PARIS. »The winner takes it all«, und was passiert dahinter? Es ist eine solche Geschichte von Jubelarie und Drama. Das 3.000-Meter-Hindernis-Finale offerierte eine gespaltene Gesellschaft: Vorne ein Zugabteil mit zunächst sieben Afrikanerinnen, dahinter acht Europäerinnen. Die Siegerin Winfred Mentile Yavi (Bahrain), die mit 8:52,76 Minuten Olympischen Rekord lief und die vom Publikum zum Europarekord getriebene Französin Alice Finot (8:58,67 Min.) als Vierte badeten im frenetischen Applaus der 80.000 Zuschauer.
Dahinter die beiden besten deutschen Hindernisläuferinnen: Lena Meyer (Leverkusen), die ihre persönliche Bestleistung als Zehnte um fünf Sekunden auf 9:09,59 Minuten steigerte. Gesa Krause, Deutsche Rekordhalterin und Hindernis-Legende, überquerte in ihrem vierten Olympiafinale (bis dato mit den Plätzen sieben, sechs und fünf) abgeschlagen in 9:26,96 Min. als Vorletzte die Ziellinie.
»Es ist bitter, wenn man alles geben möchte, und es geht nicht«
»Ich bin mit diesem Ergebnis natürlich nicht zufrieden. Es ist bitter, wenn man alles geben möchte, und es geht nicht«, gestand Gesa Krause nach dem Rennen, mit Tränen in den Augen. Sie habe so viel investiert gerade im letzten Jahr, »ich bin einen schwierigen Weg gegangen«. Dieser Weg an die Startlinie in Paris für Gesa Felicitas Krause war länger als sonst. Sie brachte im April Tochter Lola zur Welt. Und war schon vier Wochen später wieder auf der Laufbahn. Im Mai glänzte sie beim Comeback mit Bestzeiten in Pliezhausen. In insgesamt sechs Trainingslagern in Kenia, Südafrika und Livigno (Italien) hat sie einen langen Anlauf auf Paris genommen. Im Vorlauf von Paris erzielte sie mit 9:10,68 Minuten die fünftbeste Zeit ihrer Laufbahn.
Stolz auf Karriere
"Wir waren in dem Jahr insgesamt 200 Tage "on the road", erzählt ihr Lebensgefährte Robert, und schiebt dabei Tochter Lola im Kinderwagen ins Stade de France. Selbst für die einjährige Lola musste er eine Eintrittskarte für 85 Euro kaufen. "Ich bin stolz auf das, was ich in meiner Karriere geschafft habe", zog die 32-jährige Krause eine positive Bilanz. Sie hat sechs internationale Medaillen gewonnen, darunter zwei WM-Bronzemedaillen und war zweimal Europameisterin und ein Jahrzehnt ein Synonym für den Hindernislauf in Deutschland.
Wo liegt nach den Spielen die Zukunft? Weiter auf den Hindernissen, vielleicht auf der Straße? »Es ist ein guter Moment, darüber nachzudenken, aber jetzt möchte ich erst die Saison zu Ende bringen«, sagt sie, wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel und geht in den Pariser Nachthimmel hinaus. Nur wenige Meter daneben steht Blondschopf Lea Meyer, freudestrahlend über ihre Leistung. »Ich hatte heute viel Spaß und habe alles genossen«, sagt die 26-Jährige, »solche Rennen mag ich.« Berühmt geworden ist Meyer durch ihren Sturz kopfüber in den Wassergraben bei der WM 2022 in Eugene. Doch schon bei der EM wenige Wochen später in München war sie als Vize-Europameisterin wieder obenauf. Jetzt ist sie auf dem Weg in die Fußstapfen von Krause zu treten. Meyer hat vor Monaten einiges geändert: Trainerwechsel, Standortwechsel nach Boston (USA), neue Trainingsgruppe. »Die ganzen Rahmenbedingungen sind dort einfach förderlicher als hier«, nennt sie Gründe.
Und Meyer hat noch einiges vor. »Der deutsche Rekord war vor zwei Jahren noch in weiter Ferne, jetzt kann ich ihn ins Auge fassen und angreifen«, sprudelt es aus ihr heraus. Leistungssport und Spaß passen zusammen, lautet ihre Botschaft. Und Meyer hat nach dem Rennen ihres Lebens noch anerkennende Worte für Krause parat. »Nach der Geburt eines Kindes so stark in ein olympisches Finale zurückzukommen, da kann man schon stolz sein«. (GEA)