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Hamburg sticht Berlin beim Kandidaten-Casting aus

FRANKFURT. Es war 19.11 Uhr am gestrigen Montag, als für den deutschen Sport so etwas wie eine neue Zeitrechnung begann. Eingerahmt von Vorstandsmitgliedern und Präsidiumskollegen des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) verkündete DOSB-Boss Alfons Hörmann bei einer gut besuchten Pressekonferenz in einem Hotel im Frankfurter Stadtwald, dass sich Deutschland mit dem Konzept von Spielen am Wasser um die Ausrichtung von Olympia 2024 bewerben wird.

Olympische Ringe. Foto: dpa
Olympische Ringe.
Foto: dpa
»Der einmütige Vorschlag des DOSB-Präsidiums lautet Hamburg«, sagte Hörmann und betonte, dass die »schwere Entscheidung« kein Votum gegen Berlin sei. Seit einem Jahr hatten sich die Hansestadt und die Hauptstadt einen Zweikampf geliefert. Auch wenn erst die außerordentliche DOSB-Mitgliederversammlung am kommenden Samstag in der Frankfurter Paulskirche die Kandidatur offiziell auf den Weg bringen wird, die Würfel sind durch den laut Hörmann »nicht einstimmigen, am Ende aber einmütigen« Beschluss für Hamburg gefallen. Sieben Präsidiumsmitglieder der Dachorganisation hatten nach den zweitägigen Beratungen und Expertenanhörungen ihr Urteil gefällt, Hörmann enthielt sich »aus Gründen der Neutralität« der Stimme. Dass die Wahl auf die Elbmetropole fiel, war zum Zeitpunkt der offiziellen Bekanntgabe keine Überraschung mehr. Schon eine Stunde zuvor hatte erst Radio Berlin Brandenburg (RBB) und danach auch der Flurfunk im Tagungshotel Hamburg als Gewinner des Kandidaten-Castings vermeldet. Sehr zur Verwunderung von Hörmann, da die finale Abstimmung zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht stattgefunden hatte. Dass die wichtigsten Kriterien eines Zehnpunkte-Katalogs aber für Hamburg sprachen, war aber weitgehend bekannt. Gepunktet hat Hamburg vor allem mit dem Ergebnis der Bürgerbefragung, das in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. Demnach hatten sich in einer repräsentativen Umfrage 64 Prozent der Hanseaten für Spiele vor ihrer Haustüre ausgesprochen, in Berlin waren es nur 55 von 100 Einwohnern. Auch die Ablehnung war mit 32 Prozent in Hamburg deutlich geringer als in Berlin (39). Hörmann nannte »die Stimmungslage in der Stadtgesellschaft« als eines von drei Hauptkriterien. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Hamburger bei der im September durchzuführenden Volksabstimmung mehrheitlich für Spiele in ihrer Stadt aussprechen, ist jedenfalls deutlich größer, als es ein entsprechendes Bürgervotum in Berlin wäre. Der DOSB wollte auf jeden Fall die Gefahr minimieren, ein womöglich ähnliches Debakel zu erleben wie vor zwei Jahren in München, als sich die Majorität gegen Winterspiele 2022 ausgesprochen hatte. Als weiteren Hauptgrund für die Entscheidungsfindung bezeichnete Hörmann das Plazet der 33 Fachverbände, die am Sonntag ihre Vorstellungen dargelegt hatten. 18 Organisationen hätten pro Hamburg votiert, elf Berlin präferiert und vier sich für beide Bewerber ausgesprochen. Eine gemeinsame Kandidatur Berlin-Hamburg war für den DOSB allerdings keine Option mangels Erfolgsaussichten bei der Wahl durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Juli 2017. Dagegen, so Hörmann, passe das »faszinierende und kompakte Olympiakonzept« von Hamburg zur neuen IOC-Agenda, die Gigantismus ablehnt und das Primat der Nachhaltigkeit betont. Hamburg, das 2003 als deutsche Bewerberstadt für die Spiele 2012 gegen Leipzig unterlegen war, hat mit dem Zuschlag durch das DOSB-Präsidium erst einen kleinen Schritt zum großen Fernziel getan. Auch wenn die Hanseaten »Feuer und Flamme« für das Milliardenprojekt sein sollten, die Stadt muss sich starker internationaler Konkurrenz erwehren. Die USA hat bereits mit Boston den Hut in den Ring der Ringe geworfen, auch Rom outete sich schon als Bewerber. Zudem erwägt Paris eine Kandidatur. Budapest, Istanbul, Doha und Baku gelten ebenfalls als potenzielle Interessenten. Die neue Zeitrechnung des deutschen Sports könnte schon in 16 Monaten enden. Aber die Kandidatur soll ja auch im Falle eines Falles für 2028 noch gelten. (GEA)