DÜSSELDORF. Am Mittag gesteht Christoph Metzelder. Der ehemalige Fußball-Nationalspieler liest langsam das zweifellos vorbereitete Geständnis, stockt, schluchzt. Richterin Astrid Stammerjohann hatte zuvor die öffentliche Hauptverhandlung unterbrochen und in einem Rechtsgespräch mit den Prozessbeteiligten klargemacht, dass der Angeklagte nicht damit rechnen könne, dass das Gericht eine »Rechtsbruchprovokation« berücksichtige. Was heißen soll: Die Frau aus Hamburg, eine von dreien, denen Metzelder kinderpornografische Inhalte per Chat gesendet hatte, sieht das Gericht keinesfalls als Treiberin der Chats an.
Für ein Geständnis avisiert die Richterin Metzelder zehn bis zwölf Monate auf Bewährung, kurz danach gesteht Metzelder tatsächlich. Er nimmt seine FFP2-Maske ab und sagt: Unabhängig von »einigen offenen Fragen bleibt meine tatsächliche Verantwortung«. Er habe sich lange mit seinem generellen Chatverhalten auseinandergesetzt. Er habe nur das an Material besessen, das er verschickt habe, habe frei zugängliche Bilder aus dem Internet per Screenshot gesichert und »für Extremfantasien ausgetauscht«. Die »Faszination des Unaussprechlichen lag in einer gemeinsamen Grenzüberschreitung«.
Es habe keine Übergriffe gegeben, das sei auch niemals geplant gewesen. Metzelder spricht von einer »ausschließlich digitalen Parallelwelt«. Dann sagt er: »Dennoch bleibt die Versendung. Neben der strafrechtlichen Bedeutung geht es hier um meine moralische Schuld.« Und mit brüchiger Stimme fügt er an: »Ich akzeptiere die Strafe und bitte die Opfer um Vergebung. Ich weiß, dass ich eine Wunde hinterlasse, die möglicherweise niemals verheilen wird. Damit werde ich den Rest meines Lebens als Teil der Gesellschaft leben müssen.«
Geständnis zeigt »echte Reue«
Später markiert die Richterin das Geständnis als »echte Reue«. Als gegen 15.50 Uhr nach nicht öffentlicher Verlesung der Chat-Protokolle und Begutachtung des kinderpornografischen Materials das Urteil fällt, nimmt Metzelder wort- und gestenlos eine zehnmonatige Bewährungsstrafe ohne weitere Auflagen hin. Auch die Plädoyers werden im Gerichtssaal ohne Öffentlichkeit gehalten, weil schon bei der Beweisaufnahme »Vorgänge zur Sprache« kämen, die den »Intimbereich des Angeklagten und der Zeugin betreffen« und so auch die Kinder geschützt würden, wie die Richterin sagt. So hat am Ende die Metzelder-Seite einen guten Teil der unangenehmen Details aus der Öffentlichkeit herausgehalten.
Der Tag hatte am Morgen mit viel Aufsehen begonnen: Eine Viertelstunde vor Prozessbeginn kommt Metzelder am Düsseldorfer Amtsgericht an. Graues Slim-Sakko, helles Shirt, schwarze Hose, schwarze FFP2-Maske. Er geht aufrecht durch ein Heer von Fotografen, die sich vor dem Gerichtsgebäude an der Werdener Straße in Düsseldorf-Oberbilk versammelt haben. Die Verteidigung, heißt es, soll versucht haben, diesen öffentlichen Auftritt zu verhindern und Metzelder einen anderen Eingang zu gewähren, einen ohne Öffentlichkeit. Den Wunsch habe das Gericht abgeschlagen.
Bilder werden detailliert beschrieben
Am schwarzen Van verabschiedet sich Metzelder von einem älteren Mann, mit ihm hinein geht eine seiner drei Anwälte. Im Gerichtssaal sind wenige Pressevertreter und Zuschauer anwesend. Dann wird verlesen, was Metzelder vorgeworfen wird: 29 Mal soll der inzwischen 40-Jährige im August und September 2019 an insgesamt drei Frauen von seinem Mobiltelefon in Whatsapp-Chats Kinderpornomaterial zum Zwecke sexueller Erregung versendet haben.
Die Bilder werden von Staatsanwältin Kathrin Radtke teils detailliert beschrieben: Bilder von unter 14 Jahre alten Mädchen beim oralen und vaginalen Geschlechtsverkehr mit Erwachsenen, ein Bild zeige ein zehnjähriges Mädchen beim Oralverkehr mit einem Mann, jedes Bild hat ein Kennzeichen, der Vortrag dauert eine Viertelstunde. An eine Frau im Raum Münster sei auch ein Videoclip gegangen, in dem ein Mädchen anal missbraucht worden sei. Später spricht die Richterin von unter zehn Jahre alten Mädchen, die betroffen seien.
Durchsuchung von LKA und Bild
Dann sagt Metzelder sein Leben auf, berichtet auch von den Auszeichnungen »Landesverdienstorden NRW und Bundesverdienstkreuz«. Er werde diese Auszeichnungen »alle zurückgeben«, weil aus ihnen auch ein Anspruch »an den Ordensträger« erwachse, »der an die Zukunft gerichtet ist«. Mit der Durchsuchung am 3. September in der Sportschule Hennef »durch das LKA Hamburg und die Bild-Zeitung«, wie Metzelder vielsagend ausführt, habe sein Leben eine Zäsur erfahren. Er lebe seit diesem Zeitpunkt zurückgezogen in Düsseldorf-Derendorf. Keine Aufträge, keine Jobs, kein laufendes Einkommen. Auf dem in Hennef sichergestellten Iphone Metzelders seien laut Staatsanwaltschaft 234 kinderpornografische Bild-Dateien und zwei kinderpornografische Video-Dateien gefunden worden.
Richterin Stammerjohan nimmt sich noch 20 Minuten Bedenkzeit, bevor sie ihr Urteil fällt. Es ist das untere Ende des selbst gesteckten Strafrahmens. Metzelder sei schon durch das Verfahren gestraft, sagt sie. »Das besondere öffentliche Interesse ist die Kehrseite seiner Berühmtheit. Er dürfte für absehbare Zeit weder seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen können, noch am öffentlichen Leben teilnehmen«, so die Richterin. Wortlos, eine Hand in der Hosentasche, verlässt Metzelder am Nachmittag, flankiert von Wachleuten, das Gericht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidiger Sommer behält sich Rechtsmittel vor. Metzelder wirkt, als sei er froh, dass es ein Ende hat. (GEA)