REUTLINGEN. Mit Schlägern, die wie moderne Küchenbretter aussehen, hauen die Spieler sich die Plastikbälle um die Ohren. Es wird gerannt, sich verrenkt und gehechtet. Augenscheinlich macht das ganze den Sportlern des Tennis-Club Markwasen (TCM) Reutlingen auch noch richtig Spaß, denn nach einem Ballwechsel wird gelacht und miteinander abgeklatscht. Dem unwissenden Betrachter der Szenerie stellt sich aber wohl die Frage: Was verdammt machen die da? Es ist kein Tennis. Auch kein Badminton. Aber so ähnlich ist es. Irgendwie. Es ist der Trendsport aus den USA schlechthin: Pickleball.
Zahlreiche Promis und Sportler schwören auf den Rückschlagsport. Die Tennisspielerin Steffi Graf und ihr Ehemann Andre Agassi treten in aller Regelmäßigkeit bei Turnieren an. Erst Anfang des Jahres sicherten sie sich den Titel beim zweiten »Pickleball Slam«. In Miami standen Tennisgrößen mit insgesamt 42 Grand-Slam-Erfolgen auf dem Court, der wie ein Tennisfeld aussieht, aber deutlich kleiner ist. Selbst Topmodel Heidi Klum findet Gefallen am neuen Trend. Aber warum?
Skeptischer Beginn
»Wer ein bisschen sportlich ist, kann sofort spielen und Spaß haben«, verspricht Martin Schmollinger. Der zweite Vorsitzende des TCM erklärt: »Im Tennis bekommst du mit einem anderen Anfänger keinen Ballwechsel hin.« Das Vergnügen bleibt da auf der Strecke. Ganz anders sei das beim neuen Trendsport, den er im Rahmen einer Abendveranstaltung auf dem vereinseigenen Gelände auch Neueinsteigern wie mir vorstellt.
Ich selbst aber bin mit Blick auf die Pickleball-Spieler, die augenscheinlich schon einige Stunden Übung haben und die Bälle schmettern, lupfen oder andrehen skeptisch. Kann ich den Mix aus Tennis, Badminton und Tischtennis wirklich innerhalb der nächsten zwei Stunden so lernen, dass es auch Spaß macht?
Bälle treffen ist einfacher als gedacht
Beim Einspielen wird klar: ganz einfach wird das nicht. Mindestens die Hälfte meiner Bälle landet im Netz. Immer wieder blicke in ungläubig auf meinen Schläger. Ich komme aber zur Erkenntnis, dass mein schwarzes Küchenbrett wohl nicht das Problem ist, auch wenn es buntere und hübschere Exemplare in der Halle gibt. Das positive ist aber: Ich treffe die Bälle – und das ist doch schon mal was. Auch meine Mitspielerin, die ebenfalls das erste Mal dabei ist, hat damit keine Probleme, obwohl sie sonst eher laufen oder radeln geht. Und wir werden besser! Auch wenn wir gegen unsere erfahrenen Einspielpartner ein sicher gänzlich jämmerliches Bild abgeben. Aber das ist uns für den Moment egal.
Kleine Löcher im Ball nehmen das Tempo aus dem Spiel. So ist es möglich, dass die Plastikkugel trotz kleinerer Fehler immer wieder länger und flüssig zwischen uns hin und herfliegt. Nach 20 Minuten probieren läuft es schon ganz gut. Jetzt geht es richtig los. Martin Schmollinger erklärt die Regeln. Die Basics sind simpel: Gespielt wird im Einzel oder als Team. Das Ziel ist, die Bälle so gut zu platzieren, dass der Gegner auf der anderen Feldseite sie nicht mehr erwischt oder so schlecht trifft, dass sie im Netz landen. Der Rest ist etwas kompliziert und für uns Beginner erst mal zweitrangig.
Es läuft nicht rund
Die ersten zehn Minuten im richtigen Spiel sind dann ganz schön frustig. Es läuft so schlecht, dass wir uns gegenseitig anjubeln, wenn wir es geschafft haben, die schnell auf uns zufliegenden Bälle ein oder zweimal zurückzuspielen. Wir nehmen es mit Humor. Für unser Durchhaltevermögen werden wir dann aber belohnt. Nach einer guten halben Stunde sind wir voll drin, machen die ersten Punkte. Immer wieder kommen ansehnliche Ballwechsel zustande, es entwickelt sich tatsächlich ein flüssiges Match. Die Lernkurve beim Trendsport ist steil.
Trotzdem ist es nicht unanstrengend. Obwohl das Feld verhältnismäßig klein ist, rennen wir – sicher auch mangels der nötigen Technik – von einer Ecke in die nächste. Die ersten Schweißperlen rinnen über die Stirn, stören tut das aber nicht. Zu konzentriert sind wir auf den Ball. Zu groß ist unser Ehrgeiz, noch den ein oder anderen Punkt gegen unsere erfahreneren Kontrahenten zu erzielen.
Nach einem Ballwechsel blicke ich auf und schaue in die Halle. Auf den vier anderen Feldern spielt niemand mehr. Wieso das denn, frage ich mich. Die Antwort gibt uns Martin Schmollinger, der auf seine Uhr deutet. Zwei Stunden sind vergangen. Wie im Flug. Wir spielen eine letzte Runde und tauschen uns danach ein wenig aus. »Super, das hat jetzt richtig Spaß gemacht«, freut sich meine Spielpartnerin, die offensichtlich dasselbe denkt wie ich.
Einsteiger-Treff und Start der Outdoor-Saison
Nach den Osterfeiertagen startet der Tennis Club Markwasen Reutlingen auf den Pickleball-Feldern auf dem Vereinsgelände in die Sommersaison. Für Anfänger wird es nach den Osterferien bis zu den Sommerferien ein Einsteiger-Treff immer donnerstags ab 18 Uhr geben. Felder können über die Webseite des Vereins gebucht werden. Schläger und Bälle werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Mehr Informationen zum Trendsport gibt es ebenfalls auf der Homepage. (kil)
https://tcmarkwasen.de/sport/pickleball/
Nach 120 Minuten bin auch ich schlauer und kann verstehen, was Steffi Graf und andere Promis am Pickleball finden. Entgegen meiner anfänglichen Skepsis lässt sich das dynamische Spiel zügig erlernen, schnell geht es ganz schön zur Sache. Zwar bin ich nicht so müde, wie nach einer Stunde joggen, aber doch gut ins Schwitzen gekommen. Auch meine Muskulatur meldet sich mittlerweile und signalisiert mir, dass jetzt die Zeit für ein Päuschen und ein Erfrischungsgetränk ist. Für einen Sieg hat es am ersten Abend leider nicht gereicht. Doch ich bin mir sicher: Den werde ich mir noch holen! Ich greife wieder zum Brettchen. Nicht nur in der Küche, auch auf dem Tennisplatz. (GEA)