CRAILSHEIM. Gab es einen Fehler auf der Anzeigetafel oder war das gerade wirklich passiert? Die rund 40 mitgereisten Tübinger Fans mussten vor 2.393 Zuschauern in der stimmungsvollen Crailsheimer »Stierkampfarena« am Samstagabend schon zweimal genau hinschauen, um zu erkennen: Leider stimmte das alles. Das Endergebnis: 51:83. 51! So viele - oder eher mickrige - Zählerchen hatten die Zweitliga-Basketballer aus der Neckarstadt im Derby gegen Mitabsteiger Crailsheim im gesamten Spielverlauf auf das Scoreboard gebracht. Das haben andere Mannschaften teilweise bereits zur Halbzeitpause auf der Habenseite stehen.
Die Sorgenfalten bei den Tigers werden immer größer. Es war bereits die dritte Niederlage in Folge. Das ist auch anderen namhaften Teams schon passiert. Wenn man aber auf das Gesamtbild schaut, wird der Fall schon klarer. Seit Anfang Dezember verloren die Tübinger sieben ihrer elf Begegnungen. Die Entwicklung läuft eindeutig in die falsche Richtung. Das wurde bei den Crailsheim Merlins nun für jeden ersichtlich.
Neuer Spieler im Anflug
Die Tigers Tübingen werden nach GEA-Informationen ein weiteres Mal auf dem Transfermarkt aktiv. Es soll sich ein weiterer US-amerikanischer Guard im Anflug befinden. Im Falle eines erfolgreich bestandenen Medizinchecks dürfte der Transfer in den kommenden Tagen verkündet werden. Nach Jay Nagle und David Cohn wäre es die dritte Nachverpflichtung in dieser Saison. (ott)
In der Offensive drückt nicht nur der Schuh. Es brennt lichterloh. Die Schützlinge von Trainer Domenik Reinboth trafen am Samstag aus dem Zweierbereich katastrophale 27 Prozent. Von jenseits der Dreierlinie performten Tigers-Kapitän Till Jönke und Co. sogar noch schlechter. Eine 15-prozentige Erfolgsquote ist unterirdisch. Damit ist man nicht einmal im Ansatz konkurrenzfähig. Doch woran liegt das? Alles reiner Zufall? Wenn man die These vertritt, dass Trefferquoten sehr häufig ein Abbild davon sind, wie häufig sich eine Mannschaft offene und gute Würfe herausspielen kann oder eben nicht, dann kann das sicher kein Zufall sein. Dann ist es gleichzeitig auch eine Frage des Systems. Erst recht, weil das Problem mit den sehr schwachen Wurfquoten bei den Tigers im bisherigen Saisonverlauf immer wieder auftritt. Mit durchschnittlich 77,8 Punkten pro Partie sind die Tübinger zudem das fünftschlechteste Team in der Liga.
Was auffällt: Die Mannschaft wirkt häufig verunsichert. Ein Gefühl, das sich seit dem verletzungsbedingten Ausfall von Topscorer und Spielmacher Kenny Cooper, der viele Situationen aufgrund seiner individuellen Klasse auch mal alleine lösen konnte, nochmals verstärkt hat. Derzeit ist vieles Stückwerk in der Tübinger Offense, die sehr eindimensional daherkommt. Wie am Samstag als die Tigers gegen die extrem aggressiv verteidigenden Hausherren nicht den Hauch einer Lösung fanden und in vielen Aktionen fast verzweifelt wirkten und mit dem Kopf durch die Wand wollten. Es gab wieder einmal kaum Ballstaffetten, zu viele Einzelaktionen und wenig Team-Basketball. Das ist nicht schön anzuschauen und vor allem auf Dauer deutlich zu ausrechenbar. Bereits im Hinspiel bei der 62:76-Niederlage Ende Dezember war das zu sehen. Damals schalteten die Crailsheimer Schlüsselspieler Cooper komplett aus. Es fehlte der Plan B.
Tigers mittlerweile aus den Playoff-Rängen gerutscht
Doch ein Plan ist auf dem Paper natürlich vorhanden. »Wir wollen Spieler, die das Spiel eigenständig lesen«, betonte Reinboth vor wenigen Monaten. Bedeutet: Die Profis sollen nicht in ein eng geschnürtes Korsett gesteckt werden, sondern kreative und eigenständige Entscheidungen treffen. Das benötigt viel Übung, Abstimmung und einen hohen Basketball-IQ. Doch fehlt den Spielern für diese Art der Offense etwa die Qualität? Oder liegt es daran, dass sie nicht wirklich verstehen, was der Trainer von ihnen möchte?
Fakt ist: Mit zwölf Siegen aus 21 Partien sind die Tigers mittlerweile aus den Playoff-Rängen gerutscht. Doch das Tabellenbild ist enorm eng. Mit einer kleinen Siegesserie könnte man auch gut und gerne schnell wieder nach vorne aufschließen. Dennoch stellt sich die Frage: Stehen die Tigers im Februar 2025 zurecht dort, wo sie stehen? Oder: Sind die Tübinger aktuell nur Mittelmaß?
Reinboth redet sich in Rage
»Das finde ich extremst abwertend und nicht gerechtfertigt«, antwortete Reinboth auf diese GEA-Nachfrage und ergänzte: »Als wir Dritter waren und Spiele verloren haben, haben alle gesagt: Wie könnt ihr gegen die verlieren? Jetzt sind wir Neunter und es heißt: Ihr seid Mittelmaß. Das ist negative Berichterstattung.«
Dann redete sich der 42-Jährige komplett in Rage: »Wir haben große Teams geschlagen, eine Partie mit nur sieben Spielern zu Ende gebracht. Wenn das dann vergessen ist, okay. Aber ich weiß, so ist die Reporterwelt, dass man das Erreichte vergisst. Als wir Dritter waren an einem Wochenende wurde nichts gesagt. Dann verlieren wir in Bremerhaven und sind Neunter und auf einmal heißt es: Oh, jetzt sind wir nicht mehr in den Playoffs. Was soll denn das?« Klar ist: Eine Entwicklung, von der im Profi-Sport gerne geredet wird, verläuft immer in Höhen und Tiefen. Die Leistung am Samstagabend war jedoch ein Offenbarungseid. War diese Derby-Klatsche lediglich ein weiterer sportlicher Ausrutscher oder verdichten sich die Anzeichen, dass viel Grundsätzlicheres im Argen liegt? Die kommenden Wochen werden es zeigen. (GEA)