REUTLINGEN. Der Ärger war groß im Reutlinger Lager nach dem 1:1 (0:0)-Unentschieden in der Fußball-Oberliga-Partie gegen den Karlsruher SC II. Der Ärger über die Rote Karte für SSV-Mittelfeldspieler Leander Vochatzer. »Der Feldverweis war die spielentscheidende Szene«, stellte Trainer Alexander Strehmel zerknirscht fest, schließlich führte seine Elf zu diesem Zeitpunkt mit 1:0. »Wir werden das Video-Material an den Verband schicken«, kündigte der Sportliche Leiter Christian Grießer in der Hoffnung auf eine milde Strafe an.
Vochatzer selbst hatte den Glauben an die Gerechtigkeit verloren. »Der Schiedsrichter hätte eher ein Foulspiel an mich ahnden müssen.« Der ehemalige Regionalligaspieler des FV Illertissen und der TSG Balingen beschrieb die Szene in der 75. Minute mit folgenden Worten: »Ich spiele den Ball von der Seite. Sekundenbruchteile später rutscht der Gegenspieler in mich rein.« Nach einer kurzen Pause fügte Vochatzer noch ein Wort hinzu: »Unfassbar.« Und machte sich auf den Weg in Richtung Kabine.
Hätte der Assistent helfen können?
Dass Schiedsrichter in der Oberliga, in der die Spiele schon ein ordentliches Tempo haben, keinen leichten Stand haben, steht außer Frage. In diesem Fall hätte der Unparteiische Niklas Straßer gerne eine Hilfe seines Assistenten in Anspruch genommen, die aber offensichtlich nicht kam. Die Filmaufnahmen jedenfalls lassen keinen Zweifel zu: Der Feldverweis war eine völlig überzogene Entscheidung. Vochatzer spielte den Ball.
Der Feldverweis war der große Aufreger, zwei verletzungsbedingte Auswechslungen trübten die Stimmung ebenfalls. Ex-Profi Moritz Kuhn stand nach drei Kurzeinsätzen erstmals in der Startformation, musste aber in der Halbzeit ausgewechselt werden. »Der Oberschenkel hat zugemacht«, erklärte der 34-Jährige, hofft aber, dass er am Sonntag in Singen wieder auflaufen kann. Er habe sich »gut gefühlt«, so Kuhn, der auf der rechten Außenbahn agierte und unter Beweis stellte, dass er ein Riesengewinn für die Mannschaft ist, wenn das Spielverständnis mit seinen Teamkollegen noch etwas verfeinert wird. Für Kuhn kam Marlon Gangloff ins Spiel. Der Ex-Wolfsburger musste 17 Minuten später schon wieder vom Feld. Nach einem Foulspiel zog sich Gangloff eine Schultereckgelenkverletzung zu.
Moritz Kuhn und Yannick Toth vergeben gute Chancen
Nach zuletzt drei Niederlagen in Folge hat der SSV den Negativlauf gestoppt, aber den nächsten Befreiungsschlag verpasst. Dabei zeigten die Strehmel-Schützlinge über weite Strecken eine ordentliche Leistung. Im ersten Durchgang durften die 1.070 Zuschauer - das bedeutet Saisonrekord für die Nullfünfer - einige ansehnliche Ballstafetten bewundern. Zwei Mal lag das Führungstor in der Luft. Nach 30 Minuten setzte sich der stark aufspielende Youngster Lino Kuhn energisch und sehenswert durch, Yannick Toth bediente Moritz Kuhn - und dessen scharfen Schuss parierte KSC-Keeper Simon Heering in starker Manier. In der 38. Minute flankte Ben Schaal auf Toth. Der Mittelfeldmann, normalerweise im Kopfballspiel ein Ass, köpfte aus sechs Metern völlig freistehend Heering direkt in die Arme. Defensiv stand der SSV in der ersten Hälfte sehr gut.
In der 53. Minute gingen die Reutlinger in Führung. Nach einer Ecke von Vochatzer war Toth per Kopfball erfolgreich. Es war bereits sein fünfter Saisontreffer. Auffallend: Nach diesem Tor ließ der SSV stark nach, verlor gegen die nun anrennenden Karlsruher immer mehr die Kompaktheit. Eine Frage der Kondition? Eine Frage der Konzentration? Eine Frage der Einstellung?
Ex-Reutlinger trifft für den KSC
Ob das Ausgleichstor in der 79. Minute auch gefallen wäre, wenn Vochatzer noch auf dem Platz gewesen gestanden hätte, ist hypothetisch. Es war auf jeden Fall ein sehenswerter Treffer. Marius Mahle setzte auf der rechten Außenbahn zum Solo an, ließ Schaal und Tom Ruzicka stehen und jagte den Ball aus 20 Metern stramm in die Maschen. »Dieses Gegentor hätten wir verhindern müssen«, urteilte Strehmel. Der 20 Jahre alte Mahle kam in der Spielzeit 2022/23 als A-Jugendlicher beim SSV zwei Mal in der Ersten in der Oberliga zum Einsatz, ehe er über die Station ATSV Mutschelbach bei der zweiten Karlsruher Garde landete. Nun sorgte Mahle dafür, dass die Reutlinger weiterhin auf ihren fünften Saisonsieg warten müssen. (GEA)


