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Franziska Brauße aus Eningen betritt bei der Europameisterschaft Neuland

Bahnrad-Ass Franziska Brauße vor der Europameisterschaft im Reisestress. Im belgischen Zolder tritt die Eningerin erstmals über die neue Distanz des Zeitfahrens an.

Tokio-Olympiasiegerin Franziska Brauße tritt bei der Europameisterschaft diesmal nicht in der Einer-Verfolgung an.
Tokio-Olympiasiegerin Franziska Brauße tritt bei der Europameisterschaft diesmal nicht in der Einer-Verfolgung an. Foto: Garnier/Witters
Tokio-Olympiasiegerin Franziska Brauße tritt bei der Europameisterschaft diesmal nicht in der Einer-Verfolgung an.
Foto: Garnier/Witters

REUTLINGEN. Das nennt man völliges Kontrastprogramm. Nicht nur, dass Franziska Brauße unmittelbar von Straßen-Rennen in der Wüste auf das Bahn-Oval wechselt. Sondern auch, dass das Rad-Ass kurz vor der Europameisterschaft noch über 5.000 km im Flugzeug zurücklegen musste, um ins belgische Heusden-Zolder zu kommen, wo ab diesem Mittwoch um Edelmetall gekämpft wird. »Klar, ich habe ein bisschen Reisestress. Aber das ist kein Problem«, sagte die Mannschafts-Olympiasiegerin von Tokio, bevor sie sich auf den Weg in Richtung Dubai gemacht hatte.

Grund für dieses abenteuerliche Programm ist das Ceratizit-WNT Pro Cycling Team, der Frauen-Rennstall, der bei Wettkämpfen auf der Straße antritt. Die Mannschaft, für die Brauße, wenn sie nicht gerade um Bahn-Meriten kämpft, seit Jahren fährt. Damit sich das neue Team findet, bestritt es zum Saisonauftakt die UAE-Tour auf der arabischen Halbinsel. Die vier Etappen von Donnerstag bis Sonntag hatten Längen zwischen 111 und 152 Kilometer. Drei Mal kam Brauße in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit dem Hauptfeld ins Ziel, am Schlusstag erreichte sie bei einer Sprint-Entscheidung als Achte ein Top-Ten-Ergebnis - zeitgleich mit der niederländischen Tagessiegerin Lorena Wiebes.

Temperatursturz bei der Rückkehr

Ein Resultat, das zeigt, dass die Form der Eningerin pünktlich vor den europäischen Titelkämpfen stimmt. Danach kam der Rückflug - und der Temperatursturz. Von sonnigen 25 Grad ging's hinunter in winterlich-regnerische fünf Grad. Doch sind wechselnde Bedingungen für Rad-Profis nichts Neues. Nach der U19-WM vor neun Jahren im Emirat Katar, wo sie zwei Top-Sieben-Ergebnisse erreichte, war sie ebenfalls im Anschluss in die Halle zurückgekehrt. Der Bahn-Weltcup stand damals in Glasgow auf dem Plan. Auch hier betrug der Temperatur-Unterschied knapp 20 Grad.

Nun also wieder zurück in die Halle. Auf eine nagelneue Bahn noch dazu. Brauße kennt das Velodrom bisher »nur von Bildern«. Und neu wird auch ein Wettbewerb sein, den es bisher noch nicht gab. Zumindest nicht in dieser Form. Ab dieser Saison werden die Distanzen der Frauen in einigen Wettbewerben verlängert. So müssen die Fahrerinnen in der Einer-Verfolgung statt bisher 3.000 Meter nun 4.000 Meter zurücklegen. Und im Zeitfahren wird nicht wie bisher nach 500 Metern, sondern erst nach 1.000 Metern die Zeit genommen.

Zeitfahren statt Einer-Verfolgung

Was für die Sprint-Spezialisten eine große Umstellung wird, könnte Brauße in die Karte spielen. Denn die Medaillen-Sammlerin der vergangenen Jahre wird in diesem Jahr nicht im Einzel in der Verfolgung antreten, sondern im Zeitfahren. Wie kam's dazu? Die Verfolgung wie auch das Zeitfahren werden beide am Samstagabend entschieden. Weil dazwischen lediglich eine halbe Stunde liegt, war klar, dass eine Fahrerin nicht beides bestreiten kann, sondern sich für einen dieser beiden Wettbewerbe entscheiden musste. In Braußes Fall war es ein besonderer Vertrauensbeweis von Bundestrainer André Korff. »Er hat mich im Trainingslager gefragt, was ich fahren will, und mir die Entscheidung überlassen. Da hab' ich gedacht, ich probier' mal was Anderes«, erklärte »Franzi«, warum sie statt der Einer-Verfolgung diesmal im Zeitfahren antreten wird.

Was sie ebenfalls an dieser Disziplin reizt: Weil nun erstmals die längere Strecke im Kampf gegen die Uhr zurückgelegt werden muss, würde jede Bestzeit gleich Weltrekord bedeuten. Und als Zusatz-Motivation sei sie »noch nie 1.000 Meter Vollgas gefahren«. Das hört sich nach Abenteuer an. Bei der die deutsche Meisterin im Omnium völlig ohne Druck antritt, weil das Ganze Neuland ist. Nicht nur für sie. Für die Sprint-Spezialistinnen, die plötzlich doppelt so lange am Anschlag fahren müssen, dürfte die Umstellung noch größer sein. Die Entscheidung fällt am Samstag ab 19.02 Uhr.

Bundestrainer hofft auf zwei Medaillen

Im Vorjahr bei der EM im niederländischen Apeldoorn war Brauße knapp geschlagene Zweite in der Einer-Verfolgung und Dritte mit dem Mannschafts-Vierer geworden. In der Team-Disziplin tritt Italien als Titelverteidiger an. Dazu gelten der Vorjahres-Zweite England, Frankreich und der deutsche Vierer als Kandidaten für Edelmetall. Korff hofft auf zwei Medaillen der Frauen im Ausdauer-Bereich. Neu für das Team nominiert wurde die 18-jährige Messane Bräutigam aus dem oberfränkischen Berg, die im Vorjahr unter anderem bei den Juniorinnen Titelträgerin mit der Mannschaft geworden ist. (GEA)