REUTLINGEN. Den Sprung aus der A-Jugend zu den Oberliga-Fußballern beim SSV Reutlingen schaffen? Davon träumte Lino Kuhn zwar, so wirklich daran glaubte er aber nicht. Denn in der vergangenen Saison wollte der 18-Jährige allen beweisen, was er draufhat– doch daraus wurde nichts. Erst bremste ihn ein Bänderriss aus: »Deshalb habe ich in der Hinrunde keine Rolle gespielt.« Als es dann endlich wieder auf den Rasen gehen sollte, kam eine Schambeinentzündung dazwischen. In Summe stand der zentrale Mittelfeldmann gerade mal fünf Spiele auf dem Platz. Und doch kam das Angebot, zu dieser Runde in die »Erste« aufzurücken. Ein Schritt, der sich gelohnt hat. Für Kuhn, aber auch für den ehemaligen Zweitligisten, der nun von seiner Klasse profitiert.
Sein Oberliga-Debüt gab er beim 3:0-Sieg der Kreuzeiche-Fußballer gegen den FSV Bietigheim-Bissingen im September und hinterließ ordentlich Eindruck. »Er hat es super gemacht. Gegen den Ball überragend, mit dem Ball kaum Fehler«, lobte Kapitän Yannick Toth und bezeichnete seinen Teamkollegen im positiven Sinn als »richtiges Kampfschwein«. Und genau diese Eigenschaft ist es, die den Kicker, der einst in Unterhausen begann, auszeichnet. Anders als vielen anderen Talenten geht es dem bekennenden Cristiano-Ronaldo-Fan (»wegen seiner Mentalität und seines Ehrgeizes«) nicht darum, selbst die große Show zu bieten, sondern seine Mitspieler durch harte Arbeit auf dem Platz besser zu machen.
»Meine Stärke ist mein Kopf«
Seit seinem Debüt beim SSV räumt er vor der Abwehrkette mit starkem Zweikampfverhalten auf. Trainer Alexander Strehmel ist begeistert: »Der ist gut drauf, aber er soll jetzt nicht durchdrehen und genauso bleiben, wie er ist. Er ist einer, der die kommenden Jahre in Reutlingen prägen kann.« Der Kommandogeber sah zuletzt trotz einiger Niederlagen, dass sich seine Truppe »in der Defensive stabilisiert hat«. Auch dank Kuhn und seines exzellenten Einsatzes. Kein Wunder also, dass Strehmel auch am Samstag (14.30 Uhr) beim Heimspiel gegen den Karlsruher SC II mit ihm plant.
Nicht wundern tut sich übrigens sein ehemaliger A-Jugend-Trainer Maik Stingel. Darüber, dass Kuhn den Sprung in die Oberliga gepackt hat. »Er spielt Männerfußball. Ich bin der Meinung, dass er auch in der Oberliga fast jeden verteidigen kann.« Auf die Frage, was seine größte Stärke ist, hat Kuhn selbst eine erstaunliche Antwort parat. »Meine Stärke ist mein Kopf. Mein Wille, mein Kampfgeist und mein Spielverständnis. Ich würde schon sagen, dass ich den gewissen Riecher für das Spiel habe.«
»Die Leute kommen ins Stadion, weil sie Herz und Leidenschaft sehen wollen«
Und tatsächlich stellte der gerade mal 18-Jährige sich bei seinen ersten Einsätzen für die Nullfünfer erstaunlich clever und routiniert an. Er sagt: »Mein Ziel ist es, beim SSV eine wichtige Rolle zu spielen.« Bei seinen ersten Schritten in der Oberliga-Mannschaft halfen ihm die Kabinennachbarn Riccardo Gorgoglione und Toth. »Sie geben mir gute Tipps. Für mich als junger Spieler ist das extrem wichtig und hilfreich. Beide sind außerdem charakterlich super. Echte Herzensmenschen.«
Mit seiner Art und Weise, Fußball zu spielen, oder besser gesagt, Fußball zu arbeiten, passt er laut Trainer Strehmel optimal nach Reutlingen: »Die Leute kommen ins Stadion, weil sie Herz und Leidenschaft sehen wollen. Kein Tiki-taka.«
Leidenschaftlicher Sportler war Kuhn übrigens schon seit Kindheitstagen. Sein Vater brachte ihn mit drei Jahren zum Fußball und trainierte ihn später beim VfL Pfullingen, seine Mutter begeisterte ihn für die Leichtathletik. Zusätzlich spielte der smarte junge Mann, der dieses Jahr sein Abitur machte, lange Handball. Eine gute Schule. »Das frühe Training hat mir für die Fitness viel gegeben, beim Handball habe ich spielerisches Denken und die Beweglichkeit gelernt«, erklärt er. Allerdings sei schon immer klar gewesen, dass Fußball an erster Stelle steht.
Und so versucht der Nachwuchskicker, nun in Reutlingen seinen Weg zu gehen, zeigt seine Macher-Mentalität auch abseits der Oberliga. In den Fußballcamps des SSV packt er mit an und versucht, seine Leidenschaft an die Talente von morgen weiterzugeben, obwohl seine Laufbahn selbst erst begonnen hat. (GEA)

