RABAT. Der Tübinger Hindernisläufer Frederik Ruppert hat für großes Aufsehen in der deutschen Leichtathletik-Szene gesorgt. Am Sonntagabend pulverisierte der Athlet von Trainerin Isabelle Baumann bei seinem offiziellen Saisoneinstieg über die 3.000 Meter beim Diamond-League-Meeting in Rabat den deutschen Rekord. Nach 8:01,49 Minuten stürmte er in der marokkanischen Hauptstadt mit ausgebreiteten Armen als Zweiter jubelnd über die Linie. Auf sensationellen letzten Metern schnappte sich Ruppert gar fast noch Lokalmatador und Olympiasieger Soufiane El Bakkali, der in 8:00,09 Minuten Weltjahresbestzeit lief.
Der Wahl-Tübinger, der im Jahr 2023 zur Trainingsgruppe der LAV Stadtwerke stieß, konnte nicht glauben, was er gerade vollbracht hatte. »Unglaublich, ich kann es nicht fassen. Ich habe mich gut gefühlt, also wollte ich schnell angehen. Auf dem letzten Kilometer habe ich realisiert, dass ich für eine Zeit um 8:09 Minuten nur einen langsamen Kilometer brauche, was schon großartig gewesen wäre. Aber ich habe weiter Gas gegeben und bin bei 8:01 Minuten gelandet«, sagte Ruppert: »Ich hatte den deutschen Rekord im Hinterkopf, aber ich hätte nie gedacht, dass ich so schnell laufe. Nur eine Sekunde am Europarekord vorbei – oh mein Gott, nie hätte ich das gedacht.«
»Es war, als ob ich Flügel habe. Ich habe einen nach dem anderen eingesackt«
Es war eine Fabelzeit. Nur zwei Europäer rannten jemals schneller über die 3.000-Meter-Hindernis. Den deutschen Rekord aus dem Jahr 1999 von Damian Kallabis (8:09,48 Minuten) drückte der Tübinger um sage und schreibe acht Sekunden. Seine persönliche Bestzeit, die er beim EM-Finale 2024 in Rom aufgestellt hatte, verbesserte er um 14 Sekunden – und das beim ersten Rennen der Saison.
Dabei hatte der aus Aachen stammende Profi zunächst gar kein so gutes Gefühl. »Beim Warmmachen habe ich mich, um ehrlich zu sein, nicht so gut gefühlt«, erzählte er im Gespräch mit dem GEA. Das änderte sich aber schlagartig, als er das Stadion betrat und die besondere Atmosphäre aufsaugte. »Da hat sich ein Schalter in meinem Kopf umgelegt. Ich habe mir gesagt, ich muss einfach probieren, mutig zu sein.« Auf der Strecke erlebte er dann das »perfekte Rennen«. »Es war, als ob ich Flügel habe. Ich habe einen nach dem anderen eingesackt. Zu sehen, dass die anderen fast stehengeblieben sind, während ich zulegen konnte, hat mir zusätzlich Kraft gegeben.«
»Im vergangenen Jahr habe ich gemerkt, dass ich konstanter um 8:15 Minuten gelaufen bin, nur der eine Ausrutscher nach oben hat gefehlt «
Dass seine Zeit eine Eintagsfliege war, denkt Ruppert nicht. Die gute Form habe sich schon in der Vorbereitung angedeutet. »Aber das dann in den Wettkampf zu bringen, ist etwas anderes.« Seit seinem Wechsel zur Tübinger Trainingsgruppe befindet sich der 28-Jährige im Aufschwung. »Im vergangenen Jahr habe ich gemerkt, dass ich konstanter um 8:15 Minuten gelaufen bin, nur der eine Ausrutscher nach oben hat gefehlt.« Der schlaksige Läufer sicherte sich zudem die deutsche Meisterschaft und Rang vier bei der EM. Ein großes Lob hat er für seine Trainerin übrig: »Sie bringt viel Rückhalt und Konstanz rein.« Neue Wege gingen die beiden und integrierten beispielsweise Höhentrainingslager in die Vorbereitung. »Was ich besonders schätze, ist, dass sie offen für Neues ist und auf jeden Einzelnen ganz persönlich eingeht.«
Baumann sah das große Potenzial in ihrem »Musterschüler« bereits unmittelbar nach dem Wechsel und schätzte ihn als »stärksten deutschen Hindernisläufer« ein. »Ich denke, dass er noch deutlich unter seiner Bestzeit von 8:15 Minuten laufen kann«, sagte sie damals und behielt recht. Immer wieder appellierte sie an Ruppert, aufgrund seiner »enormen Fähigkeiten« mehr an sich selbst zu glauben.
»Die beste Zeit eines Läufers in diesem Jahrhundert. Ich hatte Gänsehaut beim Schauen«
In Rabat tat Ruppert genau das und stieß deshalb in völlig neue Sphären vor. Fast unter ging dabei, dass er die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Tokio, die er als Ziel ausgegeben hatte, klarmachte. Der Coup sorgte für Schlagzeilen in der Leichtathletik-Welt. »LEGENDE!« kommentierte der dreifache deutsche Meister und Mittelstreckenspezialist Robert Farken via Instagram. »Die beste Zeit eines Läufers in diesem Jahrhundert. Ich hatte Gänsehaut beim Schauen. Das hatte ich ewig nicht. Wow. Glückwunsch«, schrieb Marathon-Europameister Richard Ringer. Viel mehr Worte braucht es nicht. (GEA)