REUTLINGEN. Ruhe ist im Fußball nie. Keine sensationelle Erkenntnis, okay, selbst in einer sehr kurzen »Winterpause« ist es doch immer wieder der Fußball, der in die Schlagzeilen drängt. Und das in einer Geschwindigkeit, die selbst die Nachrichtenagenturen vor Probleme stellen. Da wird André Breitenreiter als neuer Trainer von Bundesligist 1. FC Union Berlin in Aussicht gestellt. Man hat es noch nicht zu Ende gelesen, da ist dieser Breitenreiter bereits wieder Cheftrainer. Allerdings nicht bei Union in der Bundesliga, sondern bei Hannover in der 2. Liga. »96« hat zwar nur zwei Punkte Rückstand auf die Aufstiegsplätze, aber die aufzuholen, zu übertreffen und aufzusteigen, trauten sie Stefan Leitl offenbar doch nicht mehr zu. Und bei Union Berlin übernimmt nur einen Tag später Steffen Baumgart.
Die Entscheidung gab »96« am Sonntag offiziell bekannt. Breitenreiter, der bereits 2017 mit Hannover aufgestiegen war, soll die Mannschaft erneut zurück in die Bundesliga führen. Leitl war nur wenige Stunden zuvor entlassen worden. Die Erklärungen der Chefetage klingen wie immer. »Andre hat in seiner Laufbahn mehrfach unter Beweis gestellt, dass er eine Mannschaft auf einem hohen Leistungsniveau konstant, stabil und erfolgreich durch eine Saison führen kann – auch und gerade in den entscheidenden Spielen«, sagte Sportdirektor Marcus Mann: »Das gilt für den Aufstieg 2017 mit 96 ebenso wie für den mit Paderborn und die Schweizer Meisterschaft mit dem FC Zürich.« Auch in Berlin waren sie sich schnell einig. Für Steffen Baumgart wird das Spiel am 11. Januar beim 1. FC Heidenheim das erste Bundesligaspiel seit dem 20. Dezember 2023. Damals besiegelte ein 0:2 auswärts ausgerechnet bei Union Berlin sein Aus beim 1. FC Köln.
Sechster Wechsel in der 2. Liga
Breitenreiter, in Langenhagen vor den Toren Hannovers aufgewachsen, hatte als Profi mit dem Club 1992 den DFB-Pokal gewonnen, als Trainer war er von 2017 für 96 verantwortlich. Anschließend trainierte er Zürich, die TSG Hoffenheim und Huddersfield Town. Seit Mai war Breitenreiter ohne Verein. »Jeder weiß um meine Verbindung zu Hannover 96«, sagte Breitenreiter keineswegs überraschend: »Ich trete diese Aufgabe mit Respekt, aber auch mit der großen Überzeugung an, dass wir gemeinsam eine sehr erfolgreiche Rückrunde spielen können.«
Es ist schon der sechste Trainerwechsel in der Zweitliga-Saison, der letzte ist es vermutlich noch nicht. Torsten Lieberknecht war bei Darmstadt 98 von Florian Kohfeldt ersetzt worden. Karel Geraerts musste bei Schalke 04 vorzeitig gehen, Nachfolger ist Kees van Wonderen. Alexander Zorniger, ehemaliger Chefcoach des VfB Stuttgart, musste Greuther Fürth nach unglücklichen Äußerungen verlassen, Jan Siewert trat seine Nachfolge an.
Beim SSV Jahn Regensburg ist Andreas Patz Nachfolger von Joe Enochs und beim Hamburger SV haben sie sich überraschend dazu durchgerungen, Merlin Polzin doch das Vertrauen auszusprechen. Nachdem keiner mehr Baumgart vertraute, sollte Assistent Polzin zunächst nur für eine Übergangsphase die Verantwortung übernehmen, dann gewannen die Hamburger rauschend mit 5:0 gegen Fürth – und Polzin übernahm endgültig. Die Mannschaft hatte sich sehr für ihn eingesetzt, Torjäger Davie Selke machte das öffentlich: »Wir wollen Merle.« So nennen sie Polzin beim HSV. Da fehlten Sportvorstand Stefan Kuntz offenbar die Argumente für die weitere Suche nach einem geeigneteren Nachfolger. Was beim Bundesligisten FC St. Pauli mit Fabian Hürzeler funktionierte, soll nun auch beim großen Hamburger SV mit Polzin, 34 Jahre jung, funktionieren.
Die Erfolgsrezepte? Immer die gleichen. Das hörte sich bei Sport-Geschäftsführer Horst Heldt am Montag nicht anders an, als er Baumgart als Nachfolger von Bo Svensson bei Union Berlin ankündigte. Svensson hatte nach tränenreichem Abgang in Mainz bei Union stark angefangen und dann stark nachgelassen, neun Spiele ohne Sieg zwangen Heldt zum Handeln.
Einst Profi an der Alten Försterei
Heldt erlebte seine erfolgreichste Zeit als Manager bekanntlich beim VfB Stuttgart, als der mit Trainer Armin Veh 2007 Meister wurde. Erfolgreich war Heldt aber auch beim 1. FC Köln, wie beim VfB schon als Spieler und später als Sportdirektor. Er holte Baumgart zum FC, überraschenderweise galt Baumgart schnell als aussichtsreichster Kandidat bei Union. Da hat er als Profi in der 2. Liga von 2002 bis 2004 zwei Jahre gespielt, war als gefeierter Goalgetter Publikumsliebling an der Alten Försterei, ist weiter Mitglied, Köpenick sein erster Wohnsitz.
»Wir haben uns für Steffen Baumgart entschieden, weil wir überzeugt davon sind, dass er der richtige Trainertyp für uns ist«, sagte Heldt, »seine Art, eine Mannschaft zu führen, Spieler zu fördern und zu fordern, war ein wichtiger Aspekt unserer Entscheidung«. Das klang wahrlich wenig überraschend. Und Baumgart sagte wie erwartet: »Ich freue mich sehr auf die Rückkehr in die Bundesliga und zu Union, es ist sicher ein Vorteil, viele Menschen bei Union gut zu kennen. Uns bleibt keine lange Vorbereitungszeit.« (GEA)