TÜBINGEN. Lange Zeit war nicht klar, wann und ob das zweite Spiel in der Play-off-Viertelfinalserie zwischen den Tigers Tübingen und den Gladiators Trier über die Bühne gehen wird (siehe Box). Mit genau 23-minütiger Verspätung stieg dann doch der Tip-off am Samstagabend in der Paul-Horn-Arena. Und wenn die 2.049 Zuschauer, darunter über 100 Fans aus der Moselstadt, gewusst hätten, was sie in den darauffolgenden knapp zwei Stunden erwartet, dann wäre wohl auch eine deutlich längere Verzögerung akzeptiert worden.
Der Favorit erlebte dabei eine böse Überraschung. Es war David - in diesem Fall die Tübinger - die Goliath - den Tabellenzweiten aus Trier - in einer hochintensiven, extrem schnellen und vor allem packenden Begegnung mit 106:95 (51:45) in die Schranken wies. Damit haben die Raubkatzen bereits zum jetzigen Zeitpunkt mehr erreicht, als ihnen im Vorfeld von vielen zugetraut wurde. 0:3, fürs Weiterkommen braucht es drei Siege, lautete der gängigste Tipp für diese Viertelfinal-Serie. Das ist alles Schnee von Gestern. Nach dem 1:1-Ausgleich werden die Karten nun plötzlich neu gemischt. Vor allem war es jedoch: Ein überraschenderweise hochverdienter Heimerfolg für den Zweitligisten aus der Neckarstadt.
Fast alles lief dabei perfekt für die Tübinger, die sich nur neun Ballverluste leisteten und in dieser engen Begegnung tatsächlich in jedem Viertel die Oberhand behielten. Ihre beiden Unterschiedsspieler Kenny Cooper (Tigers-Topscorer mit 26 Punkten) und Center Samuel Idowu (23 Punkte, sieben Rebounds und drei Blocks) lieferten jeweils einen überragenden Auftritt ab und brachten die Gladiators an den Rande der Verzweiflung. Noch wichtiger war jedoch, dass die Teamkollegen sich nicht hinter ihnen versteckten, sondern aus deren Schatten immer wieder eindrucksvoll hervortraten, wenn es nötig war.
Mal war es Back-up-Spielmacher David Cohn, der in Hälfte eins wichtige und schwierige Würfe traf, während Cooper von Trainer Eric Detlev eine Verschnaufpause bekam. Dann wieder Center-Youngster Vincent Neugebauer, der sich unter dem Korb gegen die superphysischen Gegenspieler nichts gefallen ließ und kräftig zupackte. Der 22-Jährige erzielte in nur 15 Minuten Einsatzzeit starke 13 Punkte bei einer Top-Wurfquote von 67 Prozent aus dem Zweierbereich. Effizienter geht's kaum. Die heimliche Geschichte des Spiels schrieb jedoch Jonas Niedermanner. Der Flügelspieler durfte im ersten Viertelfinal-Spiel gegen Trier nicht ran und stand zuletzt am 23. Spieltag, das war Anfang Februar, länger als zehn Minuten auf dem Parkett.
Die Hupe spinnt
Mit genau 23-minütiger Verspätung stieg der Tip-off. Grund war der Ausfall der Hupe für die Auszeiten und Spielerwechsel. Die Technik wurde zunächst neu gestartet und im Anschluss ein neuer Laptop eingesetzt. Final wurde das Spiel gestartet, indem die Hupe durch eine Pfeife am Kampfgericht ersetzt wurde. Die Trierer legten vor dem Hochball Protest bei Kommissar Peter Schuberth ein. Inzwischen haben die Moselstädter diesen jedoch wieder zurückgezogen. (ott)
Am Samstag erhielt der letztjährige Kirchheimer gegen seinen Ex-Club wieder eine Chance, weil Melkisedek Moreaux im zweiten Viertel eine Pause benötigte. Niedermanner drehte nach seiner Einwechslung kurz vor der Pause prompt auf, traf erst einen tiefen Dreier und verwandelte dann einen schwierigen Wurf aus dem Zweierbereich zum 51:41. Am Ende erzielte der 28-Jährige neun Punkte in nur 13 Minuten. »Es war eine ganz schwierige Situation für ihn, weil er von mir in den vergangenen Spielen nur wenig berücksichtigt wurde. Jonas hat sich heute den Frust von der Seele gespielt. Das ist total super und freut mich riesig«, sagte Detlev, der die überragende Teamleistung lobte und meinte: »Das zeichnet uns aus in den letzten Wochen.«
Entscheidend für den Ausgang der Partie sei neben den guten Wurfquoten allerdings auch »definitiv das hohe Tempo« von Tübingen gewesen, wie Gäste-Coach Jacques Schneider betonte. »Wir dürfen uns nicht anstecken lassen durch das hohe Tempo, sondern müssen mehr unser Spiel spielen und unsere Physis besser nutzen.« Interessant, weil es die alles entscheidende Frage in dieser Serie ist: Während die Tigers mit ihren starken Qualitäten im Fastbreak das Spiel möglichst schnell machen wollen, streben die Trierer genau das Gegenteil an. Sie wollen eine kontrollierte Offensive spielen. Gelingt ihnen das, dürfte die Partie in der Regel zu ihren Gunsten ausgehen. Falls nicht, wie jetzt am Samstag, ist in den kommenden Spielen alles möglich.
Keinerlei Druck für die Tigers
Den Gladiators, die mit aller Macht in die Bundesliga (BBL) aufsteigen wollen, dürfte spätestens jetzt ordentlich die Düse gehen. Die Tigers, die auf einen BBL-Lizenzantrag in diesem Jahr verzichtet haben, verspüren dagegen keinerlei Druck. Sie sind am Samstag regelrecht über sich hinausgewachsen. Den Partycrasher wollen Cooper, Idowu und Co. auch im dritten Spiel der Serie (Dienstag, 20 Uhr) in Trier geben. Fakit ist: Der große Favorit ist schlagbar. (GEA)