REUTLINGEN. »Wir lieben Reutlingen, da gibt’s nur einen Verein«, schallt es wie bei jedem Heimspiel des SSV aus dem Fanblock der Szene E. Aber an diesem Nachmittag sind es nicht nur die Hardcore-Anhänger, die den Auftritt des Traditionsclubs feiern. Das ganze Stadion zieht beim 2:0 (2:0)-Sieg des Fußball-Oberligisten gegen den 1. Göppinger SV mit. Viele Torchancen oder Zauberfußball gibt es zwar nicht zu bestaunen, dafür aber eine Mannschaft, die ihr letztes Hemd gibt und kämpft, bis nichts mehr geht.
Das Ergebnis: »Ein Sieg des Willens«, wie es Innenverteidiger Jonas Vogler formulierte. Genau wie alle SSV-Kicker warf sich der 28-Jährige am bitterkalten und verregneten Samstagnachmittag in jeden Zweikampf, den er irgendwo auf dem Feld finden konnte und wurde dafür von den 670 Zuschauern gefeiert wie ein Torschütze. Nach dem Erfolg gegen den Regionalliga-Absteiger sind es genau diese Bilder, die im Kopf bleiben. Ein Luca Plattenhardt, der nach einem Defensivsprint mit gefühlten 30 Stundenkilometern angerauscht kam und den Ball vor dem Göppinger Angreifer weggrätschte. Ein eingewechselter Johannes Wally, der im eigenen Strafraum in höchster Not klärte.
»Wenn man einen Zweikampf gewinnt und die Fans einen draußen feiern, ist das einfach geil«
»Wenn man einen Zweikampf gewinnt und die Fans einen draußen feiern, ist das einfach geil«, berichtete Vogler. »Die kämpferische Leistung hat mir heute gefallen. Ich denke, genau das ist es, was die Zuschauer sehen möchten.« Trainer Alexander Strehmel machte seinen Jungs »ein Riesenkompliment«, weil sie genau das umsetzten, was er vor der Partie als Marschroute ausgegeben hatte: Keinen »Hurra-Fußball nach vorne«, dafür einen kämpferischen und kompakten Auftritt in der Defensive.
Was die Fans sonst noch sahen? Einen SSV Reutlingen, der es auch vorne besser machte als so häufig in dieser Spielzeit und seine Möglichkeiten eiskalt nutzte. Offensivmann Tom Ruzicka (33. Minute) und Kapitän Yannick Toth (40.) sorgten nach schnell und klar ausgespielten Umschaltmomenten für die Treffer gegen den Tabellenvorletzten um die Ex-Reutlinger Denis Lübke und Enrico Piu. »Endlich haben wir uns mal belohnt für den Aufwand, den wir betrieben haben«, freute sich Toth. »Wir hatten jetzt nicht so viele Chancen wie in den letzten Wochen, aber die, die wir hatten, haben wir reingemacht.«
»Seine Leistung war ein Symbolbild für unser Spiel heute. Er macht vorne das Tor und rettet im eigenen Strafraum. Ihm war kein Weg zu weit«
Zum Matchwinner avancierte dabei der neu in die Startformation gerückte Mittelstürmer Ruzicka, der gegen Göppingen allerdings über den Flügel kommen musste. »Ich weiß, das ist eigentlich nicht seine Position«, gab Strehmel später zu. »Aber seine Leistung war ein Symbolbild für unser Spiel heute. Er macht vorne das Tor und rettet im eigenen Strafraum. Ihm war kein Weg zu weit.«
Nicht nur beim durch Konstantinos Markopoulos und Luca Plattenhardt vorbereiteten 1:0 war der kräftige Angreifer zur Stelle. Vor dem zweiten Tor des Tages bewies er Köpfchen. Beim genialen Pass in die Tiefe von Marlon Gangloff kam er aus dem Abseits, griff aber nicht ein, sodass Teamkollege Toth frei auf den gegnerischen Sechzehner zustürmen konnte. Gedankenschnell rannte Ruzicka dann aber weiter mit und zog so noch zwei Verteidiger auf sich. Sein Kapitän hatte deshalb leichtes Spiel.
»Wir hatten fast immer alle Spieler schnell hinter dem Ball und dann immer wieder gefährliche Konter. Genau so müssen wir weitermachen. Es war eine sehr erwachsene Leistung«
Von der 46. Minute bis zum Abpfiff verwaltete die Heimelf ihre Führung cleverer als zuletzt gegen Normannia Gmünd, als ein zweifacher Vorsprung am Ende nicht zum Erfolg reichte (2:3). »Wir hatten fast immer alle Spieler schnell hinter dem Ball und dann immer wieder gefährliche Konter. Genau so müssen wir weitermachen. Es war eine sehr erwachsene Leistung«, sagte Strehmel. Besonderes Lob verdiente diese Tatsache vor allem deshalb, weil erneut neun Spieler zum Einsatz kamen, die 23 Jahre oder jünger waren. Beispielsweise die eingewechselten Wally und Jonathan Hageloch, die im zweiten Durchgang im Zentrum vor der Abwehr abräumten und sich wie die anderen Talente kaum Fehler erlaubten. Auffällig und extrem zweikampfstark spielte auch Linksverteidiger Ben Schaal. Am 23-Jährigen bissen sich sowohl Lübke als auch seine Teamkollegen immer wieder die Zähne aus. Zur Pause jedoch war für ihn Schluss. Eine Verletzung nach einem Schlag ins Gesicht bremste ihn aus.
Zur Wahrheit an diesem Tag gehört allerdings auch, dass Göppingen extrem schwach spielte und so gut wie keine Torgefahr ausstrahlte. So blieb Gäste-Trainer Pavlos Osipids nichts anderes übrig, als dem Strehmel-Team zu einem »verdienten Sieg« zu gratulieren.
Grund zur Freude hatte Moritz Kuhn. Nach über einem Jahr beim SSV wurde er in der 90. Minute eingewechselt und stand nach langer Verletzung erstmals bei den Kreuzeiche-Kickern auf dem Feld. »Er bringt viel Erfahrung und Positivität mit«, freute sich Strehmel. »Das ist genau das, was wir gerade brauchen.« Insbesondere in den nächsten beiden Begegnungen. Denn nächsten Samstag tritt Reutlingen beim Spitzenreiter VfR Aalen an, in der Woche darauf empfängt man den zweitplatzierten VfR Mannheim. (GEA)

