Logo
Aktuell Interview

Der Trainer des SSV Reutlingen spricht über Ziele und Heimatliebe

Seit Alexander Strehmel das Traineramt beim Fußball-Oberligisten SSV Reutlingen übernommen hat, befindet sich der Club im Aufwind. Im Interview mit dem GEA spricht der 56-Jährige über seine Pläne, eine schwierige Phase beim Club und Hobbys.

Der Trainer des SSV Reutlingen Alexander Strehmel zu Besuch in der Redaktion des Reutlinger General-Anzeigers.
Der Trainer des SSV Reutlingen Alexander Strehmel zu Besuch in der Redaktion des Reutlinger General-Anzeigers. Foto: Frank Pieth
Der Trainer des SSV Reutlingen Alexander Strehmel zu Besuch in der Redaktion des Reutlinger General-Anzeigers.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Seit Alexander Strehmel (56) das Traineramt bei den Oberliga-Fußballern vom SSV Reutlingen übernommen hat, befindet sich der Club im Aufwind. Im Gespräch mit dem Reutlinger General-Anzeiger spricht der ehemalige Profi über prägende Begegnungen, die Situation im Verein und seine Liebe zum Schwabenland.

GEA: Herr Strehmel, wie sind Sie ins neue Jahr gestartet?
Alexander Strehmel: Die traurige Nachricht um Luca Meixner war ein Schock, der immer noch tief sitzt. Aber ich als Trainer habe eine Vorbildfunktion und muss mit gutem Beispiel vorangehen, auch wenn es nicht immer leicht fällt. Das Thema ist noch in den Köpfen, aber ich bin beeindruckt, wie gut die Jungs mit der Situation umgehen. Wir werden ihn immer in unseren Herzen tragen, müssen nun aber nach vorne blicken und schauen, dass Normalität einkehrt. Das hätte er auch gewollt. Ich selbst hatte um Weihnachten herum ein paar erholsame Tage mit meiner Familie.

Konnten Sie die Winterpause mit Ihrem Team nutzen?
Strehmel: Aufgrund der ganzen Situation mussten wir ein wenig umdisponieren. Wir haben das Hallenturnier in Sindelfingen nicht gespielt und erst mal freigegeben, uns aber trotzdem getroffen. Mir war es sehr wichtig, dass wir uns zeitnah sehen. In der Kabine. Es war sehr emotional. Aber es hat uns allen viel Kraft gegeben. Zusammen übersteht man so etwas besser. Weil wir das Turnier ausgelassen haben, sind wir früher als alle anderen Mannschaften ins Training gestartet. Das Team ist sehr hungrig und will zeigen: jetzt erst recht. Wir machen es auch für Luca Meixner. Die Art und Weise, wie intensiv wir trainieren, stimmt mich sehr positiv. Trotz allem ist ein guter Vibe im Team. Ich habe ihnen neulich gesagt: Danke. Danke, dass ihr so gut mitmacht. Das gibt auch einem Trainer viel Energie. Alle ziehen mit. Wir freuen uns immer, wenn wir zusammenkommen.

Seit Ihrem Amtsantritt hat der SSV Reutlingen drei Siege, vier Unentschieden und eine Niederlage zu Buche stehen. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer bisherigen Bilanz beim SSV Reutlingen?
Strehmel: Natürlich ist der sofortige Erfolg wichtig. Daran wird ein Trainer ja auch bewertet. Mir geht es aber vor allem darum, Fortschritte zu sehen mit meiner Spielweise. Und da sehe ich unheimlich viele. Vor allem sehe ich, dass die Mannschaft hinter der Idee steht. Diese 13 Punkte sind ein Nebeneffekt. Ob ich zufrieden bin? Nein. Ich bin grundsätzlich nie zufrieden und ein bisschen ungeduldig. Das ist meine Macke. Ich habe Hunger auf Erfolg. Und der ist planbar durch hartes Training. Davon bin ich überzeugt. Harte Arbeit wird immer belohnt, das habe ich schon von meinen Eltern gelernt. Deshalb habe ich immer wieder betont, dass wir weniger reden und mehr trainieren müssen. Man sieht gerade, dass im Verein alle an einem Strang ziehen. Deshalb denke ich, dass wir auf einem guten Weg sind.

Testspiele des SSV Reutlingen

Ihr erstes Testspiel der Wintervorbereitung bestreiten die Oberliga-Fußballer des SSV Reutlingen am 1. Februar beim TSV Weilimdorf (14 Uhr). Danach treten die Kreuzeiche-Kicker beim Feldturnier in Empfingen an (8. Februar, ab 12.30 Uhr). Es folgen Vorbereitungspartien gegen den FC 08 Villingen (15. Februar, 14 Uhr) und gegen die TSG Balingen (22. Februar, 14 Uhr). (GEA)

Sehen Sie eine Zukunft in Reutlingen?
Strehmel: Ich fühle mich hier sehr wohl. Ich merke, das ist meine Heimat. Momentan passt alles. Ich bin allerdings kein Mensch, der so weit in die Zukunft blickt. Ich habe einen Vertrag bis zum 30. Juni, dann sehen wir weiter. Ich kann mir vorstellen weiterzumachen, wenn es für beide Seiten passt. Irgendwann, das ist mein Wunsch, möchte ich mit meiner Frau noch mal nach Amerika gehen. Das kann in fünf Jahren sein, oder in zehn. Soviel kann ich aber sicher sagen: Bis zu diesem Zeitpunkt möchte ich im Süden von Deutschland bleiben.

Sie pflegen eine enge Freundschaft zum ehemaligen Bundesliga-Trainer Lorenz-Günther Köstner, der auch den SSV Reutlingen zur Meisterschaft in der Oberliga geführt hat. Wie kommt das?
Strehmel: Er war mein Co-Trainer beim VfB Stuttgart, als wir 1992 deutscher Meister geworden sind. Seit dieser Zeit hat sich die Freundschaft entwickelt. Nach meiner Station bei der SG Wattenscheid hat er mich dann nach Unterhaching in die zweite Liga geholt. Später bin ich sehr lange und sehr gerne sein Co-Trainer gewesen. Wir waren in Hoffenheim, beim VfL Wolfsburg und bei Rot-Weiss Essen. In der Zeit habe ich viel gelernt.

Was schätzen Sie an ihm und was genau haben Sie gelernt?
Strehmel: Lorenz ist ein Mensch - und das schätze ich so an ihm - auf den man sich zu 100 Prozent verlassen kann. Er ist so loyal, dass es manchmal fast schon wieder schlecht ist, weil er sich hinten anstellt. Menschlich ist er ein toller Typ. Einfach ein Vorbild. Auf dem Platz ist er hart. Mich hat er besonders rangenommen, nie gelobt, dafür viel kritisiert. Ich wusste aber, dass er etwas in mir sieht und mich fördern will. Jeder denkt immer, dass Magath (Felix Magath, Anmerkung d. Red.) so hart war. Aber nein. Der Köstner war hart. Später als wir als Trainer zusammen gearbeitet haben, war ich der weichere Part, deswegen hat es auf dieser Ebene auch gut funktioniert. Was uns verbindet? Wir beide sind im positiven Sinne fußballverrückt. Wir haben viele Reisen gemacht, uns Trainingslager von verschiedenen Clubs angeschaut und hospitiert. Es war eine Ehre, unter ihm zu arbeiten. Zwischen uns passt kein Blatt. Diese Akribie, mit der er Sachen angeht, die habe ich von ihm. Ich bin mir sicher, er könnte auch heute noch jede Mannschaft in der Bundesliga trainieren.

Sie haben nun schon einige Stationen im Trainergeschäft hinter sich. Wo hat es Ihnen am besten gefallen?
Strehmel: Wenn Sie mich so fragen: Meine schönste Zeit als Trainer ist Reutlingen bis jetzt. Es macht mir unheimlich viel Spaß. Die Stadt, die Fans, die Mannschaft - es ist so viel Potenzial da. Ich genieße das gerade echt. Auch, weil hier meine Heimat ist. Ich bin in Bonlanden aufgewachsen. Viele Freunde kommen heute ins Stadion zum Zuschauen. Das ist schon etwas ganz Besonderes. Aber auch die Zeit davor beim SSV Vorsfelde war wichtig. Es war meine erste Station abseits des Profi-Fußballs, aber ich habe viel gelernt. Man muss toleranter sein, Kompromisse eingehen. Was ich aber nie aus den Augen verloren habe: meine professionelle Einstellung.

Wenn man Sie trifft oder während eines Spiels erlebt, sprühen Sie nur so vor Energie und Optimismus. Woher kommt die positive Lebenseinstellung und sind Sie nicht manchmal einfach müde?
Strehmel: Ne. Ich merke es selbst gar nicht. So bin ich einfach. Der Fußball gibt mir viel Kraft zurück. Das Glas ist bei mir immer halb voll. Ich bin zur amerikanischen Schule gegangen. Man kann sagen, was man will, aber Amerikaner sind sehr positive Leute. Manchmal ein bisschen zu oberflächlich, aber sie rücken immer alles in ein gutes Licht. Das ist hängengeblieben. Diese positive Lebenseinstellung habe ich aus der Kindheit mitgenommen.

Was sehen Sie sonst nach als Stärke von sich selbst an?
Strehmel: Es ist eine Stärke, dass ich kein Träumer bin. Ich lebe im Hier und Jetzt und arbeite hart.

Sie haben als Fußball-Profi über 200 Bundesliga-Spiele gemacht, sind mit dem VfB Stuttgart deutscher Meister geworden. Was ist Ihre schönste Erinnerung?
Strehmel: Nach meiner Zeit beim VfB Stuttgart und bei der SG Wattenscheid hat mich Lorenz-Günther Köstner nach Unterhaching in die zweite Liga geholt. Das war meine schönste Fußballerzeit. Alle Spieler aus der Region. Das gallische Dorf haben wir uns genannt. Zweimal sind wir vierter geworden, dann kam der Aufstieg in die erste Liga. Das war der Wahnsinn für die Verhältnisse dort. Es war ein gutes Beispiel, was man mit Fitness und Herz alles erreichen kann. Wir waren die fitteste Mannschaft, das mussten wir aber auch sein, weil wir sonst weniger als die anderen drauf hatten.

Sie beschreiben sich selbst als »fußballverrückt«. Was machen Sie, wenn Sie mal nicht an Ihren Sport denken?
Strehmel: Ich besuche gerne Familie und Freunde. In der Freizeit habe ich früher immer sehr viel Tennis gespielt. Das geht nicht mehr. Ich kann ja nicht mehr rennen, hab kein Kreuzband mehr. Golf beansprucht zu viel Zeit und meine Frau mag es nicht. Tja, und da sind wir wieder beim Thema. Sonst gucke ich eben gerne Fußballspiele an (lacht). Aber auch American Football.

Sie sind ein Fitness-Fan. Wie oft machen Sie selbst noch Sport?
Strehmel: Ich gehe Minimum vier bis fünf Mal die Woche zum Krafttraining. Ich mag es, so eine gewisse Körperspannung zu haben und fühle mich danach besser. Ich habe überall Arthrose vom Fußball. Es tut alles weh. Und durch das Krafttraining gibst du deinem Körper etwas zurück.

Sie waren schon an einigen Orten der Welt, trotzdem schwärmen Sie vom Schwabenland. Warum eigentlich?
Strehmel: Hier sind meine Wurzeln. Ich bin jetzt oft in Bonlanden bei meinem alten Sportverein. Da habe ich noch sehr viele Freunde. Ich habe so viele gute Erinnerungen. Auch meine Frau habe ich hier kennengelernt. Wenn man sich auskennt und nach so vielen Jahren wieder herkommt, ist es doppelt schön. Mir gefallen auch die schwäbischen Tugenden. Man muss an alles mit Demut rangehen, hart arbeiten, aber bescheiden bleiben. (GEA)

Zur Person

Alexander Strehmel ist der Sohn eines in den 1960er Jahren in Deutschland stationierten US-amerikanischen Soldaten. Der 56-Jährige wuchs in Bonlanden auf. Später spielte Strehmel als Profi-Fußballer unter anderem für den VfB Stuttgart, die Spielvereinigung Unterhaching und den FC Augsburg. Der zweifache Familienvater kommt auf 215 Bundesliga- und 169 Zweitligaspiele. 1992 wurde er Meister mit dem VfB Stuttgart. Nach der aktiven Karriere folgten zahlreiche Stationen als Trainer und Co-Trainer. Aktuell zieht Strehmel aus Wolfsburg nach Reutlingen um, wo er den Oberligisten SSV Reutlingen trainiert. (kil)