Sigurdsson, seit September im Amt des Bundestrainers ist ein Taktik-Fuchs, offen fürs Ungewöhnliche und passt in kein Schema. Er lässt in Unterzahl gerne mit Kreisläufer spielen und verzichtet dafür lieber auf den Rechtsaußen.
Eine weltmeisterreife Leistung zeigte der ehemalige Spielmacher der isländischen Nationalmannschaft beim 30:30 gegen den Goldkandidaten Dänemark. Das deutsche Team überrumpelte zu Beginn den Favoriten mit einer 4:2-Abwehr. Sigurdsson sagt, die Idee sei ihm spontan auf dem Rückweg vom Training gekommen.
Während des Spiels ersetzte der Mann, der laut eigener Aussage viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus trifft, dann überraschend Torhüter Carsten Lichtlein durch Silvio Heinevetter. Der Berliner hielt prompt überragend, um dann wieder Platz machen zu müssen. Lichtlein sicherte den Punkt, spielte darauf gegen Argentinien durch und wurde beim 28:23 zum Matchwinner. Der 34-Jährige ist Senior der Mannschaft, wurde unter Heiner Brand 2007 Weltmeister und verpasste unter Martin Heuberger die sportliche Qualifikation für die WM. Lichtlein sagt: »Der größte Unterschied zu seinen Vorgängern sind die Ansprachen. Bei Heiner und Martin waren sie immer sehr ausufernd. Bei Dagur sind sie knapp und präzise.« Kurz und gut. Lichtlein: »Vielleicht braucht es die heutige Generation so.« Es ist die Generation Twitter. Sigurdsson hat zwar auch einen eigenen Account, unterwegs in den sozialen Medien ist er aber selten. Die digitalen Welten des Mannes, der seit zehn Jahren nach Old-School-Art in den Auszeiten Anweisungen erteilt mittels seiner blauen und abgegriffenen Taktiktafel, sind Videoaufzeichnungen von den Spielen der Gegner. Die studiert er minutiös und stundenlang.
Auch seine Saudi-Erkenntnisse fußen visueller Analyse, doch der Aufwand diesmal ist so überschaubar, dass Sigurdsson am Freitag nicht nur für seinen allmorgendlichen Dauerlauf Zeit findet, sondern mit der Mannschaft auf Wüsten-Safari gehen kann. Ein bisschen Abwechslung tue allen gut, sagt Sigurdsson, der zum Rundenabschluss die Stamm-Kräfte ein wenig schonen möchte. Schließlich wolle man auch in den K.o.-Runden weiter »angreifen«.