PLIEZHAUSEN. Die Fans grölten, jubelten und feierten ihre Stars beim 33. Internationalen thallos Läufermeeting in Pliezhausen. Es wehte ein Hauch von Olympia durchs Schönbuchstadion, denn nicht nur die nationale Spitze gab sich die Ehre. Auch die Hoffnungen für die Olympischen Spiele in Paris um Superstar Malaika Mihambo, Joshua Abuaku und Gesa Felicitas Krause traten an und setzten Ausrufezeichen. Geboten war nicht weniger als ein Spektakel. Gleich vier neue Meeting-Rekorde zeugen vom immer stärkeren Niveau des Erfolgs-Events. Auch wurden erneut einmalige Geschichten geschrieben, die es so wohl nur in der 9.000-Einwohner-Gemeinde gibt.
Gesa Krause zeigt Weltklasse
Größer hätte das Ausrufezeichen nicht sein können, das die deutsche Rekordhalterin über 3.000 Meter Hindernis am Sonntag bei ihrem Freiluft-Auftakt 2024 auf die Strecke zauberte. Auch die internationale Konkurrenz dürfte da genau hingeschaut haben. Im 1.000-Meter-Rennen verbesserte die Olympia-Anwärterin ihre persönliche Bestzeit um gleich vier Sekunden auf 2:37,96 Minuten, was Platz zwei hinter Martyna Galant aus Polen (2:37,28) bedeutete. »Wahnsinn, ich hätte nicht erwartet, dass das überhaupt so schnell geht«, sagte die Starterin vom Club Silvesterlauf Trier danach und grinste. Ob sie schon ahnte, dass es noch besser kommen würde? Ihre Top-Form im EM- und Olympia-Jahr unterstrich sie beim zweiten Auftritt. Mit dem ersten Rennen in den Knochen packte sie auf der Schlussrunde des 2.000-Meter-Hindernis-Laufes einen Schlussspurt aus, der ihr den Sieg und einen neuen Meeting-Rekord (6:13,15 Minuten) einbrachte. »Ich habe richtig Bock auf die Saison«, meinte Krause danach. »Ich freue mich, meine eigenen Bestzeiten anzugreifen.« Olympia kann kommen. Die zweifache Europameisterin ist nach der Geburt ihrer Tochter im April des vergangenen Jahres in Weltklasse-Form. Auch über die 2.000 Meter der Männer fiel der Rekord. Der Brite Phil Norman verbesserte ihn um drei Sekunden auf 5:25,50 Minuten.
Kein Rekord, kein Sieg, aber eine strahlende Mihambo
Gleich zweimal musste Olympiasiegerin Malaika Mihambo ihrer großen Pliezhausen-Widersacherin Lisa Nippgen den Vortritt lassen, die ihr im Vorjahr den Streckenrekord weggeschnappt hatte. An ihrer Laune kratzte das aber nicht im Geringsten. Nach ihrem zweiten Rennen strahlte sie über beide Ohren. Der Grund: Mit einem zweiten Rang über 80 Meter und einem dritten Platz über 150 Meter war sie zufrieden. »Ich bin schnell unterwegs für diese Jahreszeit«, erklärte die Weitsprung-Spezialistin nach ihren 17,56 Sekunden über die längere Distanz. »Die Zeit ist sehr gut, das wird meinen Trainer freuen.« Nippgens Siegerzeit lag bei 17,38 Sekunden. Über 80 Meter sprintete die Starterin der MTG Mannheim nach 9,57 Sekunden über die Linie, Mihambos Zeit lag bei 9,61 Sekunden. Ein Streckenrekord über 80 Meter war nicht drin, da der Wettergott die Bahn kurz vor dem Start mit Regen überschwemmte.
Top-Talent schneller als Mihambo
Die deutsche Senkrechtstarterin im 100-Meter-Hürdenlauf, Rosina Schneider, hatte angekündigt, »die Großen ärgern zu wollen«. Das tat sie. Die 19-Jährige vom TV Sulz rannte über 150 Meter (17,53 Sekunden) schneller als die dreifache deutsche Sportlerin des Jahres, Malaika Mihambo, und wurde Zweite. »Es hat sich richtig gut angefühlt«, schwärmte sie nach der starken Leistung im super besetzten Feld. »Ich war aber ein wenig nervös«, gestand die Wiesenstetterin (Empfingen). Diese münzte sie dann aber in Adrenalin und positive Energie um. Über 80 Meter reichte es in 9,81 Sekunden zu Platz drei. Die Europameisterschaft ist für die Senkrechtstarterin in greifbarer Nähe.
Weltstars zum Anfassen
Tobias Gronstad riss sich sein Hemd vom Leib, feierte ausgelassen mit den Fans und brüllte: »Lets fucking go.« Im 600-Meter-Rennen hatte der Norweger Großes geschafft. Nicht nur verbesserte er den Meeting-Rekord, sondern schnappte sich im Schönbuchstadion auch gleich noch die norwegische Landes-Bestzeit. Einen besseren Ort für seinen Triumph hätte er sich nach eigenen Worten nicht aussuchen können. »Es ist so unglaublich. Das Publikum ist so nah dran wie sonst nirgends. Es hat mich zum Sieg getragen. Es war das beste Rennen, das ich je hatte.« Die außergewöhnlich »familiäre« Stimmung lobten ebenfalls die Welt-Stars Mihambo, Krause und viele weitere. Auch die Zuschauer kamen auf ihre Kosten. Denn die Top-Starter nahmen sich für jeden Fan Zeit. Machten ein Foto nach dem anderen und unterschrieben fleißig Autogramme. Kein Wunder also, dass bei dieser besonders freundlichen Stimmung so viele Fans wie nie zuvor vorbeischauten. Rund um die Laufbahn verteilten sich die über 2.000 Schaulustigen. Einen Platz in der ersten Reihe zu bekommen, gestaltete sich als schwierig. »Überragend«, freute sich Meeting-Chef Thomas Jeggle über den Erfolg.
Ein ganzes Jahr Arbeit
365 Tage im Jahr beschäftigt sich Thomas Jeggle vom LV Pliezhausen mit dem immer beliebter werdenden Wettkampf. Direkt nach dem Ende gehen auch schon die Planungen fürs kommende Jahr los, um das Meeting noch besser zu machen, berichtete er. Der Pliezhäuser Erfolg kommt also nicht von irgendwoher, sondern ist das Ergebnis harter Arbeit. Am Sonntag unterstützten über 100 Helfer.
Lokalsportler treffen auf ihre Idole
»Der Nachwuchs und die Weltklasse. Alle stehen hier auf einer Bahn«, sagte Gesa Felicitas Krause und sah darin neben den »krummen Strecken« über unübliche Strecken und der »tollen Stimmung« den Hauptgrund für die immer größere Beliebtheit des Wettkampfs zum Saisoneinstieg bei vielen Top-Athleten.
Weltklasse-Hürdenläufer straucheln
Es war nicht der Tag der Favoriten in Pliezhausen. Zunächst strauchelte die fünffache deutsche Meisterin Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen) vor einer Hürde über die 300 Meter und verpasste den Sieg (40,31 Sekunden), der an Eileen Demes vom TV 1861 Neu-Isenburg ging (39,54). Die trumpfte im zweiten Rennen groß auf und verbesserte sogar die Pliezhausen-Bestmarke (38,87). Wieder hatte Krafzik, die die EM in Rom anpeilt, als Zweite das Nachsehen. Nicht besser erging es Joshua Abuaku (Eintracht Frankfurt), der bei Olympia in Paris ins Finale möchte. Beim ersten 400-Meter-Rennen stürzte der Deutsche und schied aus. Im zweiten Lauf musste sich der Favorit mit Weltklasse-Format Dany Brand (Schweiz) geschlagen geben, der in 35, 32 Sekunden gewann.
Aus Nigeria zum Sieg
Es sind auch diese Geschichten, die Pliezhausen zu einem ganz besonderen Termin im Kalender der Leichtathleten machen. Eine lange Anreise hatte der Sieger im 80- und 150-Meter-Rennen hinter sich. Enoch Adegoke aus Nigeria verpasste die Meeting-Rekorde in 8,55 und 15,33 Sekunden nur um Haaresbreite. Bereits im Vorjahr ging er an den Start und wollte unbedingt wieder dabei sein. Auch fürs nächste Jahr hat er schon Pläne: »Ich komme wieder und schnappe mir einen Rekord.« (GEA)