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Erst am Ende gewohnte Schritte

STUTTGART. Die wahre Größe eines Sportlers zeigt sich in der Niederlage. »Gegen einen starken Michael Maze nach einem 0:3-Rückstand vier Sätze in Folge zu gewinnen, ist sehr schwierig. Zu Beginn hat er mich überrollt«, stellte Timo Boll nach seiner 3:4-Halbfinal-Niederlage gegen den späteren Europameister aus Dänemark fest. Männer-Bundestrainer Richard Prause schlug in die gleiche Kerbe: »Gegen Maze in dieser Form kann man verlieren.« Der Coach trauerte dem zweiten Durchgang nach, in dem sein Schützling einen 7:5- und 10:9-Vorsprung nicht heimbrachte.

Titelverteidiger Boll saß bei seinem EM-Fazit im Pressekonferenz-Raum in der Porsche-Arena. Und lächelte. Der Grund für seine Zufriedenheit trotz der wenige Augenblicke zuvor erlittenen Niederlage gegen Maze: »Ich war vor dem Turnier sehr skeptisch.« Skeptisch, dass er diese Veranstaltung gesund zu Ende spielen kann. Boll: »Ich war zu Beginn sehr gehemmt, sehr vorsichtig.« Schließlich habe er sich »von Tag zu Tag besser bewegt« und an den beiden Schlusstagen »wieder gewohnte Schritte gemacht«. Und das sei für ihn »die wichtigste Erkenntnis« dieser EM gewesen.

»Wir wollten keine Wasserstands-Meldungen abgeben«

Die 28-jährige deutsche Tischtennis-Galionsfigur mit den chronischen Rückenproblemen hatte Bedenken, diese kontinentalen Titelkämpfe körperlich durchzustehen - und keiner wusste Bescheid? Weshalb haben die Verantwortlichen des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) gemauert und der Öffentlichkeit nicht reinen Wein über den Gesundheitszustand ihrer Nummer eins eingeschenkt? »Wir wollten keine Wasserstands-Meldungen abgeben«, erklärte Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig. Der Verband habe vor der EM durchaus kommuniziert, dass Boll seine Wettkampfphase reduziert und dafür an seiner körperlichen Fitness gearbeitet habe.

Weil aber die Probleme von Boll unter der Decke gehalten wurden, gab es in und rund um die Porsche-Arena viele Spekulationen. Er werde vor jedem Turniertag fit gespritzt, hieß es immer wieder. »Humbug«, sagte Prause darauf. Boll selbst hielt sich bei dieser Fitspritzen-Frage stets bedeckt und betonte lediglich, dass der Kopf noch nicht das nötige Vertrauen in den Körper habe.

Letztlich ist es gut gegangen. Und deshalb sitzt Boll mit zwei Goldmedaillen im Gepäck auf dem Podium. Und denkt bereits an seine nächste chinesische Woche, wie die Tischtennis-Spieler ihre englischen Wochen bezeichnen. »Am Freitag spiele ich mit Düsseldorf in der Champions League in Polen.« (GEA)