Logo
Aktuell Fussball

Reutlinger erfinden Co-Trainer für die Hosentasche

Mit ihrer Idee wollen vier Gründer aus Reutlingen Amateur-Trainern helfen. Die Nachfrage nach der Anwendung ist groß. Was die App so besonders macht.

Vier Gründer aus Sickenhausen haben ihre App auf den Markt gebracht, die ehrenamtliche Trainer unterstützen soll.
Vier Gründer aus Sickenhausen haben ihre App auf den Markt gebracht, die ehrenamtliche Trainer unterstützen soll. Foto: Privat
Vier Gründer aus Sickenhausen haben ihre App auf den Markt gebracht, die ehrenamtliche Trainer unterstützen soll.
Foto: Privat

REUTLINGEN. Jeder Amateurfußballer kennt die Situation: Ein Teamkollege hat kurzfristig abgesagt, der Coach steht mit fünf Zetteln in der Hand grübelnd auf dem Grün und tüftelt verzweifelt herum, um die Übung an die neue Spielerzahl anzupassen. Auch die Kicker stehen. Und stehen. Und stehen. Mal drei Minuten, mal fünf Minuten, mal länger. Ist es draußen kalt oder der Regen setzt ein, ist die Katastrophe perfekt. Das macht keinen Spaß. Nicht für die Spieler, aber auch nicht für die Trainer, die ihre letzte verbleibende Zeit zwischen Feierabend und Trainingsstart genutzt hatten, um sich vorzubereiten. Dafür, dass am Ende doch wieder alles anders kam und nichts klappte.

»Wir wollen einen Beitrag leisten, den Trainer-Job attraktiver zu machen«

Ein Lied von solchen Unwägbarkeiten singen können auch Paul Prochiner und Philipp Saur, die Spielertrainer beim TSV Sickenhausen sind. "Im Prinzip ist jede Woche etwas", sagt Prochiner. Oder besser gesagt: War etwas. Denn gemeinsam mit Jens Bintakies und Anton Kandlbinder haben die Reutlinger Gründer eine App entwickelt, die genau das verhindert. »Wir wollen einen Beitrag leisten, den Trainer-Job attraktiver zu machen«, erklärt Saur. Wobei Job in diesem Zusammenhang fast der falsche Begriff ist. Schließlich handelt es sich zum Großteil um Ehrenamtler. Und die müssen ganz schön viel Zeit opfern.

"Ich brauche für jede Trainingsplanung 30 Minuten bis eine Stunde", verrät Miguel da Silva, U23-Trainer der Young Boys Reutlingen. Auch Prochiner und Saur sprechen von rund einer Stunde Vorbereitung, bis eine qualitativ ansprechende Einheit steht. "Das als Ehrenamtler nebenbei zu machen, ist für viele ein Riesenproblem", berichtet Prochiner, zückt sein Smartphone und demonstriert, wie das Ganze mit der App funktioniert, die den Namen "we.train.football" trägt.

»Das kann wirklich jeder nutzen. Ob als Inspiration oder als komplette Einheit«

Der Coach des TSV Sickenhausen macht ein paar Klicks, gibt ein, wie viele Spieler am kommenden Tag dabei sein werden, wie viel Platz er zur Verfügung hat und welchen Schwerpunkt er in seiner Einheit haben will. Und schwups - keine zehn Sekunden sind vergangen - liefert ihm der Fußball-Co-Trainer für die Hosentasche eine komplette Einheit mit Aufwärmprogramm und fünf Übungen, die inhaltlich aufeinander abgestimmt sind. Erklärt werden die einzelnen Abschnitte mit Grafiken und einem knappen Text.

Die Grundlage ist eine rund 2.500 Trainingsübungen umfassende Datenbank sowie ein Algorithmus, der aus den vorgegebenen Parametern ein komplettes Training bastelt. »Das gibt es sonst auf dem Markt nicht«, betont Prochiner. Saur ergänzt: »Das kann wirklich jeder nutzen. Ob als Inspiration oder als komplette Einheit.«

Denn die Möglichkeit, einzelne Übungen einfach manuell auszutauschen, gibt es auch. Das Grundgerüst steht trotzdem. Und: da "we.train.football" auch eine Funktion zur Spielerverwaltung besitzt, über die die Kicker für jedes Training zu- oder absagen können, sollte eine blöde Situation, wie eingangs beschrieben, nicht mehr vorkommen. Wird ein Teammitglied krank und sagt ab, bekommt der Coach eine Benachrichtigung aufs Smartphone. Aber auch jetzt braucht es keinen großen Aufwand, um alles umzuplanen. Stattdessen wird einfach in die Eingabemaske die neue Personenzahl eingegeben und wenige Augenblicke später zeigt das Smartphone die angepassten Übungen an.

»Du hast immer eine Absicherung in der Hosentasche«

»Aus meiner Erfahrung würde ich sagen, dass es eine große Entlastung ist, was das Thema Stress angeht«, meint Prochiner. »Du hast immer eine Absicherung in der Hosentasche, falls es kurzfristig doch wieder anders kommt, kannst du schnell und einfach reagieren. Bei uns steht immer die Zeitersparnis im Vordergrund.« Die laut Aussagen der angehenden B-Lizenz-Coaches noch weitere Vorteile mit sich bringt. Schließlich könnten sich die Trainer mit der eingesparten Zeit für die Planung anderen wichtigen Dingen wie der persönlichen Kommunikation mit ihren Schützlingen oder der intensiveren taktischen Ausrichtung beschäftigen.

Auf dem Markt ist die App der Gründer aus Sickenhausen erst wenige Monate. Doch schon jetzt läuft es. Über 2.000 Trainer sind registriert und es werden immer mehr. Die Macher von "we.train.football" scheinen einen Nerv getroffen zu haben. Sogar das renommierte Fachmagazin Kicker berichtete jüngst über die Erfindung.

Die Idee, die Fußballwelt mit ihrer Idee zu verbessern, treibt das Quartett schon länger um (der GEA berichtete). »Wir hatten immer diesen Gründergeist in uns«, sagt Prochiner. Seit dem Jahr 2022 basteln die Unternehmer an ihrem Plan. Eine erste Web-Anwendung gab es Mitte 2023. Der große Wurf ist aber mit dem Launch der App gelungen.

»Alleine für die Ideensammlung ist es eine gute Sache«

Das zeigt auch das Interesse bei Vereinen in der Region an dem Angebot, das nach einer Testphase 14.90 Euro pro Monat kostet, als abgespeckte Variante aber auch zum Nulltarif zur Verfügung steht. "Ziemlich cool", sagt Miguel da Silva. "Die App löst alltägliche Probleme von Amateurtrainern, wie sie immer wieder auftreten." Auch sein Kollege Sven Pichler ist überzeugt: "Für Jugendtrainer oder Leute, die nicht so viel Zeit haben, ist die App absolut genial." Der Trainer des Reutlinger A-Ligisten SV Walddorf selbst lässt sich zwar selbst nicht das ganze Programm für seine Einheiten vorgeben, nutzt "we.train.football" aber als "Inspiration". "Ich habe schon die ein oder andere Übung rausgezogen. Alleine für die Ideensammlung ist es eine gute Sache. In der Gewohnheit wird man ja oft auch ein bisschen blind."

In Zukunft soll es auch die Premium-Variante ohne Kosten geben. »Wir wollen eigentlich nicht, dass der Trainer am Ende zahlen muss«, sagt Prochiner. Getüftelt wird deshalb schon jetzt an Modellen mit Partnern, die als Geldgeber einspringen und dafür Werbung in der App platzieren können. Für eine Extraportion Expertise wurde Fußballfunktionär Thomas Röttgermann ins Team geholt.

Und auch an weiteren Upgrades sowie einer Variante fürs Profi-Geschäft wird gearbeitet. Schließlich flatterten auch Anfragen höherklassiger Clubs ins Büro in Reutlingen. An Arbeit mangelt es den Coaches also nicht. Aber das ist ja auch kein Problem. Schließlich bleibt durch ihre eigene App ja ein wenig mehr Zeit fürs Geschäft. (GEA)