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Wie Alexander Strehmel den SSV Reutlingen umkrempeln will

Die Probleme beim SSV Reutlingen sind für den neuen Trainer und Ex-Profi Alexander Strehmel schnell ausgemacht. Wie der Coach tickt, was er für Fußball spielen lassen möchte und wer ihm direkt aufgefallen ist.

Alexander Strehmel will für ein neues Tempo im Spiel des SSV Reutlingen sorgen.
Alexander Strehmel will für ein neues Tempo im Spiel des SSV Reutlingen sorgen. Foto: Jo Baur
Alexander Strehmel will für ein neues Tempo im Spiel des SSV Reutlingen sorgen.
Foto: Jo Baur

REUTLINGEN. Alexander Strehmel brennt. Am Mittwochvormittag fährt er mit dem Auto Richtung Reutlingen, seine Gedanken aber sind schon ganz woanders. Auf dem Fußballplatz. Bei seiner neuen Mannschaft, dem SSV. Im Training am Abend. »Scheiße, ich freu mich schon«, sagt er und lacht. Wobei sagen vielleicht nicht unbedingt das richtige Wort ist. Denn wenn der 56-jährige Ex-Profi spricht, wirkt es eher wie eine Mischung aus Appell und Gefühlsausbruch. Seine Begeisterung für die neue Aufgabe beim Fußball-Oberligisten kann er nicht verbergen. Will er aber auch nicht. Denn sicher ist er: »Diese Mannschaft kann einfach viel mehr.«

Das Problem: »Sie kann es nicht zeigen, weil es der körperliche Zustand nicht zulässt«, sagt der selbsternannte »Fitnessfanatiker«, nachdem er am Dienstagabend die erste Einheit leitete. »Nein, nein, nein«, so wie bisher geht das nicht, macht Strehmel, der zuletzt den SSV Vorsfelde in der Oberliga Niedersachsen coachte, unmissverständlich klar. Am liebsten würde er gleich in der nächsten Woche nicht nur deutlich intensivere Einheiten haben, sondern auch mehr. »Was wir gerade machen, ist viel zu wenig für die Ziele, die wir haben.«

»Wir haben verdammt gute Fußballer in den Reihen, aber die können nicht zeigen, was sie können, wenn man nur langsam spielt«

Während er sich in seinen Ausführungen am Telefon vor Motivation fast überschlägt, fährt er am Stadion des VfB Stuttgart vorbei. Seiner alten Wirkungsstätte, wo er als Bundesliga-Profi 185 Spiele absolvierte, 1992 deutscher Meister wurde. »Mensch toll«, schwärmt der Sohn eines in Deutschland stationierten US-Soldaten. »Ich genieße hier jeden Tag«, freut er sich über den Standortwechsel aus Vorsfelde bei Wolfsburg in den Süden. Strehmel wuchs in Bonlanden auf, seine Frau in Gomadingen. Die Nacht verbrachte er bei seinem Freund und Trainer-Lehrer Lorenz-Günther Köstner, unter dem er als »Co« auch beim VfL Wolfsburg arbeitete. Seine neue Aufgabe will Strehmel mit höchster Konsequenz angehen und deshalb bald nach Reutlingen ziehen.

Hier will er seine Handschrift auch dem Spiel des SSV aufdrücken. Strehmel schaute sich die vergangene Partie der Nullfünfer in Backnang (1:1) an. Dem vor Energie sprudelnden Macher war das, was er sah, einfach zu langsam. Zu behäbig. Zu ausrechenbar. Ballbesitz? »Nein«, meint Strehmel. »Ich will ein frühes Pressing sehen. Ein schnelles Umschaltspiel. Wir haben verdammt gute Fußballer in den Reihen, aber die können nicht zeigen, was sie können, wenn man nur langsam spielt.« Die Gegner sollen in Zukunft wieder denken: »Scheiße, ich muss nach Reutlingen.«

»Da muss mehr kommen. Oder will er seine Karriere jetzt einfach so ausklingen lassen«

Bei diesen Aussagen verwundert es nicht, dass der neue Kommandogeber am Dienstagabend gleich mal mit einer Stoppuhr um den Hals auf dem Platz an der Kreuzeiche aufschlug. Klar dürfte sein, dass für die Kicker jetzt ein anderer Wind weht. Ihnen mehr abverlangt wird. Denn Fitness ist die Grundlage für Strehmels »sehr körperliches Spiel«. Allerdings stellt der Trainer, der in Vorsfelde hervorragend mit seinen Schützlingen klargekommen sein soll, klar: »Ich bin kein Diktator. Wir müssen alle nicht nur im selben Boot sitzen, sondern auch in die selbe Richtung rudern.«

Sollte ein Spieler aber nicht alles geben, könne er sich auf ein »Problem« einstellen. Apropos Spieler. Wer ist dem »Neuen« denn am Dienstag besonders aufgefallen? »Ein sehr interessanter Spieler schon über die Jahre ist der Onesi (Kuengienda, Anmerkung der Redaktion). Ein Koloss. Einer, der für Reutlingen steht.« Das Potenzial sei groß, die Leistungen in dieser Spielzeit aber zu wenig. »Da muss mehr kommen. Oder will er seine Karriere jetzt einfach so ausklingen lassen?«, echauffiert sich Strehmel. Ich habe ihm gesagt: »Hey, ich bin ein Fan von dir! Aber wir müssen Gas geben.« Die Ansprache wirkte: »Gestern hat er gut trainiert.« Übrigens habe das gesamte Team mitgezogen.

»Ich bin zum Schaffa da«

Peu à peu möchte Strehmel gemeinsam mit seiner neuen Truppe Schritte nach vorne machen. Zunächst gehe es nicht um Schönspielerei, sondern darum, Euphorie zu entfachen und Punkte zu holen, um aus dem unteren Tabellendrittel zu kommen.

Nach dem ersten Tag bleibt beim Optimisten, der von sich selbst sagt, »ich bin zum Schaffa da«, ein gutes Gefühl. »In Reutlingen geht richtig was.« (GEA)