PFULLINGEN. Es wäre spannend gewesen dabei zu lauschen, was die 150 Zuschauer nach dem Sportplatz-Besuch ihren Familien beim gemeinsamen Abendessen am Samstagabend für Erklärungen aufgetischt haben. Erklärungen für die herbe 2:6 (1:0)-Niederlage des VfL Pfullingen im Verbandsliga-Duell gegen den SSV Ehingen-Süd. Es blieb vermutlich bei verzweifelten Versuchen. Denn um das zu erklären, was sich zuvor auf dem Kunstrasen am Ahlsbergsportplatz abspielte, musste man erst einmal eine Nacht darüber schlafen.
»Ich habe ehrlicherweise keine Antworten darauf«, sagte VfL-Trainer Jörg Kluge. Vereins-Urgestein Timo Schyska sagte nach dem Schlusspfiff nur kopfschüttelnd: »Das würde einem ja niemand glauben.« Was der Presseverantwortliche damit meinte? Dass man eine gute erste Hälfte gespielt habe. Was der 56-Jährige ebenfalls hätte sagen können: Dass die Pfullinger bereits zur Pause mindestens mit 3:0 hätten führen müssen. Angesichts der deutlichen Klatsche klingt das nach einem schlechten Witz. War es aber nicht.
Verteidiger Digel trifft nach 20 Monaten wieder
Die Hausherren zeigten in den ersten 45 Minuten, warum sie zum Start des neuen Pflichtspieljahres 2025 vier Siege in Folge einheimsten und nach einer Horror-Hinrunde plötzlich wieder kräftig mitmischen im Kampf um den Ligaverbleib. Die Kluge-Elf macht keine verrückten Dinge, die die Fußball-Welt noch nie gesehen hat. Aber sie spielte auch gegen Ehingen-Süd in der ersten Hälfte wieder schnörkellos und direkt nach vorne und verteidigte die Angriffsversuche der Gäste entschlossen weg.
Vorne kamen die Pfullinger beinahe im Minutentakt zu hochkarätigen Chancen. Nach neun Zeigerumdrehungen traf Verteidiger Marco Digel, der beim Derby in Oberensingen noch als Stürmer agierte, nach einer Ecke zur 1:0-Führung. Für das 22-jährige Eigengewächs war es der erste Treffer seit 20 Monaten. Dann ging es Schlag auf Schlag. Mittelfeldspieler Roman Schubmann zog nach 23 Minuten aus der Distanz ab, Ehingen-Keeper Benjamin Gralla lenkte den strammen und platzierten Schuss noch überragend an die Latte.
Wenige Minuten später probierte es der 22-Jährige erneut aus der Distanz. Dieses Mal ging Schubmanns Abschluss knapp über den Querbalken. Dann stand Pfullingens Angreifer Christian Locher plötzlich im Mittelpunkt. Auf das Rampenlicht hätte der 31-Jährige in diesem Fall aber gerne verzichtet. Denn der Routinier vergab binnen zwei Minuten zwei hundertprozentige Chancen. Nach 35 Minuten brachte Locher den Ball erst aus spitzem Winkel im leeren Tor nicht unter, kurz darauf setzte er die Kugel nach starker Vorlage von Kapitän Matthias Dünkel - der Kasten war ebenfalls leer - aus elf Metern nur an den Außenpfosten. Auch Dünkel kam kurz vor dem Halbzeitpfiff noch zu einer Top-Chance im Fünf-Meter-Raum. Der 32-Jährige schlug kurz darauf beim Gang in die Kabine wutentbrannt gegen die Türe. Als hätte er da schon geahnt, was folgen würde.
Dilger mit Viererpack binnen 13 Minuten
Es war ein kollektiver Systemausfall und wie in einem schlechten Film! 21 Minuten nach dem Wiederanpfiff von Referee Benjamin Schmidt war Stadionsprecher Oliver Herdtner bereits zum vierten Mal gefordert. »Das war der Treffer zum 1:4. Torschütze, wie immer, Simon Dilger«, hallte es durch die Lautsprecher. Der 27-Jährige, der sieben Minuten vor Schluss noch sein fünftes Tor (!) an diesem Mittag erzielte, schnürte einen Viererpack binnen 13 Minuten und erledigte die Pfullinger im Alleingang. So beeindrucked dieses Kunststück ist, so erschreckend war vor allem, wie einfach dem 27-Jährigen das Toreschießen gemacht wurde.
Beim ersten Mal war es eine Flanke, dann eine Ecke, dann wieder eine Flanke und beim 5:0 ebenfalls eine Hereingabe vom Flügel, bei der sich zwei Pfullinger Abwehrspieler gegenseitig behinderten. Der VfL war völlig von der Rolle. Es kam zum großen Debakel am Ahlsberg. Mit einem definitiv möglich gewesenen Sieg wäre der VfL bis auf zwei Punkte an den Tabellenelften TSG Tübingen und den Zehnten TSG Balingen II rangerückt. So bleibt es bei fünf Zählern Rückstand auf das vermeintlich rettende Ufer. »Es tut einfach weh, weil wir gerade dabei waren, für eine gewisse Euphorie im Verein zu sorgen«, sagte Coach Kluge. (GEA)