GÖPPINGEN. SSV-Trainer Philipp Reitter und sein Stürmer Onesi Kuengienda sprangen an der Seitenlinie auf und ab, schrien um die Wette und fuchtelten mit beiden Armen. Es wirkte, als wollten sie mit vereinten Kräften die Reutlinger Akteure aus der eigenen Spielhälfte schieben und den 1. Göppinger SV so vom eigenen Tor fernhalten. Die 1:0-Pausenführung hatte Reutlingen in der 80. Minute schon lange verloren, nun tobte auf dem Feld aus Sicht der Nullfünfer eine Abwehrschlacht, um einen Punkt im Kampf um den Klassenerhalt in der Fußball-Oberliga mitzunehmen. Doch auch dieses Unterfangen gelang beim neuen Tabellenzweiten nicht. Am Ende setzte es eine 1:2-Niederlage, die zu denken gibt.
Warum? Weil dem kriselnden Club von der Kreuzeiche im zweiten Spielabschnitt erneut die Kräfte ausgingen. Deshalb erneut ein Spiel in den letzten Minuten verloren ging. »Sie hatten viel mehr Chancen, irgendwann muss dann ja mal ein Ball reinfliegen«, sagte Riccardo Gorgoglione, der seinen SSV in der zehnten Minute nach hervorragender Vorarbeit von Onesi Kuengienda in Führung gebracht hatte. So kam es, wie es kommen musste: Eine Minute vor regulärem Spielende traf der Göppinger Tyron Profis zum Endstand. Den Ausgleich hatte Yannik Wolff nach einem Eckball erzielt (54.). »Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis das Tor fällt«, meinte Reitter. Seine schnelle Analyse der zweiten 45 Minuten: Zu viele lange Bälle, zu wenig Klarheit, zu wenig Entlastung. »Am Ende ist uns die Luft ausgegangen.«
Top-Leistung in Halbzeit eins
Zu denken gibt die aus Reutlinger Sicht schwache zweite Halbzeit aber vor allem deshalb, weil der SSV vor dem Pausenpfiff eine Super-Leistung gegen eine Top-Mannschaft zeigte und verdient führte, bevor die Kicker einbrachen. »Genau so muss man agieren, wenn man im Abstiegskampf bestehen will«, kommentierte Reitter den guten Start. »Die erste Halbzeit war super«, meinte auch Gorgoglione. Die Gäste erarbeiteten sich vor 900 Zuschauern die besseren Möglichkeiten. Die größte vergab der später ausgewechselte Kuengienda frei stehend aus acht Metern nach einer Hereingabe des Reutlinger Torschützen. »Das war ein richtig dickes Ding«, meinte Reitter. »Wir hatten die Chancen, um ihnen den Genickbruch zu verpassen, aber wir haben sie nicht genutzt«, sagte Gorgoglione zu Szenen wie dieser. Zu Beginn der zweiten Halbzeit scheiterte Ole Deininger aus ähnlich aussichtsreicher Position ebenfalls nach Gorgoglione-Flanke.
Im Offensivspiel des SSV lief fast alles über den flinken und dribbelstarken Spieler. Gorgoglione wirbelte vorne, links, rechts und im Zentrum. Von einem Lob nach Abpfiff wollte er aber nichts wissen. »Mein Spiel war in Ordnung, aber es bringt mir nichts. Ich will lieber gewinnen und ein schlechtes Spiel machen.«
Piu hält Elfmeter
Im zweiten Durchgang rückte dann plötzlich SSV-Keeper Enrico Piu in den Fokus, weil nur noch Göppingen am Drücker war. Der sichere Rückhalt parierte, was er konnte und faustete fleißig Bälle nach Ecken aus seiner Zone. 13:0 der Standards zu Gunsten der Heimelf standen am Ende zu Buche. In der 71. Minute hielt er einen Foulelfmeter von Filip Milisic mit einem hervorragenden Reflex und damit das Unentschieden zunächst fest. Zuvor hatte der Schiedsrichter nach einem robusten Zweikampf des Reutlinger Stefan Ilic auf den Punkt gezeigt. Unumstritten war der Pfiff nicht.
Die große Frage aber bleibt: Wie ist es möglich, dass der SSV einmal mehr so große Schwierigkeiten mit zunehmender Spieldauer bekam. Immer wieder strauchelten die Nullfünfer im zweiten Durchgang und Leistungsträger mussten mit muskulären Problemen vom Rasen. »Wenn wir in der zweiten Halbzeit so spielen würden wie in der ersten, wären wir nicht unten drin«, meinte Sportvorstand Christian Grießer. So aber rutscht der Club auf den fünfzehnten Tabellenplatz ab und verlor vier der letzten fünf Matches. Reutlingen geht die Luft aus. (GEA)