HEILIGKREUZ. Reutlingen hat einen Weltmeister im Straßenradsport. Der für den GSV Reutlingen startende Max Jehle heißt der Goldmedaillengewinner, der im polnischen Heiligkreuz im Einzelzeitfahren triumphierte und in drei weiteren Disziplinen Top-Ten-Plätze erreichte.
Der Sieg bei den Welt-Titelkämpfen kam für ihn überraschend, ließ Jehle in einem Telefonat mit dem GEA über einen Dolmetscher mitteilen. In allen Disziplinen, in denen der 31-Jährige an den Start ging, sei es »an der Spitze sehr eng« gewesen. Im Punkterennen verpasste Jehle als Vierter denkbar knapp eine weitere Medaille. Im 1.000-Meter-Sprint landete er auf Platz neun, im Straßenrennen erreichte er als Zehnter das Ziel.
Jehle wohnt in Erbach im Alb-Donau-Kreis und ist seit der Geburt schwerhörig. Er ist voll berufstätig und trainiert drei oder vier Mal pro Woche in den Abendstunden. »Oft bin ich allein unterwegs«, lässt er mitteilen. Allerdings trainiere er auch regelmäßig in einer Gruppe mit Hörenden.
Am 17. April 1982 wurde der Gehörlosen-Sportverein (GSV) Reutlingen ins Leben gerufen. Im Jahr 2019 wurde die Radsport-Abteilung gegründet. Als 1. Vorsitzender beim GSV fungiert derzeit Michael Scheit.
Jehle, der sich seit frühester Kindheit dem Radsport verschrieben hat, kam von einem Verein am Bodensee zum GSV Reutlingen. Bei deutschen Meisterschaften der Gehörlosen hat er schon einige Medaillen eingeheimst, »ich war aber noch nie deutscher Meister«.
In Heiligkreuz stand Jehle zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft an der Startlinie. Und sorgte gleich für einen Paukenschlag. Im Zeitfahren über 27 Kilometer schlug seine große Stunde. Jehle wurde in 38:40 Minuten gestoppt und verwies den Polen Pawel Arciszewski mit 44 Sekunden Rückstand auf Platz zwei. Dritter wurde der Grieche Panagiotis Chionis (47 Sekunden zurück), Vierter Felix Wahala (1:23 Minuten zurück) vom TSV Oberammergau.
18 verschiedene Nationen nahmen an dieser Gehörlosen-WM der Radsportler teil. Deutschland stellte mit zwei Goldmedaillen, drei silbernen Plaketten, zwei Bronzemedaillen und drei vierten Plätzen das erfolgreichste Team.
Nach dem WM-Triumph in Polen möchte Jehle auch nächstes Jahr für positive Schlagzeilen sorgen. »Mein Ziel ist die Olympiade der Gehörlosen«, erzählt er. Auf weltweiter Ebene werden die Deaflympics (Gehörlosen-Weltspiele) jeweils ein Jahr nach den Olympischen Spielen veranstaltet. Die Deaflympics sind wie die Paralympics ein vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannter Verband. An den Paralympics nehmen Gehörlose bisher nicht teil. (GEA)