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Zweiplatzierte fühlen sich geprellt

Der Vorstand des Württembergischen Fußballverbands hat sich für eine Beendigung der wegen der Coronakrise unterbrochenen Saison 2019/20 ausgesprochen. Nicht alle Vereine werden mit dieser Beschlussfassung zufriedenstellend berücksichtigt. Unter anderem soll die Relegation ausgesetzt werden. Das hat zur Folge, dass den Clubs die Chance eines Aufstiegs über erfolgreich zu bestreitende Entscheidungsspiele genommen wird

Der SV Croatia Reutlingen (im Bild Kapitän Björn Gerdes) ist enttäuscht, weil der WFV die Leistung der Zweitplatzierten nicht mi
Der SV Croatia Reutlingen (im Bild Kapitän Björn Gerdes) ist enttäuscht, weil der WFV die Leistung der Zweitplatzierten nicht mit der Chance zur Aufstiegsrelegation würdigt. FOTO: EIBNER
Der SV Croatia Reutlingen (im Bild Kapitän Björn Gerdes) ist enttäuscht, weil der WFV die Leistung der Zweitplatzierten nicht mit der Chance zur Aufstiegsrelegation würdigt. FOTO: EIBNER

REUTLINGEN. Es sind Einzelschicksale, da in jeder Liga nur eine einzige Mannschaft betroffen ist – aber dieser Club umso heftiger. Geht es nach dem Württembergischen Fußballverband, so sollen die Zweitplatzierten ihrer Chance beraubt werden, in die nächsthöhere Spielklasse aufsteigen zu können. Den Aufstieg über erfolgreich zu bestreitende Entscheidungs- und Relegationsspiele soll es heuer nicht geben. Die Beschlussfassung des WFV sieht diesen zweiten Weg im Zusammenhang mit dem wegen der Coronakrise geplanten Ende der unterbrochenen Saison zum 30. Juni nicht vor.

Das sorgt bei den Betroffenen für viel Unmut – vor vorgehaltener Hand zum Teil sogar für Ärger und Zorn. Bei den Zweitplatzierten regt sich nun der Widerstand. In der Sache vereint haben sich aus diesem Grund auf Verbandsebene eine durchaus beachtliche Zahl von Vereinen zusammengeschlossen. Manche gehen sogar so weit zu sagen, dass mit dem drohenden Szenario fundamentale Aspekte der Sportlichkeit mit Füßen getreten werden. Sie begründen dies mit einer Ungleichbehandlung. Aufgrund der beschlossenen vorläufigen Ordnungsänderung müssen nämlich in dieser Runde Kellerkinder nicht absteigen.

An einigen Beispielen aus dem Fußball-Bezirk Alb soll sowohl die Situation als auch die Sicht hiesiger Vereine dargestellt werden.

- Bezirksligist SV Croatia Reutlingen

Die zur Ermittlung des Erst- und Zweitplatzierten angewandte Quotienten-Regelung aus Punkten und Spielen hat ergeben, dass der SV Croatia Reutlingen mit 0,0526 Punkten hinter den erstplatzierten Young Boys Reutlingen steht. Bei jeweils noch elf ausstehenden Begegnungen ist das quasi nichts. Allein das direkte Duell der Rückrunde hätte diese Situation zugunsten der Kroaten drehen können.

Josip Micic vom SV Croatia würde es befürworten, dass alle Zweitplatzierten aufsteigen. FOTO: VEREIN
Josip Micic vom SV Croatia würde es befürworten, dass alle Zweitplatzierten aufsteigen. FOTO: VEREIN
Josip Micic vom SV Croatia würde es befürworten, dass alle Zweitplatzierten aufsteigen. FOTO: VEREIN

»Ich will nicht sagen, dass es eine einfache Entscheidung war für den WFV, aber wenn er wie andere Verbände von Anfang an die Vereine mehr in die Entscheidungsfindung mit eingebunden hätte, wäre der Schock bei der Verkündung der Empfehlung sicherlich nicht so groß gewesen«, sagt Josip Micic, als Scoutingleiter bei den Kroaten tätig. Er bemängelt, dass die Stellungnahmen der Clubs erst im Nachhinein angefordert wurden.

Weil das Virus alle noch länger begleiten wird, hätte Micic gerne gesehen, dass der Verband alle Zweitplatzierten aufsteigen lässt. Zugleich sollte von der A-Liga aufwärts vorübergehend eine zusätzliche Staffel einführt werden, um den aufgeblähten Spielbetrieb mit Blick auf Spielausfälle in den Wintermonaten zu entzerren. Micic will für die Belange seines Clubs kämpfen, bemüht dabei die Worte von Bertolt Brecht: »Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.«

- Kreisligist SV Degerschlacht

Den Club aus dem Reutlinger Norden trifft es gleich doppelt. Zum einen ist die »Zweite« in der Kreisliga B als Zweitplatzierte Opfer der Beschlussfassung. Zum anderen ist auch die »Erste«, in der A-Liga auf Tabellenplatz drei, betroffen, Und zwar deshalb, weil die Quotienten-Regel nur auf den Ersten und die Platzierungen, die im Normalfall zur Teilnahme an Aufstiegsspielen berechtigen würden, angewendet wird, nicht aber auf alle Mannschaften. Der SV (Quotient 2,0588) stünde dann nämlich hinter Spitzenreiter Riederich (2,5) und vor Pliezhausen (2,0555) auf Rang zwei und hätte somit die Chance zum Aufstieg über die Relegation, die es jedoch nicht gibt.

Degerschlachts Abteilungsleiter Daniel Bery ist mit beiden Mannschaften betroffen. FOTO: VEREIN
Degerschlachts Abteilungsleiter Daniel Bery ist mit beiden Mannschaften betroffen. FOTO: VEREIN
Degerschlachts Abteilungsleiter Daniel Bery ist mit beiden Mannschaften betroffen. FOTO: VEREIN

»Wir haben beim WFV klar kommuniziert, dass wir nicht verstanden haben, warum die Zweitplatzierten so benachteiligt werden«, erklärt SV-Abteilungsleiter Daniel Bery. »Das ist für uns einfach schade.« Sein Vorschlag: Das Anwenden der Quotienten-Regelung auf alle Mannschaften, und die Zweitplatzierten steigen automatisch mit auf. »Das wäre für uns die Wunschlösung.« Bery mutmaßt, dass der Verband mit seiner Beschlussfassung »den Weg des geringsten Widerstands gegangen ist, weil es nur wenige Mannschaften betrifft«. Ungerecht findet der Degerschlachter Fußball-Boss die Beschlussfassung des Verbands auch deshalb, weil die potenziellen Absteiger diese Saison allesamt verschont bleiben.

Fabrizio Piras vom TSV Mähringen wäre es am liebsten, wenn die Runde wieder aufgenommen werden könnte. FOTO: VEREIN
Fabrizio Piras vom TSV Mähringen wäre es am liebsten, wenn die Runde wieder aufgenommen werden könnte. FOTO: VEREIN
Fabrizio Piras vom TSV Mähringen wäre es am liebsten, wenn die Runde wieder aufgenommen werden könnte. FOTO: VEREIN

- B-Ligist TSV Mähringen

Wie Croatia und Degerschlacht hat sich auch der TSV Mähringen am Zusammenschluss der württembergischen Zweitplatzierten beteiligt, die offenbar zur Durchsetzung ihrer Belange sogar eine Sammelklage in Betracht ziehen. Der Club fühlt sich deshalb besonders benachteiligt, weil das Punktspiel gegen den SV Wannweil ursprünglich vom Bezirksgericht für den TSV siegreich gewertet wurde, das Verbandsgericht im Nachhinein aber auf 1:1 entschied. Der Schiedsrichter hatte am 22. September eine verletzungsbedingte Unterbrechung von sieben Minuten anfangs nur drei Minuten nachspielen lassen. Nach Wannweiler Protesten pfiff der Unparteiische die Partie nochmals an. Mähringen kassierte prompt noch den Ausgleich und ist deshalb aktuell nur Tabellenzweiter.

Die Wunschvorstellung von Abteilungsleiter Fabrizio Piras wäre es, die Runde wieder aufzunehmen. »Aber das wird nicht möglich sein.« Alternativ wäre auch er für einen automatischen Aufstieg der Zweitplatzierten. Zudem plädiert auch er dafür, Absteiger ebenso über die Quotienten-Regelung zu ermitteln. (GEA)