Einen ungewöhnlichen Rahmen hat der SV Poltringen für sein berühmtestes Vereinsmitglied gewählt: Im Festzelt während der örtlichen Kirbe geht der Empfang über die Bühne, nur wenige Meter von Box-Autos, Ketten-Karussell und Schiffs-Schaukel entfernt. »Wir dachten, das Fest würde gut reinpassen und ist ein schönes Umfeld«, sagt der SV-Vorsitzende Manfred Fahrner, der genau wie alle am und im Zelt natürlich sehr stolz auf die junge Frau ist, die hier das Fußball spielen lernte und schon früh so gut war, dass sie bei den Jungs mitkicken durfte, weil es anfangs noch kein Mädchen-Team gab. Schon damals, sorgt Fahrner später am Mikrofon für Erheiterung, hätten die Zuschauer über Kim gesagt: »Der Kerle isch dr Beschde.«
Kaum ist Kulig, mit der EM-Goldmedaille am Hals, der Kutsche entstiegen, schüttelt ihr schon der Bürgermeister die Hand. Friedrich von Ow-Wachendorf, der Chef der Gemeinde Ammerbuch, zu der Poltringen gehört, lobt Kims »Heimatverbundenheit« und betont, dass sie »ein Ansporn für die Jugend« sei.
Für Kulig ist es der erste Besuch in der Heimat seit Monaten. Die Vorbereitung auf die Europameisterschaft in Finnland, das Turnier selbst sowie der Saisonstart bei ihrem Bundesliga-Klub Hamburger SV forderten ihren Tribut. »Ich war schon lange nicht mehr da. Es ist auf jeden Fall schön, wieder hier zu sein, auch wenn’s nur kurz ist«, sagt die defensive Mittelfeldspielerin, die in diesem Jahr zur Senkrechtstarterin im deutschen Team avancierte. In der Auftakt-Partie gegen Norwegen war sie zur »besten Spielerin« gewählt worden, beim 6:2-Final-Sieg über England krönte die rotblonde Teenagerin ihr Traum-Jahr mit einem Tor. Über den denkwürdigen Moment, als die deutschen Frauen für ihren Titelgewinn auf dem Frankfurter Römer von 8 000 Fans gefeiert wurden, sagt sie ganz sachlich und unaufgeregt im Rückblick: »Das war etwas Großes. So viele Leute hatten wir nicht erwartet.«
Dasselbe gilt auch für das Festzelt in Poltringen. Die Gymnasiastin Kulig hat für diesen Tag nach eigener Aussage »schulfrei bekommen«, ihr Vater fuhr sie nach der Bundesliga-Partie in Essen in das 1 700-Seelen-Dorf, heute fliegt sie schon wieder zurück nach Hamburg. In diesem Moment aber, in der schwäbischen Heimat, steht die D- und E-Jugend für die gebürtige Herrenbergerin Spalier und schwenkt Deutschland-Fähnchen. Der ganze Ort hat sich im Festzelt versammelt, die Begeisterung ist groß, als Kulig die Bühne betritt. Geschenke gibt’s, Kim wird mit garade mal 19 Jahren zum Ehrenmitglied des SV Poltringen ernannt und Dieter Mäußnest vom Württembergischen Fußball-Verband freut sich, dass man nun mit Kulig »ein Idol« habe.
Die Hauptperson nimmt den Jubel und die Lobreden strahlend und staunend hin. Schließlich muss sie selbst ans Mikrofon. »Das ist ein ganz cooler Empfang. Ich seid alle echt klasse«, ruft sie in die Runde. Auf Autogramme hat sie sich eingestellt. »Es gab viele Anfragen in der Familie.« Aber dann ist die Bühne förmlich umlagert. Ein Vorgeschmack auf das, was auf sie zukommen könnte, wenn Kulig auch bei der WM 2011 zum Nationalteam gehören sollte. Fahrner lächelt: »Dann brauchen wir vielleicht ein anderes Festzelt.« (GEA)