LEVERKUSEN. Der Mann ist ein Sympathieträger, seine öffentlichen Auftritte sind eine Demonstration von Selbstbewusstsein und Meinungsstärke. Da weiß einer, was er will, einer, der Bayer Leverkusen irgendwie neu gedacht hat. Fernando Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH, sieht den Spitzenreiter der Fußball-Bundesliga »nicht als Pillen- oder Plastikclub«, sondern als »Traditionsverein«. Bayer Leverkusen hat eine 120-jährige Geschichte, »wir sind seit 45 Jahren in der Bundesliga, wie der FC Bayern München noch nie abgestiegen, wir sind etabliert in der Liga«.
»Mich treibt die Inspiration, etwas zu erreichen«
Carro präsentiert sich jüngst auf dem Wahlkongress des Verbandes Westdeutscher Sportjournalisten (VWS) in der BayArena überzeugt und überzeugend, der Spanier, der von Bertelsmann kam, geboren in Barcelona, weltgewandt und weitgereist, der Mann, der acht Spieltage vor Saisonende mit 60 Punkten an der Tabellenspitze vom Titel träumen darf, dieser Fernando Carro ist einer der erfolgreichsten Unternehmenslenker in der deutschen Fußball-Industrie.
Als er 2018 nach Leverkusen kam, sagte Rudi Völler, den Carro sehr schätzt, »jetzt kommt Fernando, aber alles bleibt wie es ist«. Da irrte der ehemalige Teamchef. Carro sorgte für frischen Wind in der BayArena. »Mich treibt die Inspiration, etwas zu erreichen, aber wir versuchen, acht Spieltage vor dem Saisonende ruhig zu bleiben«. Carro selbst ist immer in Bewegung, ein Interview im Sitzen hat er nicht so gerne, er steht lieber, schaut seine Zuhörer an, konfrontiert sie, redet intensiv, auch mit den Händen, wird auch laut, ein Typ, dem man folgt. »Wenn man keine großen Ziele hat, wird man nichts erreichen, aber im Sport sollte man vorsichtig sein mit zu forschen Zielvorgaben.« Carro weiß, was man öffentlich sagt und intern diskutiert. Und er weiß, dass auch er nichts bewirkt, wenn die Mannschaft auf dem Spielfeld keine Tore schießt: »Man muss Spiele gewinnen.«
70 Punkte hat Bayer, zehn vor dem FC Bayern, noch acht Spiele, es können noch 94 Punkte werden, mit 85 Punkten sind sie durch, die Meisterschale ist das große Ziel, die Konstanz einer ganzen Saison zu beweisen, nach 31 Jahren endlich wieder einen Titel gewinnen. Nach dem man sich sehnt unter dem Bayer-Kreuz. Man muss auch Glück haben, sagt Carro. Die Spieler, die er gemeinsam mit Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes nach Leverkusen holte, waren ausnahmslos Volltreffer, das passiert selten: »Es waren ausnahmslos die, die auf unseren Listen alle Priorität eins hatten.« Und die hatte natürlich auch der Trainer. Schon, als er das erste Mal mit Xabi Alonso in Barcelona sprach, wusste Carro, dass nur Alonso es sein konnte. Daran haben sie gearbeitet, sie haben ihn und seine Familie überzeugt, nach Düsseldorf zu ziehen, die Jungs in der internationalen Schule, alles passt.
»Ich will keine Freunde, ich will Erfolg«
"Es tut der Liga gut, wenn der FC Bayern nicht das zwölfte Mal hintereinander Meister wird, viele wünschen sich, dass Leverkusen Meister wird." Und was die Zukunft von Alonso angeht, da bleibt Carro relaxed: "Xabi Alonso hat einen Vertrag bis 2026, für mich gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, dass er unser Trainer bleibt". Vorbildlich nennt Carro die Arbeit des Trainers, "vorbildlich seine Fähigkeit, als Spieler zu denken, seine Führungskompetenz". Sie arbeiten gemeinsam an der Erfüllung ihres großen Traums, Wahrscheinlichkeiten sind aber noch keine Realitäten, weiß auch Carro. Sein Traumjob sei, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees zu werden, erzählt er lachend, Juan Antonio Samaranch hat er gut gekannt, viel gelernt hat er aber auch von Rudi Völler. "Ich bin einer, der viel zuhört", Carro kann zuhören, aber dann muss entschieden werden: "Ich entscheide gerne. Führungskompetenz zu haben, war und ist mir wichtig." In Leverkusen hat er versucht, aus unterschiedlichen Welten eine zu machen, sagt er. Das erforderte auch unangenehme Entscheidungen (»Ich will keine Freunde, ich will Erfolg«), Kommunikation ist für Carro dabei zentral.
Die Querelen in der Deutschen Fußball Liga DFL, Carro nimmt sie zur Kenntnis, äußert seine Meinung, Gremienarbeit ist nicht seins. Eine Meinung hat er selbstredend zum 50+1. "Es würde dem deutschen Fußball guttun, diese allgemeine Regelung nicht zu haben", sagte er zuletzt. Die Regel, wonach ein externer Geldgeber nie die Stimmenmehrheit besitzen darf, schränkt die Vereine nach Meinung des 59-Jährigen zu sehr ein. Aber ich bin auch ein Demokrat und wenn die Mehrheit des deutschen Fußballs diese Regel will, dann akzeptiere ich sie."
Angst? »Beschäftigt mich nicht«, sagt Carro: »Die Geschichte ist Atletico Madrid noch eine Champions League und Bayer noch eine Meisterschaft schuldig.« Noch acht Spieltage, noch fünf Siege, 85 Punkte, dann ist es vollbracht. (GEA)

