TROCHTELFINGEN-MÄGERKINGEN. In der französischen Besatzungszone war das Turnen nach dem Zweiten Weltkrieg verboten. Doch die Mägerkinger, die ihren 1892 gegründeten Verein wiederbeleben wollten, gaben nicht auf. 1949 gingen fünf von ihnen auf die Kommandantur in Reutlingen, füllten Fragebögen aus. Dann wurde es amtlich: Da keine Nazi-Belastung nachgewiesen wurde, gründete sich der als TV entstandene Verein als TSV Mägerkingen neu. Denn in den Gründungsjahren wurde ausschließlich geturnt, an Reck, Barren und Kletterstange neben der alten Schule, im Winter in der Scheuer des Gasthauses Hirsch. Das sollte sich 58 Jahre später ändern. Fußball, Tischtennis, Leichtathletik kamen zum sportlichen Programm - die Fußballer aber hatten einen schweren Start, sie können aber in zwei Jahren ihr 60-Jahr-Jubiläum feiern. Und auch die Damen wollten turnen und bekamen 1951 eine eigene Abteilung. Bereits am 1. Januar 1951 hatte der TSV 73 männliche und sechs weibliche Mitglieder.
Aber wo sollte das alles stattfinden? Es gab keinen Sportplatz in Mägerkingen. Und so wurden die Mitglieder des TSV aktiv, schafften Material heran und legten auf einer Wiese auf der Dölle 1950 einen Sportplatz an, das Grundstück hatte die Gemeinde Mägerkingen dem Verein zur Verfügung gestellt. Die Weitsprunggruben befanden sich abseits des Platzes auf einer Lichtung im Wald. Und der TSV stellte eine Tischtennisplatte im Hirsch auf – die ausschließlich von Mitgliedern genutzt werden durfte, so verkündete ein Schild. 1972 wurde der Platz noch mal verbreitert.
Aber auch unter einem richtigen Dach sollte Sport getrieben und trainiert werden können. 1951 wurde die Turn- und Festhalle eingeweiht – ein Meilenstein für den Verein, der mit dem Gesangverein die treibende Kraft für den Bau war und - wie weitere Bürger - Geld für die Möblierung der Halle aufbrachte und seine Mitglieder zu sechs Tagen Arbeit auf der Baustelle verpflichtete. Anekdote aus dem Vereinsleben: Die 30 Pfennig für die Weihnachtsfeier hatten die Mägerkinger nicht, für den Traum von der Sportstätte haben sie aber alles drangesetzt.
Was war das für eine Party für den noch jungen, wieder durchgestarteten Verein: Im Rahmen der Einweihung der Turn- und Festhalle am 4. und 5. August 1951 fand ein gauoffenes Turnfest im Turngau Hohenzollern im Ort statt mit Aufmarsch am Sonntag auf dem neu erschaffenen Sportplatz Dölle. Über 1.000 Teilnehmende, Gastvereine mit ihren Vereinsfahnen kamen, auf der Dölle gab es Massenfreiübungen, ein Festzug vom Ort zur Dölle wurde organisiert mit Festdamen und Festreitern. Der TSV hatte geschafft, das ganze Dorf zu mobilisieren. Indes hat sich am damaligen Wunsch nach einem Trainings- und Spielort für den Hallensport nichts geändert. Denn dafür taugt die alte Halle nicht mehr. »In den 50er-Jahren waren umliegende Orte neidisch auf uns, jetzt sind wir hallenmäßig am anderen Ende der Tabelle«, sagt Schriftführer Eberhard Frank, der auch als multipler Übungsleiter im Verein aktiv ist und sich für den Breitensport engagiert.

Und auch die Ausweichquartiere wie die Schulturnhalle sind in ihrer Kapazität begrenzt. Ein Problem für den laufenden TSV-Betrieb und auch dann, »wenn wir neue Angebote machen wollen«, sagt der Vorsitzende Jürgen Frank. »Wir könnten noch viel mehr anbieten«, wenn, ja wenn der Neubau einer Festhalle nicht auf viele Jahre in die Zukunft verschoben wäre. Sanieren, umbauen oder gar durch einen Neubau ersetzen? Der Ortschaftsrat hatte bereits mit einem Büro Vorschläge erarbeitet und 2016 Bürger nach ihrer Meinung gefragt. Doch der Schulneu- und -umbau in Trochtelfingen hat die Stadtfinanzen belastet und das Mägerkinger Projekt ist in weite Ferne gerückt. Zumindest die Dölle tut's noch - beziehungsweise der neu gebaute Platz, der 1999 der »größte Kraftakt« für den Verein war. Aber er hat's ohne Hilfe der Stadt gewuppt. »Greenkeeper« ist seit Jahren Walter Rist, der die Grünanlage pflegt, mäht, Müll einsammelt.
Die Dölle »sehen wir als Heimat«, sagt Jürgen Frank. »Hier können wir uns frei bewegen, es ist ein kleines Paradies«, fügt Eberhard Frank hinzu. Auch die alte Eiche vorm Vereinsheim ist nicht wegzudenken. Die beiden Franks sind im Übrigen Vettern und so eng mit dem TSV verbunden, dass auch ihre Familiengeschichten Vereinsgeschichte sind. Jürgens Bruder Daniel ist Jugendleiter. Eberhard Franks Vater Walter war Vereinsdiener - er besorgte die Botengänge für den TSV. Mitreden war trotzdem seins: »Wenn die Eiche umgehauen wird, trete ich aus«, hat er einst gesagt. Die Eiche steht immer noch. Walters Bruder Herbert war 42 Jahre Vorsitzender des TSV - und einer der Fußballpioniere -, sein Sohn Jürgen Frank hat den Vorsitz 2015 quasi geerbt. Und als sie Kinder waren, spielte sich das Leben der Vettern Jürgen und Eberhard auf der Dölle ab.
Eberhard Frank, ehemaliger Fußballer, hat den Bereich »Gesundheitsorientierter Sport« seit 1999 sukzessive auf- und ausgebaut, 2000 kam ein Lauf- und Walkingtreff dazu. Inklusion und die Be-Activ-Woche sind ihm ein Anliegen. So wie die Geräte am Lauchertsee, für die er sich eingesetzt hat, an denen aber zwingend etwas getan werden müsste. Beim Thema Fallschutz zum Beispiel. »Das, was ich da angestoßen hab, kommt am wenigsten ins Laufen«, bedauert er. Dann könnte man auch dort einen wöchentlichen Treff anbieten.
Zum 125-jährigen Bestehen des TSV wurde das ganze Jahr über gefeiert. Am Ostermontag hatte der Verein wieder eine Tradition belebt: das Eierlesen. Sechs Teams aus den Reihen des Musikvereins Mägerkingen, JC Räumle und TSV waren am Start. Die Aufgabe ist es, die im Abstand von einem Meter ausgelegten rohen Eier einzusammeln. Die Läufer müssen dabei jedes Ei einzeln aufsammeln und dieses aus einem Mindestabstand von zehn Metern einem Fänger zuwerfen, was nicht immer gelingt. Auch ein Sportheim haben sich die Mitglieder auf der Dölle in den 70er-Jahren gebaut - unten aus Stein, der obere Holzteil wurde vom TSV Sondelfingen übernommen. Später wurde ein Anbau angegliedert, das Dach saniert. Was es nicht gibt ist Wasser. Finanziell aber steht der TSV Mägerkingen gut da, der etwa 320 Mitglieder zählt.
Fest zu 75 Jahre Wiedergründung
Am Samstag, 28. Juni, wird auf der Dölle gefeiert. Um 16 Uhr steht ein Einlagespiel der Spielgemeinschaft Mägerkingen, Trochtelfingen und Steinhilben gegen den TSV Oberstetten an. Um 17 Uhr tritt die C-Jugend der SGM gegen die SG Engstingen/Hohenstein/Oberstetten an. Ab 18.30 Uhr geht's weiter mit dem Get together und Eintreffen der Gäste, um 19 Uhr beginnt dann der offizielle Teil. Der Vorsitzende Jürgen Frank begrüßt, danach spricht Bürgermeisterin Katja Fischer, danach folgt Jürgen Franks 75-Jahre-Präsentation. Ortsvorsteher Herbert Stelz hält ein Grußwort, es stehen Ehrungen auf dem Programm (durch Michael Gühring vom Vorstand), ein Schlusswort spricht der stellvertretende Vorsitzende Oliver Gühring. Um circa 20.30 Uhr beginnt der gemütliche Teil im und am Sportheim. (cofi)
Im Fußball lief's auch besser. Im Jugendbereich haben sich die Mägerkinger 1987 zur Spielgemeinschaft mit Steinhilben und Trochtelfingen zusammengeschlossen. Allen drei Vereinen fehlte es an Nachwuchsspielern. Das Konzept geht auf. Der »Weiße Sport« boomte in den 1980er-Jahren und der TSV bekam hier ebenfalls Zuwachs und legte auf der Dölle Tennisplätze an. Die damalige Trendsportart ist aber heute nicht mehr so gefragt.
Und nochmal gab es Spartenzuwachs: 1990 rollten die Radler in TSV-Farben auf. Bei der Alb-Gold-Trophy sind die Mitglieder des TSV Mägerkingen seit mehr als 20 Jahren nicht nur auf der Strecke, sondern auch als Helfer gemeinsam mit den Sportvereinen aus Münsingen und Meidelstetten am Start. Und außerdem bewirtet der Verein unter anderem während der Fasnetszeit den Narrenturm in Trochtelfingen.
»Wir wollen die 75 Jahre nach der Wiedergründung feiern«, sagt Jürgen Frank, der viel Mühe in eine Präsentation der Meilensteine aus dem Vereinsleben gesteckt hat (Programm siehe Box). »Wir wollen der heutigen Generation zeigen, warum wir uns im TSV so engagieren«, sagt Eberhard Frank. »Jeder, der eine Funktion hatte, hat zu seiner Zeit dazu beigetragen, dass es weitergeht, dass wir gute Rahmenbedingungen haben und die Leute hier Sport machen können«, sagt Jürgen Frank. (GEA)