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Strehmel und Köstner und das Wunder von Unterhaching

Vor 25 Jahren, im Mai 2000, verspielte Bayer Leverkusen am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga in Unterhaching die Meisterschaft. Ein SSVler und eine ehemaliger SSVler waren damals dabei.

Der ehemalige Reutlinger Coach Lorenz-Günther Köstner trainierte die Spvgg Unterhaching insgesamt sechs Jahre.
Der ehemalige Reutlinger Coach Lorenz-Günther Köstner trainierte die Spvgg Unterhaching insgesamt sechs Jahre. Foto: dpa
Der ehemalige Reutlinger Coach Lorenz-Günther Köstner trainierte die Spvgg Unterhaching insgesamt sechs Jahre.
Foto: dpa

REUTLINGEN. »Die Tragödie. Tiefe Depression bei Bayer, totale Euphorie in München«, titelte das Fachblatt kicker am 22. Mai 2000. Was war geschehen? Bayer Leverkusen hatte vor dem letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga drei Punkte Vorsprung vor dem FC Bayern. Dann passierte das Unfassbare: Die Leverkusener Schützlinge von Trainer Christoph Daum verloren bei der Spvgg Unterhaching mit 0:2, die Münchner bezwangen Werder Bremen 3:1 - und feierten danach ihre 16. deutsche Meisterschaft. Zu den Hauptfiguren bei Unterhaching gehörten damals Abwehrchef Alexander Strehmel und Trainer Lorenz-Günther Köstner. Strehmel coacht derzeit den SSV Reutlingen in der Oberliga, Köstner arbeitete von 1986 bis 1989 als Übungsleiter bei den Nullfünfern.

»Vor dem Spiel ging es bei den Leverkusenern nur um die Höhe des Sieges«, erinnert sich Strehmel. »Der Respekt hat gefehlt.« Er und seine Mitstreiter bei Unterhaching wollten sich zum einen ein Urlaubsgeld verdienen und zum zweiten hatten sie eine perfekte Plattform auf der großen Fußballbühne. Bei Unterhaching agierte Strehmel an diesem Tag als Libero. »Ich war damals in der kicker-Rangliste in der Rubrik Libero weit vorne platziert«, erzählt Strehmel, der jedoch in einigen Begegnungen auf der Sechser-Position zum Einsatz kam.

Alexander Strehmel lief einst für die deutsche 21 und U20-Nationalmannschaft auf.
Alexander Strehmel lief einst für die deutsche 21 und U20-Nationalmannschaft auf. Foto: dpa
Alexander Strehmel lief einst für die deutsche 21 und U20-Nationalmannschaft auf.
Foto: dpa

»Wir wollten einen guten Saison-Abschluss haben und hatten eine Mannschaft mit einer extrem guten Mentalität«, blickt Strehmel zurück. Der Liga-Neuling vom Münchner Stadtrand wurde nach dem Aufstieg im Sommer 1999 belächelt und als Absteiger Nummer eins gehandelt. Die Hachinger agierten jedoch im gesamten Saisonverlauf unheimlich diszipliniert und landeten im Abschluss-Klassement auf dem zehnten Platz.

Eigentor von Michael Ballack

Unterhaching ging in der 20. Minute durch ein Eigentor von Michael Ballack in Führung. Den 2:0-Endstand markierte in der 72. Minute Markus Oberleitner. »Danach brachen alle Dämme«, erinnert sich Köstner. Die Hachinger wurden damals als »Meistermacher« tituliert. Köstner wollte dieses Wort nie hören: »Für mich war es ein gelungener Saisonabschluss. Andere Spiele in dieser Saison waren für uns wichtiger.«

Der heute 73 Jahre alte Fußball-Lehrer denkt dabei an den 2:0-Heimsieg am zweiten Spieltag gegen den MSV Duisburg. »Nachdem wir zum Saisonauftakt in Frankfurt eine 0:3-Schlappe einstecken mussten, wurden wir schon als das neue Tasmania gehandelt«, so Köstner. Zur Erinnerung: Tasmania Berlin holte als Aufsteiger in der Bundesliga-Spielzeit 1965/66 nur zwei Siege sowie vier Unentschieden und ist bis heute der schlechteste Absteiger in der Erstliga-Geschichte.

Daum macht in der Halbzeitpause Theater

Überragender Akteur in den Unterhachinger Reihen gegen Leverkusen war Torhüter Gerhard Tremmel. »Der ist über sich hinausgewachsen«, formuliert Köstner. Nachdem der FC Bayern gegen Bremen bereits nach 16 Minuten mit 3:0 vorne lag, sei »Leverkusen nervös geworden«. In der Halbzeitpause habe sein Trainer-Kollege Daum »mächtig Theater« gemacht. Ohne Erfolg. Die Kämpfer der Spvgg Unterhaching ließen sich nicht mehr von der Siegerstraße abdrängen.

Während sich die Top-Manager von Bayer vor dem letzten Spieltag auf den Weg zur vermeintlichen Meisterfeier nach Unterhaching machten, habe er seinen Schützlingen erklärt, »dass uns die Leverkusener vorführen wollen«, sagt Köstner. »Da war von Ergebnissen wie 6:0 oder 7:0 die Rede«, weiß Strehmel, der damals als 32-Jähriger zu den Routiniers bei Unterhaching gehörte. Der seit Oktober vergangenen Jahres beim SSV Reutlingen auf der Kommandobrücke stehende Strehmel bekam vor der Partie gegen Leverkusen auch nicht das große Nervenflattern, hatte er doch schon einiges erlebt. Mit dem VfB Stuttgart wurde er 1992 deutscher Meister, mit Haching stieg er 1999 in die Bundesliga auf, zudem durfte er acht Mal für die deutsche U21-Nationalmannschaft auflaufen. (GEA)