TÜBINGEN. »Wir glauben nicht, dass er der Trainer ist, der uns wieder in die Bundesliga führen kann.« Die Worte von Vorstandsboss Prof. Dr. Michael Bamberg von den Tigers Tübingen am Dienstagmittag waren deutlich und erklären zugleich, warum der Basketball-Zweitligist wenige Stunden zuvor bekanntgab - der GEA berichtete exklusiv -, dass Domenik Reinboth mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben als Trainer entbunden wird.
Es ist das Ende einer nur neunmonatigen Zusammenarbeit. Ein Ende, das sich allerdings schon seit längerer Zeit abgezeichnet hatte. Der GEA blickt auf die entscheidenden Momente in dieser Saison und darauf, wie es bei den Tigers nun weitergeht.
- Ausfall von Cooper
Spätestens nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Topscorer Kenny Cooper Mitte Januar ging es auch ergebnistechnisch steil bergab. In dieser Zeit verloren die Tigers vier ihrer sieben Duelle. Bei Mitabsteiger Crailsheim kassierten die Tübinger eine denkwürdige 51:83-Klatsche. Ja, ohne ihren besten Spieler haben vermutlich alle Mannschaften ihre Probleme. Gleichzeitig zeigte sich allerdings, wie extrem abhängig die Raubkatzen von ihrem Aufbauspieler waren. Mit einem intakten Offensiv-System hätte der Ausfall zwar ebenfalls sehr geschmerzt, doch es wäre nicht ein derartiger Bruch im Angriffsspiel deutlich geworden.
Und somit wurde in den vergangenen Wochen immer klarer: Im Verlauf der Hinrunde gewannen die Tigers viele Partien vor allem wegen Cooper und seiner hohen individuellen Klasse. Es war häufig eine One-Man-Show. So etwas geht auf Dauer nicht gut. Reinboth hat es nicht verstanden, der Mannschaft einen konstant funktionierenden Plan für ihr Angriffsspiel an die Hand zu geben und die Stärken aller Akteure miteinzubeziehen. Und das, obwohl »einige Spieler wirklich ein großes Potenzial mitbringen«, wie Vorstandschef Bamberg der festen Überzeugung ist.
- Wut-Ausbruch in Crailsheim
Spätestens nach der deutlichen Niederlage in Crailsheim bekam man einen gewissen Eindruck davon, wie Trainer Reinboth offenbar mit Kritik umgeht. Die GEA-Frage, ob die Tigers nur Mittelmaß seien, brachte den gebürtigen Düsseldorfer regelrecht zur Weißglut. »Das finde ich extremst abwertend und nicht gerechtfertigt«, wetterte Reinboth und ergänzte: »Als wir Dritter waren und Spiele verloren haben, haben alle gesagt: Wie könnt ihr gegen die verlieren? Jetzt sind wir Neunter und es heißt: Ihr seid Mittelmaß. Das ist negative Berichterstattung.« Seine Mannschaft hatte in Crailsheim zuvor mickrige 51 Pünktchen in 40 Minuten erzielt und belegte zum damaligen Zeitpunkt den neunten Tabellenplatz und stand damit sogar noch einen Rang besser da, als es nun fünf Wochen später der Fall ist. Da stellen sich schon die Fragen: Muss ein Profi-Trainer, der im öffentlichen Rampenlicht steht, eine solche Nachfrage trotz aller Emotionen kurz nach so einem Spiel nicht aushalten? Und wie geht ein Zweitliga-Coach dann erst damit um, wenn es mal Gegenwind aus den eigenen Reihen gibt?
- Verhalten an der Seitenlinie
Wie aufgezogen sprintete Reinboth in dieser Saison häufig an der Seitenlinie auf und ab und ruderte hektisch mit den Armen umher, um seinen Schützlingen auf dem Parkett Anweisungen zu geben. Aber »sein unheimliches Engagement auf der Bank hat sich nicht auf die Spieler übertragen«, wie Bamberg formuliert. Es schien eher das Gegenteil der Fall zu sein. Durch das emotionale Verhalten des Trainers und seine nicht selten auch negativ ausfallende Mimik und Gestik mit Blick auf die Aktionen seiner Spieler machte sich spürbar eine Verunsicherung breit. »Die Spieler haben nicht mehr mit Mut die Geschicke selber in die Hand genommen und den Ball lieber abgegeben, um keine Verantwortung übernehmen zu müssen«, schildert Bamberg seine Beobachtungen. Vor allem ein Punkt missfiel den Verantwortlichen: Reinboth legte sich regelmäßig mit den Schiedsrichtern an und bekam nahezu wöchentlich technische Fouls wegen seinen lautstarken Beschwerden gegen sich gepfiffen. »Das war überhaupt nicht hilfreich«, betont der 77-Jährige.
- Mehr als eine Niederlage
»Diese Spiele musst du einfach gewinnen«, sagt der langjährige Tübinger Uniklinikum-Direktor und meint damit die Niederlagen in Karlsruhe und vor heimischer Kulisse gegen Bochum. Vor allem die Heimpleite gegen den Club aus dem Ruhrpott im Dezember blieb in schlechter Erinnerung. Zur Einordnung: Der VfL musste ohne seine beiden Topscorer und mit insgesamt nur neun Mann das Auswärtsspiel bestreiten. Darunter waren zahlreiche blutjunge Profis, die bislang entweder nur sporadisch zum Einsatz kamen oder noch überhaupt nicht in der zweitklassigen Pro A auf dem Parkett gestanden hatten. Und trotzdem gingen die Tigers gegen diese Bochumer Rumpftruppe mit 77:85 (40:41) als Verlierer vom Feld. Da wurde zum ersten Mal richtig deutlich, dass bei den Tübingern etwas Grundsätzlicheres im Argen liegt.
- Sportdirektor übernimmt
»Wir sind nun zu dem Entschluss gekommen, dass die Mannschaft nun einen neuen Impuls benötigt, um die verbleibenden Spiele erfolgreich zu gestalten«, sagt General Manager Philipp Reinhart. Diesen soll Eric Detlev, seines Zeichens Sportdirektor bei den Tigers mit Fokus auf die Jugendabteilung, liefern. Der 49-Jährige übernimmt für die verbleibenden sieben Spiele der Zweitliga-Hauptrunde. »Meine Aufgabe ist es nun dabei zu helfen, dass die Mannschaft wieder befreit und mit Freude am Basketball aufspielen kann«, blickt Detlev, der im Besitz der Trainer-A-Lizenz ist, voraus. »Eric ist auch ein Motivator und kann die Leute mitnehmen. Das Ziel ist weiterhin die Teilnahme an den Play-offs«, berichtet der Vorstandschef. Detlev ist die optimale Lösung. Denn so haben die Verantwortlichen um Bamberg und Reinhart genügend Zeit, nach einem passenden Trainer Ausschau zu halten, der die Tübinger wieder in die Tabellenregionen führt, die den eigenen Ansprüchen gerecht wird. (GEA)