TÜBINGEN. Marvin Heckel geht eigene Wege. »Ich versuche den Sport und mein privates Leben immer voneinander zu trennen«, sagt der Point Guard der Tigers Tübingen vor dem Doppelspieltag des Basketball-Zweitligisten mit zwei Heimspielen in weniger als 48 Stunden. »Deshalb hat das gar keinen so großen Einfluss auf meinen allgemeinen mentalen Zustand«, ergänzt der gebürtige Krefelder vor den Duellen gegen seine Ex-Clubs Bremerhaven (Freitag, 20 Uhr) und Koblenz am Sonntag (17 Uhr, beide sportdeutschland.tv).
Mit »das« meint der 27-Jährige die sportliche Situation. Die Neckarstädter haben sieben Niederlagen aus den vergangenen elf Spielen kassiert. Nach der 51:83-Abreibung am Samstag gegen Bundesliga-Mitabsteiger Crailsheim gehen sie mit einem schweren Rucksack in ein wegweisendes Wochenende. »Wir haben auf die Fresse bekommen. Ich hatte aber auf jeden Fall schon schlimmere Situationen in meiner Karriere«, berichtet Heckel, der sich dabei an seine Zeit bei den Baunach Young Pikes erinnert. Als Teamkollegen »nach der dritten oder vierten Niederlage angefangen haben, sich gegenseitig zu bekämpfen«.
Schach statt Instagram
Marvin Heckel ist der einzige Spieler in den Reihen der Tigers Tübingen ohne eigenes Instagram-Profil. »Ich habe meinen Account vor meiner Zeit in Koblenz deaktiviert. Ich habe gemerkt, dass ich zu viel Zeit damit verbracht habe. Es hat mich negativ beeinflusst, weil man anfängt, sich ständig mit anderen Leuten zu vergleichen. Das war ein Zeichen, mich wieder zu mir selbst zu begeben.« Am Anfang sei es enorm schwer gewesen, mittlerweile aber ganz normal. »Ich habe es durch Schach ersetzt«, berichtet Heckel und erklärt: »Wenn ich Schach spiele habe ich den vollen Fokus, dann blende ich alles aus. Ich mag dieses Gefühl.« (ott)
Darüber müsse man sich bei den Tigers, bei denen Neuzugang Jamison Overton bereits am Freitag spielberechtigt ist, offenbar keine Sorgen machen. Vor allem deshalb nicht, weil das Team nach wie vor in Takt wirkt, was sich vor allem mit den weitestgehend geschlossenen und leidenschaftlichen Leistungen in der Defensive belegen lässt. So spielt keine Mannschaft, in der es menschlich nicht stimmt.
Dennoch geht Heckel auf Suche nach den Gründen, warum die Entwicklung der Tübinger seit Dezember stark nach unten zeigt. »Nach einem guten Saisonstart haben wir uns irgendwann ein bisschen verloren. Natürlich hatten wir auch Verletzungen. Aber das ist meiner Meinung nach immer eine Ausrede. Mit den Spielern, die wir haben, hat man trotzdem das Potenzial, um erfolgreich in dieser Liga zu sein«, stellte Heckel klar.
Durch den Cooper-Ausfall hat sich die Rollenverteilung geändert
Klar ist aber auch: Seit der Verletzung von Topscorer Kenny Cooper gibt es einen Bruch im Angriffsspiel der Tigers. Durch den Ausfall des Spielmachers hat sich die Rollenverteilung geändert. Der Spielaufbau und das Scoring muss auf verschiedenen Schultern verteilt werden. »Jeder wollte Verantwortung übernehmen. Im positiven Sinne. Dadurch war nicht mehr genau klar, was die Aufgaben der einzelnen Spieler sind«, berichtet der schnelle 28-Jährige. Deshalb gab es zu Beginn der Woche eine mannschaftsinterne Sitzung, ohne das Trainerteam, bei der genau diese Punkte angesprochen wurden.
»Man hat einen sofortigen Effekt gespürt nach dem Meeting«, erzählt Heckel, der ein Nutznießer des Cooper-Ausfalls ist. Schließlich war er zuvor »der Point Guard, der von der Bank kam«. Dabei war der 1,90 Meter große Regisseur im Sommer als gestandener Pro A-Spieler nach Tübingen gekommen. Für Koblenz legte er im Vorjahr zehn Punkte und 4,6 Assists in durchschnittlich 27 Minuten auf. Nun haben sich seine Werte halbiert, was auch auf seine gesunkenen Einsatzzeiten zurückzuführen ist (nur fünf Mal mehr als 20 Minuten). Ist ihm die Rolle des Back-up-Spielmachers nicht zu wenig? »Es war klar, dass ich nicht die gleiche Rolle und Verantwortung bekommen werde, wie zuletzt in Koblenz. Dort war ich mehr oder weniger der Franchise-Player. Das ist halt jetzt eine andere Rolle, daran muss man sich anpassen«, sagte der Linkshänder.
Gleich acht Mal erzielte Heckel weniger als fünf Punkte
Das klappte bislang mal mehr, mal weniger gut. Damit steht Heckel, der sich in den vergangenen Wochen immer wieder mit Rückenbeschwerden rumplagte, dem es nun aber wieder »prima« geht, sinnbildlich für den Status quo bei den Tübingern: Das Potenzial ist vorhanden, doch es wird zu inkonstant abgerufen. Gleich acht Mal erzielte Heckel weniger als fünf Punkte. Das ist deutlich zu wenig für einen Spieler mit seinen Fähigkeiten. Nach Coopers Verletzung ist er in der teaminternen Hierarchie vorerst aufgerückt. Die Tigers und auch Heckel müssen nun liefern. (GEA)