ENINGEN. Franziska Brauße kann sich noch genau an den Moment erinnern, als sie von dem Unfall der Männer-Bahnrad-Nationalmannschaft auf Mallorca erfuhr. Sie erhielt von ihrem Trainer morgens ein Bild geschickt. Darauf war ein Nationalkader-Fahrer zu sehen, der im Krankenwagen lag. »Das war mega-schockierend. Ich dachte: Krass. Das hätte auch mir passieren können«, schildert die Eningerin ihre Gedanken.
Vor einer Woche hatte sich der Unfall auf der Ferien-Insel, die bei Radrennfahrern ein beliebtes Trainings-Terrain ist, ereignet. Ein Auto hatte die sechs Fahrer von hinten angefahren. Es gab Schulterbrüche, Gehirnerschütterungen, weitere Frakturen, auch ein Lungenhämatom. Sie hatten offenbar noch Glück im Unglück und können nach ersten Diagnosen ihre Karrieren fortsetzen. Das Ganze hatte sich direkt neben dem Flughafen von Palma de Mallorca ereignet. Brauße kennt die Stelle, weil sie dort selbst schon öfter mit dem Nationalteam gefahren ist. Sie wundert sich, wie es passieren konnte: Der Seitenstreifen sei relativ breit, es gebe überall genügend Platz zum Überholen.
Auch im Flugzeug das Thema
Der Vorfall sei überall das Thema gewesen - auch im Flugzeug, als sie sich mit einer italienischen Ex-Teamkollegin unterhielt. »Man überlegt, ob man etwas hätte anders machen können.« Etwa Rücklichter am Rad zu haben oder auffallende Farben bei der Trainingsbekleidung. Es helfe auch, wenn ein Auto hinter der Gruppe sie ein bisschen vom folgenden Verkehr abschirme. Brauße: »Aber der Bundestrainer kann nicht sechs Stunden komplett hinter einem herfahren. Dafür hat er nicht die Zeit.«
Der Vorfall von Mallorca ist kein Einzelfall. In den vergangenen Jahren hatten sich mehrere schwere Unfälle ereignet. Der deutsche Top-Profi Lennard Kämna musste im Vorjahr nach einem Zusammenprall mit einem Auto einige Zeit auf der Intensivstation bleiben. Sara Piffer, ein italienisches Rad-Talent, überlebte vor Kurzem ein solches Unglück nicht. Der Eindruck drängt sich auf, als ob die Zahl der Zusammenstöße von Autos mit Radsportlern zunehmen würde. »Vielleicht häufen sich ingesamt die Unfälle«, versucht Brauße einen Erklärungsansatz.
Das Risiko fährt auf der Straße mit
Radsportler wissen, dass bei Trainingsfahrten über Stadt und Land das Risiko mitfährt. »Es kann immer etwas passieren«, erklärte Moritz Augenstein, einer der sechs auf Mallorca Verletzten, der Pforzheimer Zeitung. Brauße wird noch deutlicher. »Unser Sport ist einfach gefährlich«, sagt die 26-Jährige. Sie selbst trainiert im Sommer viel auf der Schwäbischen Alb. Auch weil sie das Gefühl hat, »dass da weniger Autos unterwegs sind«.
Bleibt solch ein Schock-Erlebnis wie der Unfall der Teamkollegen bei Palma im Kopf haften? Brauße nennt ein Erlebnis, das sie wenige Tage später hatte, als sie sich mit dem Fahrrad zum Einkaufen auf den Weg machte. Als die Mannschafts-Olympiasiegerin von Tokio dann hinter sich ein Auto hörte, »habe ich schon gemerkt, wie ich mich ein bisschen anspanne. Aber das wird sich legen«, ist die deutsche Omnium-Meisterin überzeugt. (GEA)