HOLLENBACH. Leander Vochatzer traf, Leander Vochatzer bereitete vor, Leander Vochatzer führte den SSV Reutlingen beim FSV Hollenbach zum Sieg. Die Geschichte des Spiels war nach 55 Minuten perfekt. Eigentlich. Für seinen Traumpass vor dem 2:0 auf Konstantinos Markopoulos ließ sich der Routinier noch feiern. Bereits kurz nach dem Anpfiff hatte er die Reutlinger Oberliga-Fußballer mit einem gefühlvollen Freistoß in Führung gebracht. Und doch sprintete der ausgewechselte Mittelfeldspieler nach dem Schlusspfiff aufs Feld, schlug vor Wut in die Luft und fluchte. Denn die Geschichte ging anders aus. Die Nullfünfer gewannen nämlich – obwohl es lange genau danach aussah – nicht. Beim kriselnden FSV setzte es stattdessen eine 2:3 (1:0)-Pleite. In dramatischer Art und Weise.
Denn auch nach 90 Zeigerumdrehungen lag die Mannschaft von Trainer Alexander Strehmel in Führung. Dann brach alles in sich zusammen. Hollenbachs Sebastian Schiek erzielte in der ersten Minute der Nachspielzeit den Ausgleich, vier Minuten später war Felix Limbach zur Stelle und sorgte für Jubelstürme im Lager der Heimelf. Die Kreuzeiche-Kicker sanken in sich zusammen. »Zum Schluss ist alles zusammengekommen«, sagte Strehmel. »Mit acht Feldspielern haben wir versucht, uns noch dagegenzustemmen, aber es hat nicht gereicht.« Doch was war eigentlich passiert?
Der Anfang vom Ende
Der Anfang vom Ende begann in der 57. Minute. Im eigenen Strafraum zupfte der verwarnte Außenverteidiger Luca Plattenhardt seinen Gegenspieler für ein Sekündchen am Trikot. Schiedsrichter Janik Wieland schickte ihn dafür vor den Augen der ungläubigen SSV-Spieler mit Gelb-Rot vom Platz. Den Strafstoß verwandelte Torjäger Hannes Scherer eiskalt zum 1:2-Anschluss.
Die Szene brachte auch den in den Reihen der Reutlinger herausstechenden Vochatzer auf die Palme. »Aus meiner Sicht darf es niemals Strafstoß geben. Er kommt zum Abschluss. Ich glaube, keiner von Hollenbach beschwert sich, wenn er das Ding nicht pfeift.« Besonders bitter: Vor der Szene kontrollierten die Nullfünfer das Geschehen, standen hinten sehr sicher und agierten zweikampfstark. So sah es auch der 28-jährige Routinier. »Wir haben bis zum Elfmeter alles im Griff.«
Vochatzer taucht überall auf
Großen Anteil daran hatte Mittelfeldmann Vochatzer, der in den vergangenen Partien unglücklich agierte und sich in einem kleinen Formtief befand. Die Worte seines Trainers (»da muss mehr kommen«) nahm er sich vor den 600 Zuschauern in Hollenbach offenbar sehr zu Herzen. Nach vorne tauchte der ehemalige Regionalliga-Kicker gefühlt überall auf und verteilte die Bälle clever an seine Teamkollegen. Nach hinten ackerte er und gab seinen jungen Mitspielern Anweisungen. Verständlich, dass er selbst nach seiner starken Leistung »angefressen« war.
Doch selbst nach dem Anschlusstreffer hielt sich der SSV zunächst wacker. Zwar wurden die Gäste tiefer in die eigene Hälfte gedrängt, setzten aber über Konter immer wieder Nadelstiche. Zwei gute Möglichkeiten spielten die Reutlinger jedoch zu unsauber aus und verpassten somit die Vorentscheidung.
Nur noch acht Feldspieler auf dem Platz
Und Reutlingen musste das nächste Handicap hinnehmen. In den letzten Minuten verletzten sich die Joker Philipp Majewski und Lino Kuhn. Da Strehmel zu diesem Zeitpunkt bereits fünfmal gewechselt hatte, stand seine Mannschaft zeitweise mit nur noch acht Feldspielern auf dem Rasen und versuchte, dem Druck irgendwie standzuhalten. »Als wir noch neun Feldspieler waren, haben wir es ganz gut gemacht«, analysierte Innenverteidiger Sladan Puseljic. Doch dann kam die erste Minute der Nachspielzeit. Eine Flanke konnte nicht mehr verhindert werden, am langen Pfosten köpfte Schiek unbedrängt ein. Der zu diesem Zeitpunkt ausgewechselte Vochatzer meinte: »Auch zu acht müssen wir es dem Gegner schwerer machen. Wenn jemand aus 30 Metern einen Ball reinhaut: okay. Aber es kann nicht sein, dass jemand aus fünf Metern frei zum Kopfball kommt.« Beim dritten Gegentor war dann nicht mehr viel zu verteidigen, der FSV zu diesem Zeitpunkt in einem Offensivrausch. Und so verabschiedete sich Vochatzer nicht als Matchwinner, sondern als tragischer Fast-Held des SSV Reutlingen.
Es war eine Pleite, die extrem schmerzte, weil der direkte Konkurrent in der unteren Tabellenregion an den Nullfünfern vorbeizog und den SSV weiter Richtung Keller schickte. Trainer Strehmel gab sich dennoch kämpferisch: »Ich kann versprechen, dass wir wieder aufstehen und es in den nächsten Wochen besser machen.« (GEA)

