London (dpa) - Jürgen Klopp lässt der Fußball-Weihnachts-Trubel noch ungewöhnlich kalt. Die Belastung durch Club-WM in Katar? Das stramme Programm zum Jahreswechsel? »Es ist alles gut«, sagte der vom Erfolg beseelte Trainer des FC Liverpool, als er auf die Strapazen angesprochen wurde.
Das war in den vergangenen Jahren auch schon anders. Da moserte Klopp über die hohe Belastung zum Jahreswechsel. Am zweiten Feiertag (21 Uhr, DAZN), dem Boxing Day, tritt der Tabellenführer der Premier League diesmal zum Spitzenspiel beim zehn Zähler zurückliegenden Verfolger Leicester City an.
Für Leicesters Trainer Brendan Rodgers ist das englische Fußballprogramm zum Jahreswechsel hingegen schlicht »Unsinn«. Ähnlich deutlich hatte es Klopp in den Vorjahren auch ausgedrückt. »Die Spieler sind keine Roboter, das ist kein Computerspiel«, sagte Rodgers nun über die enge Taktung. Am Samstag noch die 1:3-Niederlage bei Manchester City, am zweiten Feiertag gegen Klopp, zwei Tage später bei West Ham United und am Neujahrstag in Newcastle - atemlos durch die Weihnachtszeit.
Fußballerischer Hochgenuss ist angesichts der Belastung nicht zu erwarten. Mit Grausen erinnert sich Hertha-Trainer Jürgen Klinsmann an das üble Weihnachtsgekicke zu seiner Zeit Mitte der Neunziger als Stürmer bei Tottenham Hotspur: »Das Spiel am 27. konntest du gar nicht mehr anschauen, da gab's nur lange Bälle.« Damals wurde nicht nur am 26., sondern auch am 27. Dezember gespielt.
Schalkes englanderfahrener Trainer David Wagner sprach sich mit Nachdruck gegen die Einführung eines Boxing Day in Deutschland aus. »Ich hoffe nicht, dass das irgendwann kommt«, sagte Wagner, der von November 2015 bis Januar 2019 für Huddersfield Town verantwortlich war. »Ich habe es erlebt, und ich möchte es nicht haben«, sagte Wagner: »Ich akzeptiere diese Tradition in England. Aber ich bin froh, dass sie hier nicht vorherrscht. In Deutschland ist Weihnachten immer noch das Fest der Familie.«
Spanien pausiert bis zum 3. Januar, Italien bis zum 5. Januar, und die Bundesliga fängt erst am 17. Januar mit der Rückrunde an. England ackert aber durch. Christian Seifert, der Chef der Deutschen Fußball Liga, sieht »keine Notwendigkeit, an den Weihnachtsfeiertagen zu spielen«. Die Premier-League-Spiele am Boxing Day seien »eine Alleinstellung bei den Fans weltweit«, sagte er am Jahresanfang der »Bild«.
Dieses englische Original »einfach zu kopieren und zu glauben, dass damit sprunghaft die Auslandserlöse steigen, funktioniert nicht«. In Deutschland stoßen Handball, Eishockey und Basketball in die Veranstaltungslücke am zweiten Feiertag.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts rollte auf der Insel der Ball am Christfest. Bis in die 1950er Jahre wurde sogar am ersten Weihnachtstag ein kompletter Spieltag ausgetragen. Der heutige Zweitligist FC Brentford soll damals mit dem sexistischen Motto geworben haben: »Männer gehen zum Spiel, während die Frauen in der Küche kochen.« Denn nach dem Stadionbesuch gab es das Festmahl. Weil Mitarbeiter im öffentlichen Nahverkehr am 25. Dezember freibekamen, fuhren Busse und Bahnen nicht mehr. Der zweite Feiertag dient deshalb seit 1966 als Ersatz.
Mit der Sportart Boxen hat der Name des Spieltags freilich nichts zu tun. Boxing ist das englische Wort für Einpacken. Der »Boxing Day« entstand im 19. Jahrhundert zu Zeiten von Königin Victoria. Damals war es üblich, dass die reichere Bevölkerung Weihnachtspakete schnürte, um sie ärmeren Menschen und Angestellten zu geben. Bedienstete hatten am 26. Dezember frei und bekamen an diesem Tag von ihren Herren ihr Weihnachtspaket.