TÜBINGEN. Vincent Neugebauer muss schmunzeln. »Es gibt den einen oder anderen Türrahmen mit dem man sich anfreundet«, antwortet der Center des Zweitligisten Tigers Tübingen auf die Frage wie es sich mit einer Körpergröße von 2,13 Metern so lebt. »Wenn man gerade mal am Handy rumdaddelt und nicht aufpasst, dann kann es schon ganz gut scheppern.« Humor kann man dem 22 Jahre alten gebürtigen Oldenburger, dem in der Basketball-Szene ein großes Talent und Entwicklungspotenzial nachgesagt wird, nicht abstreiten. Im Gegenteil: »Ich versuche, im Leben nicht alles zu ernst zu nehmen.«
Doch ob dem größten Spieler in den Reihen der Raubkatzen auch am Samstagabend nach dem dritten Heimspiel in dieser Saison gegen Phoenix Hagen (19.30 Uhr/sportdeutschland.tv) noch zum Lachen zumute sein wird? Die Zuschauer in der Paul-Horn-Arena hätten dagegen sicherlich nichts einzuwenden. In jedem Fall wird es für Neugebauer allerdings eine ganz besondere Begegnung.
Ein Mann mit klaren Prinzipien
Der Big Man wechselte im Sommer vom kommenden Gegner der Tigers in die Neckarstadt. Zum Traditionsclub aus Hagen war der 22-Jährige erst spät in der vergangenen Saison gekommen. Ursprünglich hatte er die Spielzeit beim Team Ehingen-Urspring in der drittklassigen Pro B begonnen. Dort dominierte Neugebauer nach Belieben (15,3 Punkte, neun Rebounds und ein Block im Schnitt) und weckte schnell die Begehrlichkeiten von höherklassigen Clubs. »Hagen wollte mich schon im Januar verpflichten. Ich wollte aber meinen Verein nicht im Stich lassen als Kapitän. Wenn ich gegangen wäre, wäre das vielleicht der letzte Todesstoß im Abstiegskampf gewesen. Das konnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren«, erklärt er und wechselte deshalb erst Ende März zu den Donnervögeln am südöstlichen Rand des Ruhrgebiets.
Ein Mann mit klaren Prinzipien. Das zeigte sich auch bei seiner Zukunftsentscheidung vor wenigen Monaten. Der talentierte Neugebauer hatte auch die Möglichkeit zu zwei Bundesliga-Clubs zu gehen. »Ich habe mich am Ende aber für die Tigers entschieden, weil ich nicht auf der Bank sitzen wollte und Teil einer Mannschaft auf dem Spielfeld sein wollte.« Zudem habe der neue Tübinger Headcoach Domenik Reinboth direkt von der ersten Sekunde an großes Interesse gezeigt und gemeint: »Du bist mein Mann.« Reinboth habe ihm einen klaren Plan aufgezeigt, »wie er mich sieht und wie ich mich im körperlichen, spielerischen und taktischen Bereich weiterentwickeln kann und soll. Das hat sich von Anfang an alles sehr rund angehört«.
Aktuell die Rolle des Back-up-Centers
Der Plan: Aus Neugebauer, der aktuell die Rolle des Back-up-Centers ausfüllt und an einer Fernuniversität im zweiten Semester Wirtschaftsrecht studiert, einen gestanden Zweitliga-Spieler zu machen. Eine Entwicklung, die eine gewisse Zeit und Geduld erfordern dürfte. »Immer Schritt für Schritt«, betont Neugebauer und ergänzt: »Als Big Man hat man tendenziell ein bisschen mehr Zeit und ist später in seiner Blütezeit. Guards sind hingegen schon Anfang oder Mitte 20 am Spritzigsten. Ich bin mir bewusst, dass mein Körper noch nicht da ist, wo ich ihn gerne hätte. Das kommt allerdings nicht von heute auf morgen.«
Neugebauer dennoch schnellstmöglich auf das nächste Level im körperlichen Bereich zu bringen, fällt insbesondere in den Aufgabenbereich von Bene Cords. Der 25-Jährige betreut die Tigers in dieser Saison vollumfänglich als Athletikcoach. Auch hier hat der Norddeutsche bereits ein Ziel vor Augen. »Bene hat gesagt, dass ich irgendwann mit einem guten Gefühl mein Bizeps flexen kann«, sagt Neugebauer und lacht.
Schwache Wurfquoten bislang
Auch wenn sein Impact auf dem Feld - vor allem in der Offensive - mit durchschnittlich drei Punkten pro Spiel und bislang schwachen Wurfquoten (nur 30 Prozent aus dem Zweierbereich und 50 Prozent von der Freiwurflinie) noch ausbaufähig und begrenzt ist, fällt Neugebauer bereits zu diesem frühen Zeitpunkt in einer sehr ausgeglichen zusammengestellten Tübinger Mannschaft unweigerlich auf. Neben Kapitän Till Jönke ist der 2,13 Meter große Hüne der Mann für die großen Emotionen und Gefühlsausbrüche.
»Ich habe immer Puls. Egal ob auf dem Feld oder auf der Bank. Das kommt einfach aus mir raus und gehört für mich dazu«, sagt der Center über seine ansteckende Energie. Ob er gerne auch den Trashtalk mit seinen Gegenspielern im harten Gewühle unter dem Korb sucht? »Nicht aktiv. Aber wenn mir jemand doof kommt, dann habe ich aber schon ein paar Sprüche auf Lager. Ich lasse mich nicht abfrühstücken«, sagt Neugebauer. An Schlagfertigkeit mangelt es dem deutschen Center-Talent definitiv nicht. (GEA)