widrigkeiten und mehr als 20 Operationen weg, wird eine hervorragende Schülerin und Studentin und überwindet auch eine Krebs-Erkrankung am lymphatischen System, als sie erst 19 Jahre alt ist. Später folgen Fieber-Phasen, Panik-Attacken, Angst-Störungen sowie die Einnahme von Antibiotika über Jahre hinweg.
Schmerzen und Infektionen sind die nahezu ständigen Begleiter, doch lässt sich die junge Frau aus Birmingham/Alabama im amerikanischen Süden nicht von ihrem Weg abbringen, wenngleich sie als Volleyball-Profi immer wieder Trainings-Pausen einlegen muss. Rivers macht Karriere, spielt im US-Nationalteam, auf den Philippinen, in Taiwan und Frankreich, ehe sie nach Stuttgart wechselt, der Stadt, der sie in ihrem Buch eine Liebeserklärung macht. Hier hat die Diagonalangreiferin, die mit Schmetterbällen von bis zu 110 km/h aufwartet und längst zum Aushängeschild des Clubs geworden ist, in sechs Jahren mit dem MTV-Team vier deutsche Meister-Titel und zwei Pokal-Siege geholt.
Das aber sind in diesem Band lediglich Randaspekte. Es zeichnet die Schilderung aus, dass sie Rivers’ unbändigen Kampfgeist, ihre mentale Stärke in den Vordergrund stellt, um trotz aller Hindernisse ein lebenswertes Leben führen zu können. Es sagt viel über sie aus, wenn sie schreibt, dass sie sich viele Jahre lang nie als Kranke betrachtet hat. Die tiefe Verbundenheit und der Rückhalt durch die Familie, in der die Großmutter eine herausragende Rolle einnimmt, sind ihre Kraftquelle.
Zeit im Camp als Kraftquelle
Auch das Gemeinschaftsgefühl in Camps, in denen die anderen Jugendlichen ebenfalls gravierende gesundheitliche Handicaps haben, wird zum wichtigen Mosaikstein beim Umgang mit ihrer Situation. Es ist ein langer Selbstfindungs-Prozess, bis sie zu der Erkenntnis gelangt, dass sie nicht permanent körperliche Grenzen überwinden muss, sondern sich auch helfen lassen darf.
Eine Biografie, die mit ihrer Offenheit punktet. Ein Mutmacher, der uns aus der Ecke der Selbstverzagtheit holt, wenn wir glauben, es wäre ein schwarzer Tag. Krystal Rivers hat noch viel schwärzere erlebt – und sie in bewundernswerter Weise gemeistert. (GEA)