REUTLINGEN. Überraschung geglückt. Am Dienstag trainierten die Fußballer des SSV Reutlingen noch emsig unter Trainer Philipp Reitter, um am Samstag (14 Uhr) bei der TSG Backnang das Missgeschick vom Wochenende wiedergutzumachen, als es gegen den TSV Essingen eine 0:1-Pleite setzte. Am Mittwoch folgte die Bekanntgabe, dass der Übungsleiter vom Beginn der Woche nicht mehr derjenige sein wird, der am Ende der Woche mit dem Oberligisten um Zähler kämpft. Der Zeitpunkt verwunderte aber nicht nur Medien und Fans.
»Nö, der Wechsel hat sich nicht abgezeichnet«, erzählt Führungsspieler Luca Plattenhardt dem GEA. »Ich glaube, alle waren überrascht«, sagt SSV-Kapitän Yannick Toth. »Es hat nicht annähernd den Anschein gemacht, dass das passiert. Wir haben am Dienstag noch ein gutes Training mit ihm gemacht.« Selbiges Bild bot sich Plattenhardt, der von einer »guten Einheit mit Feuer drin« sprach und eine Videoanalyse Reitters mit Interesse verfolgte. Und so bleiben nicht nur bei den Fans viele Fragezeichen über den seltsamen Zeitpunkt der Bekanntgabe unter der Woche, dass der bisherige »Co« Daniel Bogdanovic interimsweise übernimmt.
»Meiner Meinung nach lag es nicht am Trainer. Das ist für mich ein Fakt«
Glaubt man den Spielern, war im Team die Überzeugung da, dass Reitter nach schwachem Saisonstart mit nur elf Punkten aus elf Spielen das Ruder hätte herumreisen können. »Meiner Meinung nach lag es nicht am Trainer. Das ist für mich ein Fakt«, berichtet Toth, der die Arbeit seines ehemaligen Übungsleiters lobt. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ein anderer Trainer arg viel besser hätte machen können.« Sowohl fachlich als auch menschlich sei Reitter gut aufgestellt gewesen.
Letztlich habe der Club in den vergangenen Wochen mit Verletzungen und Sperren auch einfach nicht viel Glück gehabt. Im Prinzip hätten in jedem Spiel gleich mehrere wichtige Stammkräfte gefehlt, denkt Toth. Das Verwunderliche: Gerade jetzt standen einige Akteure vor der Rückkehr. Der Zug, gegen machbare Gegner zu punkten, war also längst nicht abgefahren.
»Letztlich war es eine Ergebniskrise. Es ging in diesem Fall nicht um das Verhältnis zwischen Spielern und Trainer«
Selbst in den Sozialen Medien trifft die Kritik aktuell nicht hauptsächlich den Trainer. »Muss nur noch der Vorstand folgen«, kommentierte ein Nutzer unter dem Beitrag des Reutlinger General-Anzeigers. »Das Problem ist der Sportliche Leiter«, schrieb ein anderer. Der Nächste meinte wiederum: »Das passiert, wenn Anspruch und Wirklichkeit nicht übereinstimmen und noch Selbstüberschätzung und Arroganz hinzukommen. Vielleicht sollte sich die Vereinsführung mal fragen, ob der Trainer wirklich das Problem ist?« Der Club selbst schob unerwünschten Statements direkt mal einen Riegel vor, indem die Kommentarfunktion auf Facebook unter der Mitteilung eingeschränkt wurde. Sprich: nur noch ausgewählten Nutzern stand diese Möglichkeit zu.
Es ergibt sich das Bild, dass Kommunikation nach innen und außen beim SSV weiter ein schwieriges Thema ist. Das zeigte sich auch bei der Entscheidung gegen Reitter, bei der nach GEA-Informationen weder genauer hingehört wurde, was die Spieler denken noch der Mannschaftsrat sagt. Diesem Vorwurf widersetzt sich der Sportliche Leiter Christian Grießer. Er betont: »Letztlich war es eine Ergebniskrise. Es ging in diesem Fall nicht um das Verhältnis zwischen Spielern und Trainer, sondern um fehlende Punkte.«
»Die Entscheidung, sich von Reitter zu trennen, wurde gemeinsam von Vorstand/Aufsichtsrat und Management getroffen und mit dem bisherigen Saisonverlauf begründet«, hieß es am Tag zuvor in der offiziellen Pressemitteilung des Vereins. Wie einvernehmlich der Vorgang am Ende war und was es mit dem Management genau auf sich hat, bleibt unklar. Die Vermutung allerdings liegt nahe, dass Grießer in diesem Fall nicht die treibende Kraft hinter der Veränderung ist. Bisher waren kurzfristige Entscheidungen gegen einen Coach nicht sein Stilmittel. Unklar bleibt auch, wer künftig die Geschicke an der Seitenlinie leiten soll. Fortgeschrittene Gespräche gibt es wohl noch nicht, Grießer allerdings hat sich das Ziel gesetzt, in der nächsten Woche etwas Handfestes zu präsentieren. Der Blick gehe jetzt wieder nach vorne. (GEA)