REUTLINGEN. Äußerlich wirkte Holger Breitenbacher gefasst. Aber im Inneren brodelte es. »Ich explodiere gleich«, brachen unmittelbar nach der Schlusssirene Ärger und Enttäuschung gleichermaßen aus ihm heraus. Unfassbares war geschehen. Seine Mannschaft, die HSG Schönbuch, das sieglose Schlusslicht der Handball-Verbandsliga, hatte die Spvgg Mössingen bereits am Haken, war nach 55:55 Minuten mit 29:25 in Führung gegangen. Die Chance der Hausherren, bestenfalls noch ein Unentschieden zu erreichen, lag bei eins zu einer Million. Niemand hätte auch nur einen Pfifferling mehr auf die Steinlachtäler gegeben.
Doch was in den verbleibenden, kümmerlichen 4:05 Minuten passierte, hat der regionale Handball in dieser krassen Form noch nicht erlebt. Die Mössinger schafften nicht nur das Remis, sondern rissen das Geschehen komplett an sich und gewannen das historische Match mit 31:29 (13:12). »Ich hatte mich schon mit der Niederlage abgefunden. Eigentlich war das Spiel durch«, atmete Spvgg-Trainer Michael Tröster nach der unvorstellbaren Wende tief durch. Und Holger Breitenbacher, der ehemalige Pfullinger Profi-Handballer und im siebten Jahr Coach der HSG Schönbuch reagierte betrübt: »Wieder stehen wir mit leeren Händen da.«
Keinen Rhythmus gefunden
Die Mössinger hatten sich von Anfang an schwergetan, um einen passenden Rhythmus gegen die Gäste zu finden. »Da war schon in den ersten 15 Minuten der Wurm drin«, klagte Tröster, weil die Mängelliste vor allem in der Abwehr lang war. Die tapferen Schönbuchler, nach neun Abgängen eine neu formierte Mannschaft, die sich erst noch finden muss, fanden immer wieder eine Lücke. Und sie lagen mit 12:11 (27.) vorne. Was wie ein Weckruf wirkte, denn die Gastgeber warfen vier Tore hintereinander.
Die Sportvereinigung schien die Partie trotz handwerklicher Aussetzer in den Griff bekommen zu haben und beim 20:16 (40.) durch den wiedergenesenen Frieder Seidel lag sie auf Kurs. Das aber täuschte, denn die Mannschaft, die ohne Kapitän Lukas Sulz (Sprunggelenk) antrat, geriet ins Wanken. »Wir waren mit dem Kopf nicht bei der Sache, haben brutal viele Fehler gemacht«, haderte Linksaußen Paul Rath. Die Folge: Innerhalb von elf Minuten war die HSG Schönbuch an Mössingen zum 24:23 vorbeigezogen.
Als sich das Spiel auf die Schlussphase hin zubewegte, überschlugen sich die Ereignisse. Das Breitenbacher-Team, aus dem einmal mehr Ben Sautter und Philipp Gauß als erfolgreichste Werfer herausstachen, hatte Morgenluft geschnuppert, stürzte die Einheimischen von einer Verlegenheit in die nächste und ging mit vier Toren in Führung. Niemand hätte auch nur einen Euro auf die erlahmten Mössinger wetten wollen.
Doch die Dramaturgie in der Chronologie sollte noch auf die Spitze getrieben werden. »Alles lag auf unserer Seite«, trauerte der in Sickenhausen wohnende Breitenbacher. Inzwischen hatte sich Sautter an der Wurfhand verletzt und Gauß saß auf der Strafbank.
Tröster ordnete Manndeckung an. Und ohne ihre Besten brach das Dilemma wie eine Sturzflut über die geschockten Gäste herein. Als Sebastian Bock 31 Sekunden vor Schluss mit seinem zehnten Tor das 30:29 erzielte, war der etwa 250-köpfige Anhang aus dem Häuschen. Zumal die HSG Schönbuch im Übereifer ihre Chance auf den Ausgleich ungenutzt ließ, stattdessen Seidel für die Spvgg alles klar machte. »So brauchen wir am Samstagabend in Unterhausen gar nicht erst anzutreten«, resümierte Tröster fassungslos.
SG siegt im Aufsteiger-Duell
Der Derby-Gastgeber fuhr gegen die TG Schömberg vor 300 Zuschauern einen souveränen 34:27 (17:11)-Erfolg ein. Kampf und Laufbereitschaft waren enorm beim dritten Saisonsieg der SG Ober-/Unterhausen. Im Duell der Aufsteiger lagen die Lichtensteiner bald mit vier Toren (9:5) vorne, steckten danach die Rote Karte für Rechtsaußen Joshua Häbich gut weg und zogen davon.
SG-Trainer Tobias Wild machte seiner Mannschaft in der Pause unmissverständlich klar, nicht locker zu lassen und weiter aufs Gaspedal zu drücken. Und sie machte auch dort weiter, wo sie beim Halbzeitpfiff aufgehört hatte. In der 44. Minute stand die 28:17-Führung zu Buche. In der Schlussphase ließen es die Hausherren zu, dass die Schömberger noch etwas Ergebniskosmetik betreiben durften.
VfL erobert einen Zähler
Der VfL Pfullingen eroberte bei der HSG Winzingen-Wißgoldingen-Donzdorf vor rund 350 Zuschauern einen Zähler und robbte sich damit ans Mittelfeld heran. Beim 20:20 (8:8) war der VfL durch Jonas Rall zuletzt in Führung gelegen, fing sich aber kurz vor Schluss noch den Ausgleich ein. Nach einer zähen ersten Halbzeit, in der sich die Abwehrreihen einen harten Kampf lieferten, hatte die Partie offensiv an Fahrt zugelegt. Der VfL musste dabei verkraften, dass Kreisläufer Hannes Werner in der 35. Minute mit der dritten Zeitstrafe ausschied. (GEA)