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Warum dem Interimscoach und Retter des VfL Pfullingen ein Lied gewidmet ist

Jörg Kluge hat den VfL Pfullingen als Interimstrainer zum Klassenerhalt in der Fußball-Verbandsliga geführt. Warum der 53-Jährige inzwischen eine Kultfigur bei den Echazstädtern ist, obwohl er das Scheinwerferlicht niemals von sich aus suchen würde.

Jörg Kluge (links) ballt am Spielfeldrand die Fäuste: Der Klassenerhalt mit dem VfL Pfullingen ist geschafft.
Jörg Kluge (links) ballt am Spielfeldrand die Fäuste. Foto: Dieter Reisner
Jörg Kluge (links) ballt am Spielfeldrand die Fäuste.
Foto: Dieter Reisner

PFULLINGEN. »Wer zieht den Karren aus dem Dreck? Kluge Jörg ist back«, hallte es am vergangenen Samstag immer wieder quer durch den Mannschaftsbus des VfL Pfullingen. Die Stimmung bei der Heimfahrt aus dem zweieinhalb Stunden entfernten Weiler im Allgäu hätte ausgelassener kaum sein können, hatten die Echazstädter zuvor am letzten Spieltag den Klassenerhalt in der Fußball-Verbandsliga perfekt gemacht. Mit eben jenem Kluge an der Seitenlinie, der nach dem Rücktritt von Trainer Michael Konietzny erst vor rund fünf Wochen als Interimscoach bis Saisonende beim VfL übernahm und seine Kurz-Mission damit erfolgreich beendet hat.

Trotz seiner insgesamt nur sieben Spiele andauernden Schaffenszeit in Pfullingen wurde dem 53-Jährigen gar ein eigener Songtext gewidmet. Und das, obwohl ihm das Scheinwerferlicht von Haus aus fremd ist. Kluge ist ein stiller Macher, der die Öffentlichkeit von sich aus niemals suchen würde. Und dennoch ist es an der Zeit einen genaueren Blick auf den VfL-Retter zu werfen, bevor dieser ab sofort wieder aus der ersten Reihe verschwindet und zurück in die Rolle des wöchentlichen Zuschauers am Ahlsbergsportplatz wechselt.

»Um Gottes willen, das wäre eine zu große Ehre. Ich bin eher dem Verein dankbar, dass ich diese Aufgabe bekommen habe«

»Ich musste schon darüber schmunzeln«, sagt der ruhige und stets sehr reflektiert wirkende Kluge im GEA-Gespräch. Auch er weiß, obwohl er es nie zugeben würde, dass hinter diesem Song ein Fünkchen Wahrheit steckt. Denn bereits 2019 schaffte er mit der zweiten Mannschaft als Interimscoach trotz einer schwierigen Ausgangslage noch den Klassenerhalt in der Bezirksliga. Und auch im Jahr zuvor hatte er die U 23 vor der Winterpause für vier Spiele übernommen. Jörg Kluge, der, der den Karren beim VfL eben immer wieder »aus dem Dreck« zieht. Oder doch besser der Friedhelm Funkel aus der Echazstadt? »Um Gottes willen, das wäre eine zu große Ehre«, findet er und ergänzt voller Demut: »Ich bin eher dem Verein dankbar, dass ich diese Aufgabe bekommen habe. Es ist nicht selbstverständlich, dass man so viel Vertrauen in einen Menschen hat.«

Doch sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart haben gezeigt: Wenn es beim VfL brennt, dann ist Kluge, der auch schon viele Jahre als sportlicher Leiter bei den Pfullingern tätig war und bei der ersten Mannschaft bereits zwischen 1998 und 2002 zum ersten Mal als Chefcoach fungierte, verlässlich da und liefert. Ob er deshalb der klassische Feuerwehrmann, wie manche Profi-Trainer der Kategorie Funkel und Co. immer wieder in eine Schublade gesteckt werden, sei? »Nein, es ist nicht mein Ziel Feuerwehrmann zu sein oder zu werden«, betont Kluge. Zum großen Ziel hat der 53-Jährige die Mannen um den pfeilschnellen Kapitän Matthias Dünkel trotz einer zwischenzeitlich besorgniserregenden Durststrecke von elf Partien ohne Sieg geführt.

»Jörg ist ein sehr, sehr feiner und netter Mensch. Dennoch redet er nie um den heißen Brei herum«

Vor allem weil er es geschafft hat, in die Köpfe der Spieler zu dringen. »Ich habe mich schon immer gerne mit Menschen auseinandergesetzt. Ich war mit 18 Jahren schon als Trainer tätig und hatte auch als selbstständiger Unternehmer immer viel mit Leuten zu tun. Da entwickeln sich so viele Dinge, bei denen man irgendwann ein Portfolio hat, um zu erkennen, um was es geht«, erklärt Kluge, der trotz seiner ruhigen Art als Menschenfänger gilt. VfL-Kapitän Dünkel sagt: »Jörg ist ein sehr, sehr feiner und netter Mensch. Dennoch redet er nie um den heißen Brei herum, sondern kommuniziert sehr direkt und ist sehr deutlich in seinen Ansprachen.«

Dass Kluge allerdings nicht nur die sanften Töne richtig trifft, zeigte das extrem wegweisende Heimspiel gegen den GSV Maichingen am vorletzten Spieltag. Für den VfL stand viel auf dem Spiel. Und der sonst so besonnene Interimscoach? »Er hat uns vor dem Spiel in der Kabine extrem gepusht und sogar richtig geschrien. Natürlich in positiver Weise. Damit haben nicht viele gerechnet. Ich glaube, dass das etwas mit uns gemacht hat, weil es uns genau das manchmal ein Stück weit gefehlt hat«, meint Dünkel.

»Aber ich bin da schon auch realistisch. Hätten wir das Ziel nicht erreicht, dann hätte die Welt ganz anders ausgesehen«

Egal mit wem man aus dem Pfullinger Lager auch spricht, alle finden ausschließlich lobende Worte für den dreifachen Familienvater. Was das mit ihm macht? »Jeder Mensch freut sich natürlich, wenn er gelobt wird. Aber ich bin da schon auch realistisch. Hätten wir das Ziel nicht erreicht, dann hätte die Welt ganz anders ausgesehen. Dann ist plötzlich die Ansprache falsch oder man hat falsch aufgestellt«, sagt er reflektiert.

Doch Kluge wäre nicht Kluge, wenn er zum Schluss nicht noch eine Sache ergänzen würde. »Ich muss eines sagen: Ich habe eine tolle Mannschaft von Michael bekommen. Mir tut das immer sehr Leid. Ich hätte wirklich gerne darauf verzichtet und in Weiler Micha die Hände geschüttelt und gesagt: Das ist dein Verdienst. Doch auch er hat am Klassenerhalt einen großen Anteil, das ist mir sehr wichtig.« Schlussendlich war es aber Kluge, der - um im Bilde des Songtextes zu bleiben - den Karren wieder einmal aus dem Dreck gezogen hat. Jetzt also auch bei der ersten Mannschaft. Doch so schnell wie er gekommen war, verschwindet er nun auch wieder. Wie könnte es bei ihm auch anders sein? »Er ist einfach ein überragender Typ«, findet Dünkel. (GEA)