METZINGEN. Seit 15 Jahren leitet Ferenc Rott als Geschäftsführer die Geschicke der Metzinger Bundesliga-Handballerinnen. Der Pokalsieg war die Krönung für den Club und seine eigene Arbeit. Aber der Blick ist längst wieder in die Zukunft gerichtet. In der Frauen-Bundesliga gibt es zur neuen Saison und in den nächsten Jahren einige Veränderungen. Zum neuen Play-off-Modus statt einer Meisterschaft nach herkömmlichem Ablauf sagt der 53-Jährige: »Wir brechen mit einer Tradition, aber ich sehe es sportlich. Wird es ein Erfolg, war es die richtige Entscheidung.«
GEA: Es ist ungewöhnlich, dass man sich von einem Trainer trennt, mit dem das Team den Pokalsieg gefeiert hat. Was sprach gegen Werner Bösch?
Ferenc Rott: Werner wird für immer der erster Cheftrainer der Vereinsgeschichte sein, der hier einen Titel mit den TusSies geholt hat. Ich bin ihm sehr dankbar für seine harte Arbeit. Es gab viele Faktoren, die hereinspielten. Ich mussste die Option, die sein Vertrag enthielt, weit vor dem Pokalsieg ziehen, und zwar bis 1. Dezember. Davor gab es ein paar Niederlagen, auch beim Abstiegskandidaten Zwickau. Die Entscheidung hatte auch finanzielle Gründe. Mit Peter Woth hatten wir bereits einen erfahrenen Trainer im Stab. Mit beiden weiterzumachen, war finanziell keine Option.
Was sprach für Peter Woth als Bösch-Nachfolger?
Rott: Er ist ein ganz erfahrener Mann, hat in der Akademie Jahre lang in der Ausbildung von jungen Spielerinnen gearbeitet. Er will die Mannschaft voranbringen und einzelne Spielerinnen verbessern. Und man darf nicht vergessen, dass er die Strukturen des Vereins und die Mannschaft bereits aus seiner Zeit als Co-Trainer kennt.
Ist die vergangene Saison mit dem ersten Titel in der Vereinsgeschichte, der Teilnahme am Supercup-Spiel und Platz fünf in der Bundesliga noch zu toppen?
Rott: Es wird schwierig, das zu toppen. Aber das kann man nicht planen und man kann auch nicht damit rechnen. Wir freuen uns richtig, dass wir es aus eigener Kraft geschafft haben, so weit zu kommen. Wir wissen wo wir stehen und was im Normalfall möglich ist. Wir sind das letzte Jahr belohnt worden für die Arbeit davor.
»Es ist nicht so, dass wir ganz vorne mitspielen können«
Steht die TuS durch den Pokalsieg nun mehr unter Druck ?
Rott: Ich glaube nicht. Warum soll sich etwas geändert haben? Wir haben immer versucht, das Bestmögliche zu erreichen. Es ist nicht realistisch, das zu wiederholen, weil andere Clubs einen höheren Etat und damit verbunden andere Möglichkeiten haben. Es ist nicht so, dass wir ganz vorne mitspielen können. Wir bleiben auf dem Boden. Ich möchte eine Weiterentwicklung sehen und dass wir mit unserem Spielermaterial guten Handball spielen. Wir wollen die Zuschauer begeistern und gute Unterhaltung bieten.
Wie sieht’s wirtschaftlich aus? Wird der Club durch den Pokalsieg von Sponsoren jetzt anders wahrgenommen?
Rott: Das Interesse von dem ein oder anderen ist größer geworden, aber gesamtwirtschaftlich könnte die Situation im Land besser sein. Es gibt ein paar neue Sponsoren, leider sind auch einige wenige, die Probleme hatten, ausgestiegen. Das bleibt etwa im Gleichgewicht. Der Umfang des Etats wird nicht weniger als letztes Jahr sein. Wir liegen wieder in etwa bei einer Million Euro. Das ist immer noch über ein Viertel weniger als vor Corona. Der Pokalsieg hat auf jeden Fall für Aufmerksamkeit gesorgt. Der Stellenwert und die Wahrnehmung des Clubs sind deutlich gestiegen.
Nun gibt es erstmals eine Play-off-Runde und daneben ein Vierer-Turnier, in dem der Absteiger ermittelt wird. Sie sind kein Freund des Play-off-Modus. Warum?
Rott: Eine Meisterschaft ist der fairste Wettbewerb. Hier holt die Mannschaft den Titel, die über die Saison hin die meisten Punkte geholt hat und das beste Team war. Mit dem Play-off-Modus kann es einen Überraschungs-Meister geben. Man kann als Siebter noch um den Titel spielen, aber für den Neunten kann es auch richtig gefährlich werden. Wir brechen mit einer Tradition, aber ich seh’s sportlich. Medial ist es vielleicht der richtige Schritt, wenn es dem Frauenhandball hilft. Für die Zuschauer ist es bei Spielen, die nach dem Best-of-three-System ablaufen, super-interessant. Wird es ein Erfolg, war es die richtige Entscheidung. Wir freuen uns darauf.
»Wir müssen uns erstmal für die Play-offs qualifizieren«
Mit der Play-off-Runde wird es ein deutlich härterer Wettbewerb. Sehen Sie das genauso?
Rott: Ja, bei nur zwölf Mannschaften werden die Plätze vier bis neun/zehn komplett umkämpft sein. Drei Mannschaften stehen vor uns. Neben Meister Ludwigsburg dürften der Thüringer HC und die HSG Bensheim-Auerbach das Top-Trio bilden. Ich sehe keine Mannschaft, von der man bereits jetzt sagen kann, sie wird absteigen. Wir müssen uns erst mal für die Play-offs qualifizieren. Daher ist Platz acht das Mindestziel, aber wir versuchen wie bisher, in den vorderen Rängen zu landen. Es wird eine sehr interessante Saison.
Die TuS kehrt in die European League zurück. Kann die Doppelbelastung mit der Bundesliga zum Problem werden?
Rott: Wir wollen in die Gruppenphase kommen. Noch sind wir nicht dafür qualifiziert. Wenn wir das schaffen, wird es natürlich heftig. Es sind dann sechs Spiele mehr, einige englische Wochen, drei Reisen ins Ausland. Das ist für jeden Verein eine Zusatzbelastung. Dies alles kommt im Januar. Viel wird davon abhängen, wie es bis dahin personell aussieht.
Welche neue Spielerinnen können in der kommenden Saison wichtig werden?
Rott: Beide Linksaußen sind super Ergänzungen. Selina Kalmbach hat ein paar Länderspiele gemacht, sie kennt die Liga. Lois van Vliet ist ein Riesen-Talent aus den Niederlanden. Und Spielmacherin Nele Franz bringt alles mit. Sie kommt nach ihrer langen Verletzungspause immer besser in Fahrt. Nele kann extrem wichtig für uns werden. Rückraumspielerin Elinore Johanson hat bei Debrecen ein enttäuschendes Jahr in Ungarn gehabt. Sie braucht Spielpraxis. Wenn sie wieder ihre Einsatzzeit hat, wird sie mit Jana Scheib mit Sicherheit ein gutes und ausgeglichenes Duo bilden. Elinore bringt viel internationale Erfahrung mit.
Die Wahrnehmung des Frauenhandballs lässt hierzulande stark zu wünschen übrig. Ein Beispiel: Im ZDF-Sportstudio wurde nur über das Männer-Supercup-Spiel kurz berichtet, die Metzinger Partie aber mit keinem Wort erwähnt.
»Wir reden über Gleichberechtigung in Deutschland. Da gibt es noch viel Verbesserungspotenzial«
Rott: Die Idee mit einem gemeinsamen Männer- und Frauen-Event ist gut. Es war eine Super-Kulisse in einer tollen Arena. Aber wir reden über Gleichberechtigung in Deutschland. Da gibt es noch viel Verbesserungspotenzial.
Gerade beim Supercup?
Rott: Ja. Es ist demütigend, was wir alles nicht bekommen haben. Ich will nicht reich werden durch den Supercup. Aber es waren 9.000 Karten für das Event verkauft worden. Trotzdem war für uns die Veranstaltung mit der Anreise in einem großen Bus und der Hotel-Übernachtung ein Zuschuss-Geschäft. Etwa 3.000/4.000 Euro bleiben an uns hängen. Ein Beispiel noch: Als Essen gab es für das Team nur Nudeln ohne Soße, dazu Wasser. Ich gehe nicht davon aus, dass sich die Männer-Mannschaften damit begnügen mussten. In Sachen Gleichberechtigung im Sport haben wir noch viel Arbeit vor uns. Man muss uns bei solch einer Veranstaltung, die ja auch für den Frauenhandball werben will, genauso wahrnehmen wie die Männer.
In einem Jahr wird in der Frauen-Bundesliga eine Halle mit mindestens 1.500 Zuschauern Pflicht. Das dürfte bei einer ganzen Reihe von Clubs problematisch werden.
Rott: Die Handball-Bundesliga der Frauen hat bereits reagiert. Die Anforderung, eine beidseitige Tribüne zu stellen, wurde für ein Jahr ausgesetzt und gilt nun erst ab der Saison 2026/27. Grundsätzlich wüssen wir die Liga professionalisieren, um die Vermarktungs-Chancen und die Möglichkeit von TV-Spielen zu erhöhen. Dafür war ich auch. Aber wenn die infrastruktuellen Voraussetzungen nicht zu erfüllen sind, droht uns eine Liga mit sieben/acht Mannschaften. Das wäre der Tod des Frauenhandballs. Ich bin daher 100-prozentig der Auffassung, dass wir das korrigieren müssen und, wenn es nicht anders geht, in kleineren Hallen spielen müssen. Vielleicht war der Plan zu optimistisch, zu naiv.
Aber die Vereine haben diese geplanten Änderungen selbst beschlossen. Haben die Clubs die Tragweite dieser Entscheidungen unterschätzt?
Rott: Der Plan wurde im Januar 2020 beschlossen. Damals war die Situation eine andere. Die Wirtschaft hat gebrummt. Dann kam Corona, der Krieg brach aus, die Energie- und Bau-Preise schossen in die Höhe. Das war nicht abzusehen.
»Unser Ziel ist es, auch in zwei Jahren einen Teil der Spiele in Metzingen zu haben«
Was bedeutet das für die TuS Metzingen? Die Öschhalle hat ja nur 1.050 Plätze.
Rott: Wir sind in Gesprächen mit der Stadt Metzingen, um zu sehen, was möglich ist. Wir streben an, bei Spielen mit größeren Zuschauer-Zahlen wie bisher nach Tübingen zu gehen. Aber unser Ziel ist es, auch in zwei Jahren einen Teil der Spiele in Metzingen zu haben.