REUTLINGEN. Den deutschen Nationaldress hat Handballerin Marie Weiss schon vor Jahren das erste Mal angezogen. Danach durchlief sie die Jugend- und Juniorinnen-Auswahl-Teams. Und nun, mit gerade mal 20 Jahren, hat das Talent der TuS Metzingen auch den Sprung in das Frauen-Nationalteam geschafft. Zusammen mit TuS-Mannschaftsführerin Julia Behnke wurde die Torhüterin von Bundestrainer Markus Gaugisch für den Lehrgang ab Montag in Großwallstadt nominiert, nachdem sie vor drei Wochen bereits zu den Perspektiv-Spielerinnen gehört hatte, die in die A-Mannschaft reinschnuppern durften.
»Sie ist eine Persönlichkeit, die zeigt, was wir wollen. Sie ordnet alles dem Sport unter, ist vorbildlich und fährt nun den Lohn dafür ein«, lobt Gaugisch die Pfullingerin, die mit der U17-Nationalmannschaft 2021 EM-Silber geholt hatte, in den höchsten Tönen. Weiss ist bei der TuS Metzingen die Senkrechtstarterin des Jahres. Als sich Lea Schüpbach vor einem Jahr einen Kreuzbandriss zuzog, entwickelte sich ihre junge Teamkollegin in kürzester Zeit zur Leistungsträgerin - mit dem Final Four als Highlight. Vor sieben Monaten beim sensationellen Pokal-Triumph in Stuttgart wurde sie nach dem Final-Sieg zur besten Torhüterin des Turniers gekürt.
»Wir wollen Marie Schritt für Schritt reinbringen«
Weiss wird ab Montag erste Erfahrungen im Nationalteam in der Vorbereitung auf die Europameisterschaft sammeln, beim Turnier in Norwegen ab Mittwoch allerdings nicht dabei sein. Das würde ihr keinen Zugewinn bringen, erklärte Gaugisch. Ziel ist es, Weiss langsam aufzubauen. »Wir wollen Marie Schritt für Schritt reinbringen.« In Larvik werden sich die Olympia-erfahrenen Katharina Filter und Sarah Wachter im Tor abwechseln.
Julia Behnke war ebenfalls vor zwei Monaten beim Großereignis dabei. Ihre Eindrücke aus Paris fasst die 107-malige Nationalspielerin so zusammen: »Olympia war cooler als ich mir hätte vorstellen können. Der Vibe in dem Dorf, alle Sportler, die ihren Traum Leben - einfach eine unbeschreibliche Stimmung. Ein paar mehr Siege hätten wir uns natürlich alle erhofft, dennoch war es das erhoffte Erlebnis.«
»Wenn wir gegen Südkorea gewinnen, sagt keiner, dass es ein Rückschritt war«
An Siegen mangelte es allerdings in Paris - trotz des Vorstoßes ins Viertelfinale, in dem dann auch Endstation war. Aus sechs Spielen gingen die Gaugisch-Schützlinge nur einmal als Sieger hervor. Von einem Rückschritt will Gaugisch aber nicht sprechen. »Das muss man differenzieren. Wenn wir zum Auftakt gegen Südkorea gewinnen, sagt keiner, dass es ein Rückschritt war«, betont der Nehrener. Schließlich habe man gegen die ersten Vier der Welt gespielt. »Die Wahrscheinlichkeit, dass wir gegen sie verlieren, ist deutlich größer als gegen sie zu gewinnen«, betont der 50-Jährige. Im Duell mit Südkorea hatte es eine 22:23-Niederlage gegeben. Das Team hatte bei Olympia auch nicht den Vorwurf entkräften können, dass es ihm an mentaler Stärke fehlt. Diese Kritik hatte sich darauf gestützt, dass zu Turnierbeginn der Druck und die Nervosität die Mannschaft daran hinderte, im Südkorea-Spiel ihr normales Offensiv-Niveau zu erreichen.
Als man dann im Viertelfinale auf Titelverteidiger Frankreich traf, war die Gaugisch-Crew klarer Außenseiter und lieferte bei der 23:26-Niederlage prompt ihre beste Turnier-Leistung ab. »Natürlich hat das etwas mit Selbstverständnis zu tun. In dem Moment, wo du den ersten Titel holst, weißt du, ich kann das. Aber das ist nur eine Komponente von vielen «, relativiert Gaugisch die Kritik und verweist auch auf Unterschiede in der individuellen Qualität. Im Gegensatz zu den Top-Nationen wie Frankreich oder Dänemark habe man Spielerinnen, die nicht in der Champions League spielen würden. Auch von Behnke hat Gaugisch eine hohe Meinung. Sie sei »unfassbar fit« und könne jeden zweiten Tag auf Champions-League-Niveau spielen. »Vor allem ihre Sicherheit und Aggressivität in der Abwehr sind sehr wichtig für uns«, sagt der Bundestrainer.
»Eine richtige Rückmeldung bekommst du nur in Spielen gegen die Top-Nationen«
In Larvik beim Golden-League-Turnier bekommt das deutsche Team in geballter Form Top-Nationen vorgesetzt. Dort warten in den Begegnungen gegen Olympiasieger Norwegen (24. Oktober/18.15 Uhr), Ex-Weltmeister Niederlande (26. Oktober/15.45 Uhr) und dem Olympia-Dritten Dänemark (27. Oktober/15.45 Uhr) ganz große Hausnummern. »Das ist super. Eine richtige Rückmeldung bekommst du nur in Spielen gegen die Top-Nationen«, freut sich Gaugisch auf diese Duelle in Norwegen. (GEA)