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Wenn Alarmglocken schrillen

TÜBINGEN. Klein, aber fein. Unter diesem Motto förderte die LAV asics Tübingen in den letzten sechs Jahren in einem Top-Team ihre Spitzen-Leichtathleten. Unter der Schirmherrschaft der Dieter-Baumann-Promotion GmbH und dem Sponsor asics versuchte man so in der Anbindung an den Verein, die eigenen Leistungssportler nicht nur zu binden, sondern gleichzeitig finanziell abzusichern. Mit derart professionellen Strukturen schaffte man es immer wieder, als doch relativ kleiner Verein, der in der Breite wie in der Spitze gut aufgestellt sein will, auf höherer Ebene auf sich aufmerksam zu machen.

Die in der Region erfolgreichsten und bekanntesten Namen sind bislang dabei die Olympia- und Weltmeisterschafts-Teilnehmer Marius Broening (Sprint), Peter Rapp (Weitsprung), Filmon Ghirmai (Hindernislauf) und Arne Gabius (Langstrecke). Doch die Folgen der Wirtschaftskrise treffen nun nahezu ungebremst auch die Spitzen-Leichtathletik. Selbst die bislang als Kraftzentren der deutschen Leichtathletik bezeichneten Großklubs wie TSV Bayer Leverkusen, TV Wattenscheid, Eintracht Frankfurt, LAC Quelle Fürth, LAZ Leipzig oder der SC Potsdam spüren die finanziellen Einbußen und ringen mit ihren Weltklasse-Athleten heftigst um ihre Zukunft.

»Ich habe schon Angebote von anderen Vereinen vorliegen«

Noch viel schwerer haben es da die etwas kleineren Vereine. Immer schon waren an der Basis der olympischen Kernsportart Geldgeber und Sponsoren rar. Nur aufgrund hohen persönlichen Engagements einzelner wurden hier in der Vergangenheit immer wieder viele Talente entdeckt, herausgebildet und gefördert. Wenn von wenig aber gar nichts mehr fließt, dann ist die gesamte Existenz bedroht. Das ist das Strukturproblem der deutschen Leichtathletik und kein Gejammere, sondern Fakt. Echte Aushängeschilder kann sich somit kaum ein Verein noch leisten.

Zuletzt stellte die Salamander AG ihr Sportengagement für die LAZ Kornwestheim-Ludwigsburg ein, weshalb Topsprinter Tobias Unger auf der Suche nach einem neuen Verein ist. Naheliegend und reizvoll wäre gewesen, dass Unger nach Tübingen wechselt, zumal er sich hier wie sein Trainingspartner Marius Broening, der LAV-Mitglied ist und in der Unistadt lebt, als Student am Sportinstitut tummelt.

Doch aus diesem Traum dürfte nichts werden. Auch die ambitionierte LAV hat zurzeit an finanziellen Einbußen zu knabbern. »Wir haben uns tatsächlich mit einer Verpflichtung von Tobias Unger beschäftigt. Doch nicht finanzielle Gründe waren dafür ausschlaggebend, dass es nicht klappt«, stellt jedoch Dieter Baumann klar. Der Trainer und bisherige Teamchef erklärt, dass Unger einen anderen Ausrüster hat als die LAV und man so den ganzen Mann hätte transferieren müssen. Baumann: »Wenn man alle Fakten zusammenzählt, dann ist das für uns nicht drin.«

Ruhe ist im Moment auch nicht für die besten Tübinger Spitzenathleten drin, auch wenn bis zum Ende der Wechselfrist am 30. November noch Zeit ist. Sie hören Alarmglocken schrillen, denn sie wissen nicht, ob und wie es für sie in Tübingen weitergeht. »Ich warte jeden Tag auf eine LAV- Offerte, zumal ich schon Angebote von anderen Vereinen vorliegen habe«, sagt zum Beispiel Sprinter Marius Broening. Athleten bräuchten Planungssicherheit, mahnt er an. Darin wird er voll von Weitspringer Peter Rapp bestätigt. Beiden fehlt es in ihrem Heimatverein zurzeit ein bisschen an der Kommunikation und Transparenz. »Wir können doch nicht erst im November anfangen, zu verhandeln«, sagt Rapp. Der 26-jährige Betriebswirtschaftsstudent ist seit März Vater eines Söhnchens Jonas und verständlicherweise stark daran interessiert, ob er sich den Leistungssport überhaupt noch leisten kann.

»Wir gehen davon aus, dass wir unseren vier Topleuten wieder ein Angebot machen können«, sagt Baumann. Der Olympiasieger von 1992 weist aber daraufhin, dass strukturell das bisherige Top-Team künftig näher an den Verein gebunden werden soll: »Ich will Trainer sein und nicht mehr länger auch noch Manager.« LAV-Vorsitzender Eugen Höschele bestätigt dies: »Wir wollen uns als Klub noch straffer aufstellen, und es ist der erklärte Wille des Gesamt-Vorstands, alle vier weiterhin an unseren Verein zu binden.« Und weiter sagt er: »Schließlich ist zum Beispiel der Marius das Gesicht schlechthin für all unsere Kinder und wie der Fili, der Peter und der Arne für die Identifikation ganz wichtig.« Dennoch will Höschele den Athleten gegenüber seriös auftreten und räumt ein, dass für deren neue Verträge zurzeit erst mit dem Namensgeber des Vereins frisch verhandelt werden muss.

Asics habe weltweit sein Engagement auf den Prüfstand gestellt und reduziert. So auch bei der LAV Tübingen. Höschele: »Wir sind aber zuversichtlich, dass wir einen guten, neuen Kontrakt hinbekommen.« Bis in zwei Wochen will man dann mit den Sportlern übereinkommen.

Broening, der zurzeit seine Bundeswehr-Grundausbildung in Dillingen an der Donau absolviert und am vergangenen Samstag 26 Jahre alt wurde, brennt jedenfalls vor Ehrgeiz. Der drittschnellste Deutsche (10,24 Sekunden) will 2010 zur EM nach Barcelona, 2012 zu Olympia nach London und hat auch noch die Spiele 2016 in Rio auf seinem Plan.

»Ich sehe mich in meiner Heimatstadt nicht in Ketten angebunden«

Dabei liebäugelt er durchaus damit, auch mal mit seinem Freund, Studienkollege und Trainingspartner Unger für einen Verein zu starten: »Das wäre eine schöne Sache, mit dem Tobi ein Vereinstrikot tragen zu können und vielleicht auch mal in der Staffel für einen Verein gemeinsam den deutschen Meistertitel zu holen.« Zugleich ist er wegen des absehbaren Endes seines Studiums nicht abgeneigt, »mal Neuland zu betreten und meine Persönlichkeit bei einem anderen Verein weiterzuentwickeln, denn ich sehe mich in meiner Heimatstadt nicht in Ketten angebunden.«

Neu in Tübingen »angeheuert« hat inzwischen dafür schon mal ein vielversprechendes Talent, das zurzeit bei der Familie Baumann wohnt und ins Uhland-Gymnasium geht. Der erst 17 Jahre alte Gregor Traber, als Jugend-WM-Teilnehmer erfolgreichster Athlet des FB Friedrichshafen, hat seiner Heimat am Bodensee den Rücken gekehrt.

Wie der gleichaltrige Engstinger Moritz Riekert von der TuS Metzingen zählt auch er über 110 m Hürden zu den deutschen Talenten schlechthin. Grund für Trabers Umzug nach Tübingen war der Wechsel seines Trainers Dorinel Andrescu, der schon seit dem Frühling für die LAV arbeitet und auch für den Landes-Kader Mehrkampf verantwortlich ist. »Wir haben tolle Athleten, doch wir müssen als Verein auch darauf achten, uns zu verjüngen«, sagt Baumann dazu und kündigt bis Ende November noch weitere Neuzugänge an. (GEA)