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107. Tour: Corona-Tests, Sturzgefahr und Buchmanns Traum

3484,2 Kilometer von Nizza nach Paris - und das in Zeiten von Corona. Die Frankreich-Rundfahrt wird eine Herausforderung für die Organisatoren wie für die Fahrer. Zuschauer sind erlaubt, trotz der zuletzt stark ansteigenden Infektionszahlen.

Tour de France
Im Vorjahr gewann der Kolumbianer Egan Bernal in Paris das Gelbe Trikot. Foto: Pa Wire/PA Wire/dpa
Im Vorjahr gewann der Kolumbianer Egan Bernal in Paris das Gelbe Trikot. Foto: Pa Wire/PA Wire/dpa

NIZZA. Am 29. August startet in Nizza die 107. Tour de France. Laut Tourchef Christian Prudhomme wird die Rundfahrt aufgrund der besonderen Umstände im Zuge der Corona-Pandemie in die Geschichte eingehen.

Obwohl das Infektionsgeschehen alles andere als unter Kontrolle ist und sowohl der Start- als auch der Zielort vom Robert-Koch-Institut zum Risikogebiet erklärt worden sind, werden Zuschauer zugelassen sein. Sportlich sind die Augen aus deutscher Sicht auf den Vorjahresvierten Emanuel Buchmann gerichtet. Die Deutsche Presse-Agentur beantwortet die wichtigsten Fragen vor dem Grand Départ.

Wie sieht das Corona-Maßnahmenpaket der Tour aus?

Alle Fahrer werden jeweils zweimal vor dem Tour-Start sowie am ersten und zweiten Ruhetag getestet. Das gilt auch für das direkte Umfeld. Dieser Tross soll sich in einer sogenannten eigenen Blase bewegen. Eine zweite Blase umfasst die Entourage (Organisation, Medien, etc.), und die Öffentlichkeit stellt den dritten Bereich dar. Diese sogenannten »Bubbles« sollen nicht miteinander in direkten Kontakt treten.

Was passiert bei einem Positiv-Test eines Fahrers?

Ein Positiv-Test ist gleichbedeutend mit einem Tour-Ausschluss. Gibt es innerhalb einer Woche zwei Corona-Befunde in einem Rennstall, wird die ganze Mannschaft ausgeschlossen. Zu einer Mannschaft zählen aber nicht nur die acht Fahrer, sondern auch die Betreuer und Team-Offizielle, also eine Gruppe von 25 bis 30 Personen. Da kann es schnell zu unliebsamen Überraschungen kommen.

Werden Zuschauer an der Strecke zugelassen sein?

Ja, aber eingeschränkt. Im Start- und Zielbereich sind maximal 5000 Zuschauer vorgesehen, der Zugang zu den Bergen soll limitiert werden. Es kann auch dazu kommen, dass Bergpässe für Fans komplett gesperrt werden. Dazu appellieren die Veranstalter an die Fans, Masken zu tragen, mindestens zwei Meter Abstand zu den Fahrern zu halten und auf Selfies bzw. Autogramme zu verzichten. Bedenken bleiben, denn in Frankreich sind die Infektionszahlen zuletzt an einigen Tagen über die Marke von 4000 Personen gestiegen.

Ist wieder mit dramatischen Stürzen zu rechnen?

Bei der Tour de France geht es immer hektisch zu. Ein Etappensieg kann für einen Fahrer, ein Team die ganze Saison retten. Entsprechend drohen gerade bei den Sprintankünften wieder Massenstürze. Der schwere Crash von Mark Cavendish im Sprintduell mit Peter Sagan ist noch in bester Erinnerung. Aber auch auf den Abfahrten riskieren die Fahrer mehr. Wer will schon die Tour bergab verlieren? Dagegen ist die Tour aber besser organisiert als andere Rennen. Durch die Gegend fliegende Absperrgitter wie bei der Polen-Rundfahrt oder ein plötzliches Auto auf der Strecke wie bei der Lombardei-Rundfahrt sind eher ausgeschlossen.

Wer sind die Favoriten auf den Tour-de-France-Sieg?

Bei den Rennen im Vorfeld hat sich ein Duell zwischen Titelverteidiger Egan Bernal (Kolumbien) und Vuelta-Gewinner Primoz Roglic (Slowenien) abgezeichnet. Die ganz große Souveränität ließ Bernal aber auch vermissen, und Roglic musste nach einem schmerzhaften Sturz die Dauphiné-Rundfahrt vorzeitig aufgeben. Schwächeln die Kapitäne, könnten bei Ineos (Richard Carapaz/Ekuador) und Jumbo-Visma (Tom Dumoulin/Niederlande) die Edelhelfer in die Bresche springen. Beide gewannen bereits den Giro d'Italia. Die Gastgeber setzen indes auf Thibaut Pinot, der im Vorjahr in guter Position liegend wegen eines Muskelfaserrisses aufgeben musste.

Warum sind die Ex-Sieger Chris Froome und Geraint Thomas nicht dabei?

Vierfachsieger Froome und 2018er-Champion Thomas waren eigentlich fest im Team eingeplant, aber ihre schwache Vorstellung bei der Generalprobe hat den Ineos-Rennstall zum Umdenken bewogen. Froome scheint nach seinem schlimmen Sturz mit zahlreichen Knochenbrüchen im vergangenen Jahr nicht so recht in Form zu kommen. Auch Thomas ist von seiner Bestform noch weit entfernt und soll sich auf den Giro d'Italia konzentrieren.

Wie stehen die Chancen von Emanuel Buchmann?

Der Vorjahresvierte hat sich bei der Dauphiné-Rundfahrt an den ersten Tagen in starker Form präsentiert. Dann folgte der schmerzhafte Sturz mit Prellungen und Hautabschürfungen, wodurch der gebürtige Ravensburger im Training kürzer treten musste. Hat das Leichtgewicht nicht allzu viel Substanz verloren, könnte er sein Ziel Podestplatz tatsächlich erreichen. Denn die Strecke mit vielen Bergen ist auf ihn zugeschnitten. Seine Schwäche Zeitfahren dürfte diesmal keine große Auswirkungen haben. Es gibt nur ein Bergzeitfahren am vorletzten Tag.

Was ist von den weiteren deutschen Fahrern zu erwarten?

Der viermaligen Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin macht sein Dutzend an Tour-Teilnahmen voll. Ihm kommt als Helfer von Roglic eine wichtige Aufgabe zu, wenn seine Tempoarbeit auf flachen Stücken gefragt ist. Routinier André Greipel (38 Jahre) - immerhin elfmaliger Etappensieger - dürfte es schwer haben, in den Sprints noch einmal zu gewinnen. Klassikerspezialist John Degenkolb ist eher als Sprinthelfer für den Australier Caleb Ewan gefragt, höchstens bei mittelschweren Ankünften könnte er zum Zug kommen. Im Blickpunkt steht noch Lennard Kämna, der als Edelhelfer von Buchmann in den Bergen fungiert. Der frühere Junioren-Weltmeister gilt als Riesentalent, was er zuletzt erst wieder mit seinem Etappensieg bei der Dauphiné-Rundfahrt bewiesen hat.

Was sind die Höhepunkte der 107. Tour de France?

Es ist eine Tour für die Bergspezialisten. Schon am zweiten Tag geht es von Nizza aus ins Hochgebirge. Auch danach hat es die Strecke in sich. Gleich vier Bergankünfte in Orcières-Merlette, in Puy Mary, auf dem Grand Colombier und auf dem Col de la Loze warten auf die Fahrer. Vor allem der Col de la Loze, mit 2304 Metern das Dach der Tour, hat es in sich. Beim Finale warten Steigungen von teilweise 20 Prozent. Die Entscheidung über den Gesamtsieg wird erst am letzten Tag fallen beim Bergzeitfahren nach La Planche des Belles Filles. Das Finale findet wie gewohnt auf den Champs Elyseés statt, wo eine der wenigen Chancen für die Sprinter wartet.

Wo wird die Tour de France im TV übertragen?

Die ARD ist täglich zur entscheidenden Phase ab ca. 16.00 Uhr auf Sendung. Bis die ARD auf Sendung geht, sind an den Wochentagen zuvor schon Live-Bilder auf One zu sehen. Dazu überträgt wie gewohnt Eurosport die Tour-Etappen. (dpa)