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Analyse: Warum der SSV Reutlingen trotz Top-Auftritt gegen Mannheim verliert

Die Fußballer des SSV Reutlingen erdrücken den Oberligazweiten VfR Mannheim über weite Strecken. Trotzdem verlieren sie 0:1.

Die SSV-Offensivabteilung um Tom Ruzicka (am Ball) trifft das Tor trotz zahlreicher Chancen nicht.
Die SSV-Offensivabteilung um Tom Ruzicka (am Ball) trifft das Tor trotz zahlreicher Chancen nicht. Foto: Jo Baur
Die SSV-Offensivabteilung um Tom Ruzicka (am Ball) trifft das Tor trotz zahlreicher Chancen nicht.
Foto: Jo Baur

REUTLINGEN. Über den Auftritt des SSV Reutlingen ließ sich nach der 0:1 (0:0)-Niederlage gegen den Oberligazweiten VfR Mannheim einiges sagen. Zum Beispiel, dass die Fußballer von der Kreuzeiche sich viele Tormöglichkeiten erarbeiteten. Zum Beispiel, dass sie den Favoriten über 70 Minuten dominierten und fast erdrückten. Zum Beispiel, dass sie kaum Chancen zuließen und in der letzten Reihe super standen. Von all dem wollte Trainer Alexander Strehmel nach dem Abpfiff aber nichts wissen. Die Wutschreie des 57-jährigen Ex-Profis schallten aus der Kabine durch den Innenraum der Arena. Es war eine Standpauke an seine Kicker, die sich gewaschen hatte. Auch sein Kapitän Yannick Toth war bedient. »Fußball ist eben ein Ergebnissport und deswegen könnte ich gerade kotzen, weil wir null Punkte geholt haben. Gegen den Tabellenzweiten, obwohl wir eigentlich besser waren.« Doch wieso eigentlich ging einmal mehr alles in die Hose?

»Dieses eine Tor müssen wir halt irgendwann machen. Du musst ein Tor schießen, um zu gewinnen«, sagte Jonathan Hageloch, der ein starkes Spiel bei seinem Debüt im defensiven Mittelfeld zeigte. Der 18-Jährige wusste genau wie die 690 Zuschauer im Stadion an der Kreuzeiche, dass sich der SSV mehr als genügend Möglichkeiten erarbeitet hatte. Luca Plattenhardt (59.), Tom Ruzicka (32., 60.) sowie Konstantinos Markopoulos (35., 54.) verpassten die besten, scheiterten entweder am überragenden VfR-Keeper David Nreca-Bisinger oder an sich selbst. Gerade der 19-jährige Ruzicka tauchte wieder und wieder gefährlich im Sechzehner auf, brauchte dann aber einen Moment zu lang oder schloss zu unplatziert ab.

Hätte der SSV zu Null spielen müssen?

Trainer Strehmel wiederum monierte: »In so einem Spiel muss man dann eben zu Null spielen und einen Punkt holen. Du darfst es aber nicht verlieren.« Dass das nicht gelang, lag daran, dass sein Team genau einmal nicht zur Stelle war. In der 73. Minute dribbelte sich Mannheims bester Torschütze Pasqual Pander über außen durch und wackelte im Strafraum SSV-Joker Philipp Majewski aus. Torwart Dominik Hozlinger versuchte zu retten, kam jedoch zu spät und brachte Pander zu Fall. Am Strafstoß des ehemaligen Erstligaspielers Alexander Esswein war er noch dran, doch der Ball sprang vom Innenpfosten rein. »Dominik kann man keinen Vorwurf machen«, betonte Strehmel.

Aber konnte er von seinem Team wirklich erwarten, gegen die stärkste Offensive der Liga kein Gegentor zu kassieren? Im Prinzip nicht. Denn wie üblich attackierte seine Elf extrem früh und ging gegen konterstarke Gäste damit in der Rückwärtsbewegung ein gewisses Risiko ein. Immer wieder rannten die VfR-Spieler in Gleichzahl mit den Verteidigern auf das letzte Drittel zu. Dass Mannheim (bisher 29 Treffer in 13 Ligaspielen) kaum gefährlich wurde, lag an der starken Leistung des Sechsers Hageloch sowie Vogler und Sladan Puseljic, die in der Innenverteidigung fast keinen Zweikampf verloren. Doch hätten sie es und es wäre dadurch zum Tor gekommen – einen Vorwurf hätte man ihnen nicht machen können.

Nicht alle Spieler mit 100 Prozent Einsatz

»Dass du nicht über 90 Minuten alles wegverteidigen kannst gegen so einen offensivstarken Gegner, ist, denke ich, auch klar«, meinte Kapitän Toth. Worüber sich Strehmel zu Recht aufregte, war die Tatsache, dass nicht alle seiner Mannen 100 Prozent aufs Feld brachten und die Körpersprache nicht bei jedem stimmte. Vor dem 0:1 schlief das Mittelfeld, keiner fühlte sich gegen den Ball zuständig. Der eingewechselte Majewski machte es Pander zu leicht. »Einige Spieler sind nicht an ihr Limit gekommen«, monierte der SSV-Coach. »Wir müssen weniger Ausreden suchen, sondern mehr Gas geben und uns aufs Wesentliche konzentrieren. Wir müssen die einfachen Dinge wieder richtig machen.«

Als »Lichtblick« bezeichnete er Hageloch. »Er hat eine Riesenpartie gemacht. Wenn alle mit so viel Herz und Leidenschaft gespielt hätten, hätten wir nicht verloren.« Kritik übte Strehmel an seinen Einwechselspielern. »Das war zu wenig, sie haben keine neuen Impulse gebracht, wenn man von Moritz Kuhn absieht.« Hier ließ sich der Kommandogeber vielleicht ein wenig zu sehr von den Emotionen der Niederlage leiten. Denn die jungen Elia Reichardt (19), Maxim Schmalz (19) und Johannes Wally (19) kamen in einer schwierigen Phase. Fünf Zeigerumdrehungen nach dem Gegentor wirkte Reutlingen verständlicherweise verunsichert und suchte nach dem Rhythmus. Zu spielen waren gerade mal noch zehn Minuten. Die Nullfünfer hatten zu diesem Zeitpunkt die großen Möglichkeiten, gegen den Favoriten etwas mitzunehmen, schon verpasst. (GEA)