TÜBINGEN. Eine Gruppe junger Fans staunte am Spielfeldrand nicht schlecht: »Die Nummer 10 macht alles«, wurde getuschelt. Gemeint war damit Riccardo Gorgoglione, Offensivmann des SSV Reutlingen. Widersprechen konnte der fachkundige Zuschauer da kaum. Denn mit zwei Toren, einer Vorlage und zahlreichen auffälligen Dribblings führte der 31-Jährige den Fußball-Oberligisten in der zweiten Runde des WFV-Pokals zum 5:3 (2:1)-Erfolg bei der TSG Tübingen, die lange wie der Sieger aussah.
Während sich am Spielfeldrand entzückt über die leichtfüßige Spiellaune des SSV-Akteurs unterhalten wurde, sah einer den Auftritt Gorgogliones ganz anders. Nämlich der bescheidene Wirbelwind selbst. Die Antwort auf die Frage des GEA-Redakteurs, ob er denn zufrieden mit der eigenen Leistung sei, beantwortete er wie aus der Pistole geschossen: »Nee. Ich habe zwar zwei Tore gemacht und eine Vorlage, aber da war noch viel Luft nach oben.«
»Wir waren ein bisschen behäbig«
Diese Einstellung ehrt ihn, wäre aber eher auf die Gesamtleistung des Teams zutreffend gewesen. Denn in der Tat hatte Reutlingen lange Mühe. Ein individueller Fehler sorgte dafür, dass Tom Vetter (34. Minute) die Nullfünfer erstmals ins Hintertreffen brachte. Gorgoglione zog aber kurz darauf nach einem langen Zuspiel mit Tempo am Verteidiger vorbei und lupfte den Ball abgezockt über TSG-Keeper Hafiz Kerim Aslan zum Ausgleich. Stürmer Onesi Kuengienda verlängerte eine scharfe Freistoß-Hereingabe von Neuzugang Jonas Meiser per Kopf zum 2:1 (45.+2). Übrigens hatte auch diesen Standard »Reutlingens 10« herausgeholt.
Nach der Pause dann aber die kalte Dusche. Ein Doppelschlag von Tim Steinhilber (46., 52.) brachte das Team von Trainer Philipp Reitter gegen den Verbandsligisten wieder in Rückstand. Zuerst traf Steinhilber aus rund 40 Metern mit einem Sonntagsschuss, dann sprang dem Reutlinger Abwehrspieler Jonas Vogler der Ball an die Hand. Den Strafstoß vom TSG-Angreifer berührte Torhüter Marcel Binanzer zwar, konnte ihn aber nicht entscheidend ablenken.
Bis zur 86. Minute sah der SSV wie der Verlierer aus. Nach vorne ging zu wenig. Chancen aus dem Spiel waren Mangelware. Die TSG verpasste derweil durch gute Möglichkeiten von Anton Geppert (61.) und Jan Rieger (73.) den Deckel draufzumachen. »Wir waren ein bisschen behäbig. Haben die Aktionen nicht mit Vollgas durchgeführt und sind deshalb nicht in die Räume gekommen, in die wir kommen wollten«, kritisierte Gorgoglione. Auch Reitter waren seine Mannen lange Zeit zu harmlos.
»Mental war es eine hervorragende Leistung«
Bis zur 86. Minute dauerte es, ehe wieder Kuengienda nach einer Ecke den Ball zum Ausgleich unterbrachte. Vier Minuten später drosch Gorgoglione den Ball mit Wucht in die Maschen, nachdem Tübingen einen Freistoß nicht gut geklärt bekam. Entscheidend am letzten Treffer zum 5:3 von Joker Tom Ruzicka war wieder der Mann des Spieles beteiligt. Vier TSG-Verteidiger versuchten ihm den Ball auf dem Flügel abzunehmen. Ohne Erfolg. Gorgoglione flankte, der 18-jährige Stürmer verwandelte.
Bei allen Schwierigkeiten gab es aber auch positive Erkenntnisse für den SSV. Da wäre die Tatsache, dass drei der fünf Treffer ihren Ursprung in Standards hatten. Eine Disziplin, in der Reutlingen in der Vorsaison nicht geglänzt hatte. Und auch konditionell machten die Kicker von der Kreuzeiche einen guten Eindruck. Im Vergleich zur Vorsaison legten sie in den letzten Minuten noch mal richtig zu. Trainer Reitter und Gorgoglione hoben noch die gute Einstellung hervor. »Mental war es eine hervorragende Leistung, so zurückzukommen«, lobte der Doppeltorschütze. »Die Mannschaft ist sehr klar im Kopf geblieben«, meinte der Coach.
»Wir müssen ein mutigeres Gesicht zeigen«
Klar ist aber: Zum Liga-Auftakt am kommenden Samstag (15.30 Uhr) beim VfR Aalen muss sich die Mannschaft steigern. »Wir müssen ein mutigeres Gesicht zeigen, um dort zu bestehen«, betonte Reitter. In der nächsten Pokal-Runde kommt es zum Derby mit Landesligist SV Croatia Reutlingen. (GEA)