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Young Boys Reutlingen holen Punkt im Topspiel und ärgern sich trotzdem

Trotz eines chancenarmen Verbandsliga-Topspiels ist in Neckarsulm mit Blick auf die Young Boys Reutlingen einiges geboten: Präsident Thorsten Bauer wird zum Wahrsager, der Zehner zum Beckham vom Markwasen und der Keeper zum tragischen Helden.

Trifft erneut per Freistoß: Christos Chatzimalousis (links).
Trifft erneut per Freistoß: Christos Chatzimalousis (links). Foto: Frank Pieth
Trifft erneut per Freistoß: Christos Chatzimalousis (links).
Foto: Frank Pieth

NECKARSULM. »Leute, glaubt's mir: Das Ding geht rein.« Um kurz vor 17 Uhr am Samstag war die Zeit von Thorsten Bauer gekommen. Die Zeit für ihn, in die Rolle der Wahrsagers zu schlüpfen. 63 Minuten waren im Verbandsliga-Topspiel zwischen Spitzenreiter Türkspor Neckarsulm und den Young Boys Reutlingen gespielt, als der Präsident des ambitionierten Aufsteigers Young Boys auf der Tribüne felsenfest davon überzeugt war: »Das Ding« aus rund 20 Metern von halblinker Position von Christos Chatzimalousis wird reingehen.

Gesagt. Getan. Der YB-Zehner mit der Rückennummer sieben lief zum Freistoß an und brachte den Ball mit seiner Schusstechnik so derart ins Flattern, dass Türkspor-Keeper Kevin Rombach nur machtlos dabei zusehen konnte, wie das Spielgerät neben ihm im Tor einschlug. »Ich hab's beim Anlauf auch wirklich im Gefühl gehabt, dass ich ihn reinmache«, berichtete der 27-Jährige dem GEA nach der Partie und ergänzte mit einem Lachen: »Gleichzeitig war mir aber klar, dass ich den Zweiten nicht reinmachen werde.« Damit meinte der langjährige Kicker des VfL Pfullingen einen weiteren aussichtsreichen Freistoß aus fast identischer Position nur wenige Minuten später. Das änderte nichts an einer äußerst bemerkenswerten Statistik: Es war bereits sein dritter direkter Freistoßtreffer in dieser Saison. Chatzimalousis, der Beckham vom Markwasen.

Teamkollegen bauen Zemmer auf

Mit einer Prophezeiung lag YB-Präsident Bauer übrigens knapp daneben. Der Gründer des Reutlinger Vereins hatte zu Beginn der zweiten Hälfte beim Stand von 0:0 gesagt: »Wer das erste Tor schießt, gewinnt dieses Spiel.« Am Ende trennte sich sein Club nach der Führung allerdings mit einem 1:1 (0:0)-Unentschieden von den Neckarsulmern. Die Schützlinge von Erfolgscoach Volker Grimminger bleiben damit auch in der elften Begegnung in Folge ohne Niederlage. Aber: »Es ist trotzdem ein bisschen ärgerlich«, betonte Bauer. Ärgerlich? Ein Punktgewinn beim Tabellenführer, der aus 21 Spielen zuvor 18 Siege geholt hatte?

Tatsächlich war es das. Denn nur drei Minuten nach der 1:0-Führung patzte Reutlingens Keeper Tim Zemmer in einem insgesamt chancenarmen Topduell entscheidend. Dem Reutlinger rutschte ein relativ harmloser Abschluss von Goalgetter Christian Giles, früher unter anderem für den SSV Reutlingen am Ball, durch die Hosenträger. Komplett niedergeschlagen fiel der am Freitag 22 Jahre alt gewordene Zemmer nach der Partie zu Boden. Seine Teamkollegen warteten nicht lange und machten sich nach dem Abpfiff von Schiedsrichter Antonio Agazio direkt auf den Weg zu ihrem Mitspieler. Und auch Young Boys' Sportlicher Leiter Adi Semere rannte postwendend aufs Feld, um dem jungen Keeper Trost zu spenden. Schließlich hatte dieser am Samstagmittag ansonsten einen tadellosen Job gemacht.

Grimminger kritisert den Rasen

Mehr noch: »Er pariert in der ersten Halbzeit zweimal überragend und hält uns überhaupt im Spiel«, lobte Trainer Grimminger seinen Torwart. Gleich zweimal rettete der 22-Jährige in den ersten 45 Minuten bärenstark als letzter Mann die Reutlinger vor einem Rückstand. »Deshalb absolut kein Vorwurf. Fehler passieren. Vielleicht lag's ja auch am Platz«, betonte der 45-Jährige. Der Rasenplatz sei »eines Spitzenspiels nicht würdig gewesen«, war Grimminger klarer Meinung. Und stand damit nicht alleine da.

Vermutlich führte das auch dazu, dass sich dieses Topspiel vor allem über den Kampf und eine große Intensität auszeichnete. Es gab unzählige zweite Bälle, denen beide Teams hinterherjagten und nur wenige Ballbesitzphasen. Die feine Klinge suchte man am Samstagnachmittag in Neckarsulm vergeblich. Was man dagegen sah: Resolut verteidigende und erneut - insbesondere in der ersten Hälfte - wie verrückt pressende Reutlinger, die nur in jenen zwei Situationen mächtig Glück hatten, die Zemmer mit seinen Paraden stark entschärfte. »Beim Spitzenreiter einen Punkt mitzunehmen, würde jeder normal unterschreiben«, sagte Grimminger. Und doch ärgerte sich der extrem ehrgeizige Coach am Ende ein bisschen. Daran sieht man: Die sportliche Entwicklung bei den Young Boys Reutlingen verläuft in Blitzgeschwindigkeit. (GEA)