Doha (dpa) - Auf Oliver Kahn wartet als angehender Bayern-Boss eine erste spannende Aufgabe. Mit der pünktlich zum Trainingslagerstart in Katar bestätigten Verpflichtung des Schalkers Alexander Nübel hat der deutsche Fußball-Rekordmeister seine Torwartpläne für die Zukunft publik gemacht.
Der 23-Jährige soll auf lange Sicht den ein Jahrzehnt älteren und kurzfristig unantastbaren Kapitän Manuel Neuer als Nummer 1 ablösen. Der Übergangsprozess birgt Konfliktpotenzial und verlangt von allen Beteiligten Fingerspitzengefühl. Da könnte es helfen, dass Kahn seit Jahresbeginn dem Münchner Vorstand angehört. Der einstige »Titan« weiß schließlich am besten, wie speziell Torhüter ticken.
Hansi Flick lobte die Vereinsführung für den lange angebahnten Wechsel, auch wenn noch nicht klar ist, ob er Nübel im Sommer noch als Trainer in Empfang nehmen wird. »Bayern München hat die Chance genutzt, um einen sehr talentierten Torwart nach München zu holen. Das ist sehr weitsichtig«, sagte Flick am Sonntag in Doha.
Mehr als das brisante Torwartthema der Zukunft beschäftigte Flick aber gleich zu Beginn des Wintercamps die angespannte Personallage in der Gegenwart. »Wir haben zu viele Verletzte!« Ein weiterer kam gleich zu Beginn des Katar-Aufenthalts hinzu. Nationalspieler Serge Gnabry musste wegen Achillessehnenproblemen die Laufeinheit am frühen Morgen abbrechen. Ein dicker Verband zierte die Wade. Flick klang besorgt: »Man muss halt aufpassen und das sehr, sehr ernst nehmen.« Er ließ darum offen, wie lange der so wertvolle Angreifer pausieren muss.
Niklas Süle (Kreuzbandriss), Javi Martínez (Muskelbündelriss), Lucas Hernández (Aufbau nach Fuß-OP) fallen sicher aus zum Rückrundenstart am 19. Januar bei Hertha BSC. Dazu kommt Kingsley Coman, der nach einer Knieblessur noch in der Reha steckt. »Wir müssen bei King eher davon ausgehen, dass es nicht klappt«, sagte Flick. Torjäger Robert Lewandowski, der nach seiner Leisten-Operation ebenfalls in Katar fehlt, soll dagegen in Berlin auflaufen. »Robert ist ein Vollprofi. Er hat keine Probleme. Da sind wir optimistisch«, berichtete Flick.
Nübel ist ein Münchner Zukunfts-Projekt - und ein gutes Geschäft. Der von einigen europäischen Topclubs umworbene Torwart war ablösefrei zu haben und kann zum neuen Neuer aufgebaut werden. Der langfristige Vertrag bis 2025 ist ein Beleg dafür, dass die Münchner Bosse in ihm den geeigneten Nachfolger sehen. Der selbstbewusste Nübel tauscht dafür den Stammplatz auf Schalke und die dortige Leaderposition gegen die Reservisten- und Kronprinzenrolle in München ein. Der riskante Schritt scheint zu verlockend: Nummer 1 bei Bayern ist ein Topjob.
Und Neuer ist ein ideales Vorbild für Nübel. Der Bayern-Kapitän kam 2011 ebenfalls von Schalke (für 30 Millionen Euro), war aber damals schon Deutschlands Nummer 1. Aber erst in München stieg Neuer zum Welttorhüter, Weltmeister und Champions-League-Sieger auf. Bayern verheißt Nübel ebenfalls Titel, dauerhaft Champions League, viel Geld und gute Aussichten, nach einer EM als talentierter U21-Keeper irgendwann auch Turniere als richtiger Nationaltorwart zu erleben.
Der Weg dahin dürfte steinig werden. Auf Schalke wurde Nübel nach dem bestätigten Wechsel nach München prompt als Kapitän abgesetzt. Seinen Stammplatz im Tor könnte er dauerhaft an Markus Schubert verlieren. Der Stellvertreter wird mindestens die ersten zwei Rückrundenspiele bestreiten, weil Nübel dann noch gesperrt ist.
Das Torwart-Duell Neuer kontra Nübel am 25. Januar in München fällt damit garantiert aus. Der Konkurrenzkampf geht also erst im Sommer los. Die spannende Frage lautet dann, ob der ehrgeizige Alles-Spieler Neuer tatsächlich Spiele an seinen Kronprinzen abtritt, wie es Nübel angeblich vom Verein zugesagt wurde. Laut »Sport Bild« soll Sportdirektor Hasan Salihamidzic darüber schon mit Neuer gesprochen haben. Von 15 Partien war in dem Bericht die Rede. Flick hält sich raus: »Das andere ist ab 1. Juli, das ist aktuell nicht mein Thema.«
Neuer wird der künftige Konkurrent nicht nervös machen. Er kennt das aus der Nationalelf, wo Marc-André ter Stegen ihn bedrängt, aber seit Jahren nicht verdrängen kann. Neuer schätzt Nübel. Weniger spielen will er aber sicherlich nicht. Der Verein will außerdem mit dem bald 34-Jährigen noch einmal um zwei Jahre bis 2023 verlängern. Flick, der gerne über die Saison hinaus Bayern-Coach bleiben würde, rät dazu: »Manuel Neuer ist für mich der weltbeste Torhüter. Von daher wird Bayern schon alles daran setzen, dass man ihn weiterverpflichtet.«
Das alles ergibt eine spannende Gemengelage im Münchner Tor. Kahns Sicht und großer Erfahrungsschatz könnte bei der Lösung helfen. Der 50-Jährige fliegt übrigens an diesem Dienstag zum Team nach Doha. »Wir werden viele Gespräche führen«, kündigte Salihamidzic bereits an. Vielleicht auch über die Torwart-Zukunft mit Neuer und Nübel.