REUTLINGEN . Wenn Kathrin Reiber von ihrem Hobby erzählt, beginnen ihre Augen zu leuchten. »Mit Jugendlichen arbeiten zu dürfen, ist das Beste, was einem passieren kann«, schwärmt sie. Dabei war es mehr oder weniger ein Zufall, der sie 1994 zum Jugendrotkreuz (JRK) führte. Ihre Großcousine war dort engagiert und suchte für eine Skifreizeit noch eine Helferin. Kathrin Reiber hatte Zeit und Lust, Kindern den Wintersport nahe zu bringen. Soziales und Jugendarbeit - beides war für die damals 18-Jährige eine ganz neue Erfahrung, blickt sie zurück, denn eigentlich spielte sie Tennis und das sogar in der Bundesliga. Doch die Skifreizeit überzeugte sie, dabei zu bleiben: »Es war einfach top.«
»So bin ich ins Rote Kreuz reingerutscht«, erzählt sie lachend, »und seitdem nicht mehr rausgerutscht«. Sie begann recht schnell mit der Ausbildung zur Gruppenleiterin, übernahm eine Gruppe in Eningen, wohin es die Reutlingerin irgendwann verschlagen hat. Dort engagierte sie sich außerdem in der Bereitschaft, wurde Bereitschaftsleiterin und kümmerte sich gleichzeitig auf Kreisebene um die Jugendgruppen. Die Bereitschaft hat sie aus Zeitgründen aufgegeben, aber der Jugendarbeit hält sie bis heute die Treue: Sie ist Kreisjugendleiterin und setzt sich in verschiedenen Gremien für die Belange der Jugend ein, beispielsweise auf Landesebene des Deutschen Roten Kreuzes, im Kreisjugendring der Stadt Reutlingen und als Jugendvertreterin im Beirat von Radio Neckar-Alb.
"Kinder und Jugendliche sind das tollste Publikum,
das man haben kann"
»Kinder und Jugendliche sind das tollste Publikum, das man haben kann«, sagt Reiber, denn sie sind ehrlich, verstellen sich nicht. »Wenn denen etwas nicht zusagt, dann sagen sie einem das recht deutlich«, weiß Kathrin Reiber. Aber andersrum genau so: »Wenn wir etwas bieten, das ihnen gefällt, dann schauen wir in lauter strahlende Gesichter«. Genau das ist es, was die Arbeit mit den jungen Menschen so wertvoll mache. Auch die Kinder und Jugendlichen profitieren von ihrer Mitgliedschaft im JRK: »Man kann im Roten Kreuz so viel erreichen«, weiß Reiber, »viele haben dadurch schon ihr Zuhause im Sozialbereich gefunden.« Es ist gar nicht selten, dass die Mitgliedschaft die spätere Berufswahl beeinflusst, schon so manch einer der einstigen Jugend-Rotkreuzler wurde später Pfleger, Rettungssanitäter oder Arzt.
"So erfahren sie von klein auf,
was politische Mitverantwortung ist"
Für Kathrin Reiber selbst war dies zwar nie eine Option: Sie ist von Beruf Steuerfachangestellte, doch ihr Einsatz in der Rettungsorganisation war und ist ihr immer wieder ein willkommener Ausgleich. Sie vermittelt den Kindern und Jugendlichen, die zwischen sechs und 27 Jahren sind, Wissen rund um die Erste Hilfe und erzählt ihnen von der Geschichte der Organisation, die 1863 von Henry Dunant gegründet wurde, nachdem er 1859 die Schlacht von Solferino und das Elend der verwundeten Soldaten miterleben musste. »Ich versuche, das immer möglichst anschaulich und lebendig zu machen,« erklärt sie, denn nur so könne sie die Nachwuchsretter begeistern. Weitere Pfeiler der Jugendarbeit sind Soziales und Kampagnen: Dabei beschäftigen sich die Jugendlichen mit politischen Themen, die sie betreffen, vom Naturschutz bis zur Kinderarmut reicht die Bandbreite. »So erfahren sie von klein auf, was politische Mitverantwortung ist.« Sie können außerdem in der Gruppe üben, ihre Meinung zu äußern und zu vertreten - ohne Druck und im geschützten Rahmen.
Besonders spannend sind natürlich immer die praktischen Teile der Vereinsarbeit, bei denen die Kinder und Jugendlichen Einblicke in Dinge erhalten, die man sonst eher nicht kennt. So dürfen sie die Rettungsfahrzeuge ebenso erforschen, wie die Gerätschaften aus dem Katastrophenschutz. Erste Hilfe wird zuerst im »Bärenhospital« an Kuscheltieren geübt, dann an den Vereinskameraden. Mit Erfolg, wie der Jugendleiterin immer wieder mitgeteilt wird: »Unsere Kinder wissen, was zu tun ist, wenn sich in der Schule jemand verletzt oder die Oma hinfällt.« Weitere wichtige Bestandteile der Jugendarbeit sind »Spiel und Spaß«: Vom Kinoabend über den Besuch des Klettergartens bis zum Ausflug in den Europapark wird den Kindern viel Tolles geboten. Das stärkt den Zusammenhalt, »wir fühlen uns wie eine Familie«, betont Reiber, und es sind Höhepunkte im Vereinsleben.
"Man kann unheimlich viel für
sich selber mitnehmen"
Was macht für Kathrin Reiber diesen anhaltenden Reiz JRK aus? »Man kann unheimlich viel für sich selber mitnehmen«, erklärt sie. Die komplette Ausbildung im Roten Kreuz ist kostenfrei und bringt die Teilnehmer in ihrer Persönlichkeit weiter. Besonders positiv empfindet sie die Tatsache, dass sich im Roten Kreuz jeder sofort aktiv einbringen kann, unabhängig von seinen Talenten. »Jeder kann bei uns mitmachen«. Kathrin Reiber selbst hat in den vergangenen 30 Jahren so ziemlich alles mitgemacht, und auch schon viele Einsätze erlebt. »Dabei bin ich manchmal auch an meine Grenzen gestoßen«, räumt sie ein, »aber ich habe keinen einzige Tag bereut«. Besonders freut es sie, wenn die Jugendlichen später in den aktiven Dienst wechseln oder selbst Gruppenleiter werden. Auch ihre Kinder waren von klein auf mit dabei, und sind ebenfalls im sozialen Bereich gelandet - der Sohne wird Diätassistent, die Tochter studiert Medizin. Ans Aufhören denkt die 48-Jährige noch lange nicht, auch nach 30 Jahren im Einsatz brennt sie für dieses Ehrenamt. (GEA)
Das Jugendrotkreuz im Landkreis
Im Kreis Reutlingen gibt es 18 Jugendrotkreuz-Gruppen mit ingesamt etwa 330 Mitgliedern. Damit haben die Gruppen fast wieder die Mitgliederzahlen erreicht, die sie vor Corona hatten. Die Nachfrage ist aktuell am Steigen. 41 Gruppenleiter kümmern sich um die Kinder und Jugendlichen im Alter von sechs bis 27 Jahren.
Ab 16 Jahren können die Jugendlichen zudem Mitglied im DRK werden und dort ihre Sanitätsdienstausbildung absolvieren. Mit dieser hat man dann auch die Möglichkeit, an Sanitätsdiensten teilzunehmen, für die das DRK immer wieder angefragt wird - darunter auch für Großveranstaltungen auf dem Cannstatter Wasen oder Fußbllspiele des SSV oder des VfB. (awe)