LICHTENSTEIN. Das Derby übertraf sämtliche Erwartungen: Klasse, Rasanz, Spannung und eine Torflut. Was die SG Ober-/Unterhausen und Spvgg Mössingen im Nachbarschafts-Duell beim 43:37 (19:17) aufs Parkett zauberten, war Verbandsliga-Handball auf höchstem Niveau. Und deshalb mag man noch gar nicht daran denken, dass es dieses regionale Gipfeltreffen in der kommenden Saison aufgrund der beschlossenen Reform, die den Handball in Baden-Württemberg vereint, aber veränderte Bezirkszuteilungen schafft, nach Stand der Dinge nicht mehr geben wird.
Die hoch motivierten Mannschaften schenkten sich nichts, zum Luftholen blieb ihnen kaum Zeit. Die Kontrahenten gingen von Beginn an in die Vollen, suchten schnelle Abschlüsse und zelebrierten dem Publikum somit in der proppenvollen, altehrwürdigen Ernst-Braun-Halle mitreißenden Tempo-Handball. Bis in die Schlussphase hinein agierten die Teams vor rund 400 Zuschauern gleichwertig, erzeugten mit ihrer Präsenz Begeisterung auf den Rängen und obendrein Abschlüsse am Fließband.
»Das war für die Zuschauer richtig gut und Werbung für den Amateursport«
Kai Lehmann, der am Samstag seinen 29. Geburtstag feiern durfte und selbst sechs Tore warf, strahlte nach dem vierten Saisonsieg des starken Aufsteigers, der den zweiten Tabellenrang untermauerte. "Vollgas von Anfang bis Ende. Mössingen hat richtig Feuer ins Spiel gebracht", sagte Lehmann. Und der in Unterhausen wohnende Spvgg-Trainer Michael Tröster resümierte treffend: »Das war für die Zuschauer richtig gut und Werbung für den Amateursport«.
Der Gästecoach setzte auf das taktische Mittel, Florian Grauer per Manndeckung aus dem Spiel zu nehmen – und hatte mit dieser Maßnahme Erfolg. Der SG-Torjäger, der in den vorangegangenen fünf Spielen insgesamt 50 Mal eingenetzt hatte, musste sich mit zwei Treffern begnügen und saß immer wieder auf der Auswechselbank. Was seine Teamkollegen wettmachten und damit wiederum deutlich machten, wie leistungsfähig der Lichtensteiner Kader besetzt ist. »Die Qualität in der Breite ist sehr hoch«, betonte Lehmann. Ober-/Unterhausen konnte auch den Ausfall von Erik Flammer und Linus Oeding verschmerzen, während bei den Mössingern das Fehlen von Lukas Sulz und Ruben Gesk eher ins Gewicht fiel. Trotzdem blieben die Steinlachtäler brandgefährlich, steckten einen Vier-Tore-Rückstand (26:30/41. Minute) weg und hatten beim 34:34 (50.) bei Ballbesitz sogar die Chance, die Wende herbeizuführen.
»Bin stolz auf die Mannschaft, dass sie trotz Stresssituationen ruhig geblieben ist«
»Ich bin froh und stolz auf die Mannschaft, dass sie trotz Stresssituationen ruhig geblieben ist«, betonte SG-Trainer Tobias Wild. Als Faktor erwies sich dabei auch Mersid Memisahovic, der bald nach Seitenwechsel für Julian Maier ins Tor beordert worden war. 20 Minuten lang hatte der Serbe immer wieder hinter sich greifen müssen, doch dann zeigte er sein Können und parierte in kurzer Zeit vier Würfe. »Ich hatte zuvor zehn Bälle berührt und gedacht, irgendwann muss doch was kommen«, sagte Memisahovic erleichtert.
Der Mössinger Regisseur und zehnfache Torschütze Sebastian Bock hob die Torwart-Leistung als »größten Unterschied« hervor und fand die Hausherren »in den letzten Minuten abgezockter«. Seinem Trainer war die Enttäuschung nach einer aufreibenden Partie ins Gesicht geschrieben. »Mit 37 Toren hätten wir was mitnehmen müssen«, haderte Tröster und bemängelte wie Frieder Seidel die Abwehrleistung. »Der Rückzug war zu schwach«, sagte der Rückraumspieler. Was freilich auch der Dynamik der pfeilschnellen Hausherren lag. (GEA)