PFULLINGEN. Nur zehn Punkte nach 16 Spielen und bereits zehn Zähler Rückstand auf das vermeintlich rettende Ufer. Man muss nicht die Lottozahlen vom Samstagabend richtig voraussagen können: Dass der VfL Pfullingen in der kommenden Saison nach sieben Jahren wieder in der Landesliga statt des württembergischen Oberhauses auf Punktejagd geht, ist deutlich realistischer. »Das sagt der gesunde Menschenverstand«, betont auch Neu-Trainer Jörg Kluge, der nach dem überraschenden Rücktritt von Yasin Yilmaz Anfang Dezember wie bereits in der Vorsaison interimsweise bis zum Runden-Ende einspringt.
»Ja, klar«, antwortet Kluge auf die Frage, ob das Vorhaben Klassenerhalt eigentlich eine Mission Impossible sei. Die VfL-Kultfigur, ein äußerst reflektierter und angenehmer Zeitgenosse, ist sich seiner Aufgabe sehr wohl bewusst: »Es wird sehr, sehr schwer. Aber im Fußball ist alles möglich. Da passieren manchmal echt komische Dinge. Wir haben noch 14 Chancen. So müssen wir es sehen.« Auch in der Echazstadt erzählt man sich zwischen Markt- und Ahlsbergsportplatz längst eine altbekannte Floskel: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Kluge, der als Menschenfänger gilt, lässt dabei nichts unversucht. Spannend: Als eine seiner ersten Amtshandlungen sägte er den kompletten Mannschaftsrat ab. Wobei absägen das falsche Wort ist. Auch von einer Degradierung der Führungsspieler ist weit und breit keine Spur. »Die Mannschaft ist nun der Mannschaftsrat. Alle Spieler sind dabei«, erklärt der zweifache Familienvater. Das Ziel: Jeder VfL-Kicker soll noch mehr in der direkten Verantwortung stehen. »Die Jungs haben sich ganz am Anfang zusammengesetzt. Einige haben sich dann gefragt: Wo ist jetzt der Trainer? Ich habe gesagt: Macht das mal selber. Da kamen gute Ergebnisse raus und die Spieler leben es nun auch selber vor, was sie dort gemeinsam aufgestellt haben«, berichtet Kluge.
Überraschungsgast Bajorat
Seit der Wintervorbereitung trainiert Max Bajorat beim VfL Pfullingen mit. Dabei hatte der 32-Jährige seine Laufbahn im Sommer 2023 bei seinem Heimatverein und Bezirksligisten TSV Eningen eigentlich beendet. Doch scheinbar hat es beim ehemaligen Jugendspieler des SSV Reutlingen und früheren Frickenhäuser Landesliga-Kicker nun wieder in den Beinen gejuckt. Er soll jedoch behutsam herangeführt werden. »Er gibt sich da selber auch die Zeit. Wenn das alles gut funktioniert, kann er in der neuen Saison vielleicht eine Größe werden. Denn Fußballspielen kann er. Das steht außer Frage. Auch menschlich ist Max ein absoluter Zugewinn«, freut sich VfL-Interimscoach Jörg Kluge, der nicht ausschließen wollte, dass Bajorat im Laufe der Rückrunde zu Kurzeinsätzen kommt. (ott)
Ebenfalls neu: Alles wird beim VfL jetzt auf dem Platz geklärt. »Das ist neu für die Jungs und manchmal vielleicht nicht einfach«, gibt der 54-Jährige zu. Weil man da auch viel Kritik aushalten müsse und es mit einem Spieler auch etwas mache, wenn man das frontal vor der gesamten Gruppe zu hören bekomme. Doch Kluge wäre nicht Kluge, wenn er sich dabei nichts gedacht hätte.
Kein Spieler ist mehr gesetzt
Der Sinn hinter dieser Maßnahme: »Aber es haben dann eben alle gehört. Ich möchte den Buschfunk hintenrum nicht. Wenn ich das mit dem jeweiligen Spieler im Einzelnen kläre, wird es manchmal schwierig. Dann heißt es zum Beispiel: Der hat mit dem Trainer gesprochen. Ich bin ein großer Freund, diese Dinge in der Gruppe zu lösen. Da haben manche Jungs am Anfang sicherlich zu schlucken mit meiner Art. Weil die schon sehr hart und sehr direkt ist.«
Klare Worte wählt Kluge auch in der Causa Matthias Dünkel. Der langjährige VfL-Kapitän verlässt die Echazstädter nach zehn Jahren und wechselt im Sommer zu den Young Boys Reutlingen. Es ist ein Wechsel mit ordentlicher Brisanz. Über Spekulationen, ob Dünkel die Pfullinger in der Rückrunde deshalb nun möglicherweise nicht mehr als Kapitän aufs Feld führen könnte, kann der 54-Jährige nur lachen. »Um Gottes Willen. Das steht für mich überhaupt nicht zur Debatte. Ich kann gleichzeitig auch wirklich sagen und versichern, dass es sich auf die Mannschaft nicht negativ abgefärbt hat«, betont Kluge.
Zum Sportlichen. Der Interimscoach zeigt sich angetan von den ersten Wochen. »Wir haben an den Basics gearbeitet. Nichts kompliziertes. Unser Spiel ist aber deutlich schneller geworden. Ich glaube, dass wir auf einem sehr, sehr guten Weg sind«, sagt er und macht gleichzeitig eine klare Ansage an seine Jungs. »Es ist keiner mehr gesetzt. Auch die Etablierten nicht. Es ist ein Konkurrenzkampf und Wettbewerb. Ich nehme keine Rücksicht auf Verluste.« Vermutlich ist es genau das, was die nicht immer ganz einfach zu führende VfL-Mannschaft jetzt braucht. Für die Mission Impossible. (GEA)